Archive for April 2011

Versende Deine Jugend

April 21, 2011

Medienarbeiter Börnie Jugel am 15.10.1986 live im Studio

Was soll denn das nun schon wieder??? Bereits im Herbst 2007 (oder war es schon ein Jahr früher?) stand der Zündfunk, die sogenannte Jugendsendung des Bayerischen Rundfunks auf UKW zur Diskussion. Damals wurde das digitale Radio DAB eingeführt und es schien als ob beim BR Jugend nur noch digital stattfinden dürfe – in Form des dort gesendeten Bavarian Open Radio, das im Oktober 2007 auf Sendung ging und ein paar Monate später in on3radio umbenannt wurde. Gottseidank blieb uns der Zündfunk dennoch erhalten. Jeden Werktag gibt es zwischen 19 und 20:30 Uhr die Magazinsendungen des Zündfunk – und zusätzlich nachts um 23 Uhr oder später noch Nachtsessions und Nachtmixe. Sehr empfehlenswert!

Aber was muss ich nun hören? Die Sendezeit vom Zündfunk soll an vier Tagen und eine halbe Stunde verkürzt werden, am Freitag gibt es dafür eine halbe Stunde mehr. Das ist erstmal eine geringe Reduzierung. Und ich frage mich, ob man dadurch wirklich Geld einsparen kann. Denn da der BR laut einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung weniger Gebührenzahler hat als vor ein paar Jahren, muss er nun schauen wie er sparen kann. Aber das könnte auch der Auftakt zu einer Abschaffung dieser Sendung in Salamitaktik sein. Ich hoffe nicht!

Denn diese Sendung ist nicht nur eine der letzten journalistisch wertvollen Angebote – nicht nur für Jugendliche – auf bayerischen UKW-Frequenzen, sondern auch eines der interessantesten in ganz Deutschland. Im Zündfunk lief schon immer die interessantere Musik, auch abseitiges. Soetwas gab es woanders vielleicht noch in den Sendungen von Klaus Walter beim Hessischen Rundfunk oder später bei den freien Radios oder halt bei John Peel. Politisch waren in dieser bayerischen Sendung schon immer auch linke Themen präsent. Dank des Zündfunk Clubs war meine Jugend in der nordbayerischen Provinz durchaus erträglich (damals gab es noch kein Internet, keine privaten Radios oder gar Musikfernsehen).

Warum, lieber Bayerischer Rundfunk, wollen Sie eine solch interessante und attraktive Sendung der Kostenersparnis opfern? Um noch mehr (jugendliche) Zuhörer zu verlieren?

Siehe auch:
www.zuendfunk-retten.de

Schub Schalala Schub Schiengeling

April 13, 2011

Mobylettes – Immer schlimmer
(CD / LP+Download, Tapete Records, TR206, 2011)

Dass die Mobylettes jemals noch einmal eine Platte veröffentlichen würden, hätte ich ja nie gedacht. Das letzte Lebenszeichen dieser Hamburger Band um Nixe  aka R.Giese aka Rebecca Walsh aka Diana Diamond war ihr 1998 erschienenes Gershwin-Album „Kicking The Clouds Away“ (elbtonal CD ET 18, 1998). Das ist ja verdammtnochmal über zehn Jahre her! Kennengelernt habe ich die Band drei Jahre früher mit  „Girl Talk“ (elbtonal CD ET 07, 1995) und dem mehr als coolen Song „Arrogant“. Das dazwischen erschienene Werk „Catch As Catch Can!“ (elbtonal CD ET 13, 1997) gehört ebenfalls zu meinen Favoriten.

Vor den Mobylettes war Diana Diamond bei den fabelhaften Huah! und den Die Stars tätig und unterstützte  u.a. King Rocko Schamoni und Die Goldenen Zitronen. Im Januar 1991 sang sie mit Bernadette Hengst (damals noch ohne „La“ in der Mitte) unter dem Namen Domino das herrliche Eifersuchts-Duett „Mein Platz“, erschienen auf einem 7“-Sampler (L‘Age D‘Or, Lado 14003). Nach den Mobylettes veröffentlichte sie noch als Silvana Busoni (und mit Max Knoth, Marina Wasilieva, Carsten Meyer sowie Marc Witte) sechs herrliche Songs auf einer CD ohne Label und ist unter diesem Pseudonym auch als Zauberassistentin (für Manuel Muerte) und als Barmusik-Duo unterwegs. Unvergessen der Song „Die Zigarette davor“!

Auch auf der aktuellen Platte der Mobylettes gibt  es „Unterhaltungsmusik im Stil der 60er Jahre“ zu hören. Oder reden wir lieber von deutschsprachiger Beatmusik mit Swing im Sinne von Schwung und ein bißchen Seele im Sinne von Soul. Der Sound ist einfach klasse, Frau Diamonds Gesang sowieso und die klassische Beatformation wird mit Orgel und Backgroundgesang erst so richtig vervollkommnet. Vom Schlagerhaften sind die Mobylettes gottseidank ebenso weit entfernt wie vom noisey Trash. Ich habe sogar den Eindruck, dass die aktuellen Aufnahmen besser denn je klingen. Und es fällt schwer den einen Hit aus diesem Album auszuwählen, die ganze Platte ist eine feine Sache!

In den 13 Songs auf „Immer schlimmer“ geht es nicht nur um das Thema Liebe in den Varianten Vorher / Nachher / Mittendrin. Ein Song ist auch der relativ-theoretischen Zeitwahrnehmung im Alltag gewidmet. Die Texte spielen mit den Worten und reflektieren sogar in einem Fall das Problem mit dem Komponieren: „Ich schreib nie wieder einen Song / Es wird ja doch kein Hit / Der ganze Ärger mit dem Ton / Ich mach das nicht mehr mit / …“. Aber ich sage: Nein, nein, nein, bitte nicht! Bitte weitermachen!

PS: Und irgendwie schreit das Lied „Eine Frau und ein Mann“ nach einem Remix durch Yasuharu Konishi (小西康陽)!

Kinder, Koks und Krach

April 11, 2011

Mein Unerhört! Musikfilmfestival 2011
(07. bis 10. April 2011, Hamburg, verschiedene Lichtspielstätten)

Gottseidank fand in diesem Jahr das Unerhört! Musikfilmfestival wieder statt, wenn auch in geschrumpfter Form. In Kooperation mit bzw. im Rahmen der Dokumentarfilmwoche Hamburg zeigte Unerhört! acht Filme, von denen ich immerhin fünf gesehen habe. Am Samstag gab es leider Überschneidungen, so dass ich mich gegen „Taqwacore – The Birth of Punk Islam“ und „Benda Bilili!“ entscheiden mußte. Letztgenannter Film erhielt dann auch den Preis für die beste Musikdokumentation 2011. Entschieden hat das eine aus Ruben Jonas Schnell, Holger True und Ale Dumbsky bestehende Jury. Ich habe wohl ein Talent dafür das beste (?) zu verpassen (auch den Film über Youssou N’Dour)…

Eröffnet wurde das Festival mit einem Film über die ehemalige unabhängige Plattenfirma Creation und ihren Mitbegründer Alan McGee, einem drogen-befeuerten Musikverrückten mit dem Gespür für besondere Musik. Creation veröffentlichte im November 1984 die erste Single von The Jesus And Mary Chain (daher der Filmtitel: „Upside Down – The Creation Records Story“) und später so interessante Bands wie My Bloody Valentine, Momus und Felt, aber auch Teenage Fanclub, Boo Radleys  oder Oasis und viele mehr. Die Zeitreise führte von Glasgow über London nach Manchester, von der Gründung bis zum Zusammenbruch und den Einstieg von Sony. Es kommen viele Musiker, aber auch ehemalige Angestellte und Journalisten zu Wort. Alles dicht mit Informationen gefüllt und schnell geschnitten. Schade, dass der Schotte McGee so schlecht zu verstehen ist, aber Regisseur Danny O’Connor und Produzent Mark Gardener (ex Ride), beide bei der Aufführung anwesend, waren sich dessen bewußt und versprachen für die Zukunft Untertitel.

Der Freitag war dem Funk und Soul gewidmet.

Zuerst wurde im B-Movie „Coming Back For More – Finding Sly Stone“ gezeigt. Hier wird einerseits die Geschichte von Sly Stone erzählt, der in den 80ern von der Bildfläche verschwand, und andererseits von holländischen Fans, die ihm nachstellen, erst scheitern, aber am Ende das erste gefilmte Interview mit Sly Stone seit  über 20 Jahren führen. Durch detektivische Geduldsarbeit und dem langsamen Aufbau von Kontakten mit Sly Stones Umfeld konnte man ihn am Ende wirklich finden. Unterstützt wurde der Regisseur Willem Alkema durch zwei Fans, Zwillinge, die ein Buch über Sly Stone in Arbeit haben und auch einen Einblick in dessen musikalischer Biographie geben. Eine teilweise recht amüsante Mischung aus gelebtem Fantum und Musikdokumentation.

Der Titel des zweiten Films am Freitagabend verrät bereits die ganze darin dargebotene Geschichte: „Coals to Newcastle: The New Mastersounds From Leeds to New Orleans“. Die New Mastersounds sind eine Instrumental-Funkband aus Leeds und tragen Eulen nach Athen indem sie nach New Orleans reisen und dort ihre Version amerikanischer Musik darbieten. Anfangs wird die Band vorgestellt, alles nette Typen und teilweise auch Väter, die versuchen Kinder und Musik unter einen Hut zu bringen. Statt die musikalischen Wurzeln in New Orleans herauszuarbeiten mutiert der Film am Ende zu einem Konzertfilm. Fans der Band waren begeistert. Schade nur, dass mir diese Art von Funk schon zu daddelig und muckermäßig ist und mir recht bald auf den Butterkeks ging.

Samstags reiste ich zuerst in den hohen Norden, später nach Japan.

In „Music From The Moon“ ging man zusammen mit dem Hypno Theatre auf Tournee nach Island und Grönland. Eine international zusammengewürfelte Truppe führt Kindern ihr Puppenmusiktheater vor. Dabei erfährt man einiges über die jeweiligen Kulturen, die sich nicht nur von Land zu Land, sondern auch von Süd nach Nord (zumindest in Grönland) leicht unterscheiden. Man wird in private Wohnungen zu Einheimischen mitgenommen, aber auch zu Konzerten von unbekannten grönländischen und bekannteren isländischen Bands. Man trifft beispielsweise auf Emiliana Torrini und Benni Hemm Hemm. Schöne Landschaftsaufnahmen sind natürlich auch dabei.

Der interessanteste Film in diesem Jahr war für mich „We Don’t Care About Music Anyway“. In einer manchmal postapokalyptisch anmutenden Kulisse – Müllhalden, Schrottplätze, verfallene Häuser, Kellergewölbe – wird harshe experimentelle Musik dargeboten von Musikern bzw. Bands, die auf die Namen Sakamoto Hiromichi, Yamakawa Fuyuki, L?K?O, Numb, Saidrum, Takehisa Ken, Shimazaki Tomoko und Otomo Yoshihide hören (zumindesten letzteren könnte man als Turntableist, Gitarrist und Improvisator kennen). Deren Musik verschmilzt mit den Bildern und den dazugehörigen Umgebungsgeräuschen derart perfekt, dass es eine wahre Freude ist. Zumindest wenn man sich für japanische experimentelle, an Lärm grenzende Musik interessiert. Gitarren, Mischpulte, Sampler, Plattenspieler und auch ein gutbürgerliches Cello werden zweckentfremdet, manipuliert und mit Kontaktmikrophonen ausgestattet. Manchem Künstler genügt auch der eigene Herzschlag als pulsierende Klangquelle. Zwischendurch reden die beteiligten Künstler in einem abgedunkelten Raum über ihre Musik, Arbeitweise, Hintergründe, Umgebung. Oder geben einzeln kurze Statements ab. Und irgendwann bezweifelt einer der Musiker, dass diese Häuser hier in Zukunft, vielleicht in zehn Jahren, noch stehen könnten. Die Rede ist von Tokyo, Japan…

Nazi-Bilder in Teilen von Europa

April 6, 2011

Das ist schon ein Dreck mit diesem Youtube in Germany. Da klickt man sich von einem Video zu einem ähnlichen Track und dann erscheint wiedermal so eine Meldung wie „Dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar. Learn more…“. Oh ja, mehr lernen klingt gut! Schnell mal den Link klicken und sich schlau machen. Aber wer ernsthaft Hintergründe erfahren möchte, wird enttäuscht. Statt einer interessanten Abhandlung des deutschen Urheberrechts und der bescheuerten Organisationen, die dieses zu verteidigen glauben, erscheint nur folgender Text:

Ha ha ha, klar, „Nazi-Bilder“ … „in Teilen von Europa“ … zum Totlachen. Tolles, sehr einleuchtendes Beispiel!

Dabei geht es doch eher um überholte bürokratische Organisationen, die sich dazu auserkoren fühlen, kreative Leistungen verwerten zu müssen, sich dabei aber so quer stellen, dass kostenlos gestreamte Kreationen nicht mehr zugänglich gemacht werden. Richtige Musikfans werden durch solche Kanäle wie YouTube vielleicht auf die dumme Idee gebracht, Musik zu kaufen, in welcher Darreichungsform auch immer. Aber das möchte man natürlich nicht ansprechen, und dass die letzten verbleibenden Plattenfirmen ebenso wie die Gema sich somit ihr eigenes Grab noch tiefer schaufeln, kann man natürlich nicht in so einem „Learn more“-Text darlegen. Stattdessen schwafelt man am Ende lieber etwas von Nazis in Teilen Europas. Nazis sind böse. Das versteht doch jeder.

Noch zwei, drei mehr oder weniger passende Videos.

Sid der Liedermacher hat zu diesem Thema ein herrliches Lied geschrieben:

Mutter und Die Eigene Gesellschaft haben verstanden
(man beachte dies ersten drei Sekunden):

Und Der Plan hat seine eigene Philosphie zum Thema Copyright:


Hinter Gittern

April 3, 2011

Unknown Artist, Hamburg, Gärtnerstr. 24/26, 3. April 2011

Ein Jahr später sah diese Ecke so aus:
Ein Jahr hinter Gittern