Various Artists: Reeperbahnfestival 2010
Hamburg, 23.-25.09.2010
Das Reeperbahnfestival wird auch immer größer. In diesem Jahr sind einige neue Veranstaltungsorte hinzugekommen, vom Striptease-Lokal bis zur Kirche. Ungefähr 188 Bands an drei Tagen, was für ein Irrsinn! Aber perfekt, wenn man neue Musik entdecken will, man muss halt von Ort zu Ort hoppen. Aber sensationell neues gibt es hier nicht. Ernsthafte Experimente darf man nicht erwarten. Singer-Songwriter gab es wie Sand am Meer und auffallend viele nordeuropäische Musiker. Dort scheint die Musikförderung anders zu funktionieren als hierzulande.
Im Imperial Theater waren in der Kulisse zu einem Edgar Wallace-Stück (vermute ich mal), in gediegender Atmosphäre, Künstler wie Caitlin Rose (sympathisch entspannte Country-Songs), Ólöf Arnalds (netter nordisch Folk) oder Kat Frankie zu hören, die mit ihrer Band einen für Festivalverhältnisse recht ausführlichen und sehr überzeugenden Gig zum Besten gaben. Immer wieder wechselte sie und ihre Mitmusiker die Instrumente, so war vom Klang her immer für Abwechslung gesorgt.
In der kleinen Hasenschaukel hatte ich nur einmal die Ehre Gast sein zu dürfen. Der Kanadier Woodpigeon, ein Mann an der akustischen Gitarre, der sich seine musikalische Begleitung gerne live Schicht für Schicht zusammen samplete (nichts ungewöhnliches mehr, Petula beispielsweise, ein Alleinunterhalter mit E-Gitarre, machte das nebenan im Silber ebenfalls – und viele mehr). Nur beim letzten Lied, einem „american folk song“, der sich als Daniel Johnston-Cover-Version entpuppte, halfen ihm Freunde an Drums und Singender Säge.
Die zum Molotow gehörende Meanie Bar war diesmal ebenfalls Austragungsort verschiedenster Konzerte. Die High Quality Girls schafften es mit ihrer trashigen Musik, die Bar angenehm leer zu spielen. Normalerweise war sie ruckzuck überfüllt. Verpaßt habe ich hier Torpedo, aber was ich am Ende ihres Sets zufällig hören durfte, hat gut krautgerockt. In diesem Rahmen bemerkenswert war die Instrumentierung von Parfum Brutal: Cello, Sängerin mit Geige, E-Piano und ein Schlagzeuger, der auch mal eine Decke übers Schlagzeug warf um den Klang zu dämpfen. Soetwas sieht man im Pop eher selten. Popmusik mit kammermusikalischen Mitteln und womöglich jazzigem Background, sehr erfrischend.
Auch im Cafe vom Beatlemania, dem privaten Hamburger Beatles-Museum, gab es Konzerte. Die Betonwände sind jetzt nicht so gemütlich. Aber hier hat Lydia Daher mit Band ihre neue, im Oktober bei Trikont Records erscheinende Platte vorgestellt. Ihr Debut-Album hatte sie ja im Alleingang eingespielt. Nun ist die mit einem Schlagzeuger und einem Bassisten unterwegs und präsentiert ihre textlastigen, deutschsprachigen Songs. Sie selbst spielt Gitarre (für Linkshänder – das paßt gut ins Beatles-Museum) und singt, klar und schnörkellos sind die Gitarrenriffs und Basslinien. Sympathische Angelegenheit!
Natürlich gab es auch große Namen auf diesem Festival. Edwyn Collins beispielsweise zeigte, dass er immernoch gute Popmusik macht. Und Chilly Gonzales überzeugte am Klavier solo, sehr unterhaltsam und mit Schalk im Nacken, bevor sein Film „Ivory Tower“ Deutschland-Premiere hatte.
So ungefähr war das bei mir.