Archive for Oktober 2011

Arschloch Gonzales

Oktober 29, 2011

The Unspeakable Chilly Gonzales with his String Quartet
(live, Überjazz Festival, Kampnagel, Hamburg, 28.10.2011)

War eigentlich ein schöner Abend, dieses Konzert von und mit Chilly Gonzales: schöne Musik, er am Flügel, begleitet von einem Streichquartett. Er erzählt viel und mit seinen Geschichten und Ansichten hält er  das  Publikum fest in der Hand. Da demonstriert er ad hoc zusammen mit seinen „unterbezahlten“ Musikern (sinngemäß seine Worte) wie schnell und einfach man mit ein paar Noten ein Stück komponieren kann. Das Publikum darf dem „musical genius“ (seine Worte) ein paar Noten zuwerfen. Und ruck zuck ist die Komposition fertig. Natürlich erwähn er auch, dass man mit drei Noten ganz schön viel Geld machen kann, z.B. wenn man wie er diese als Bestandteil einer App fürs iPad verkaufen kann. „I don’t think you can imagine how much money I made from three notes“ sagt dieser Angeber dann auch, das Publikum findet das witzig und lacht.

Offensichtlich hat er Spaß daran mit dem Publikum zu arbeiten und seine Art von musikalischer Erziehung zu praktizieren. So werden zweimal Leute auf die Bühne gebeten um für Herrn Jason Charles Beck Kleinigkeiten in die Tasten zu hauen. Beim ersten mal klappt das auch ganz gut. Angeblich ohne Vorkenntnisse macht der junge Mann aus dem Publikum seine Arbeit gut.

Beim Finale geht Gonzales ins Auditorium um eine Frau auf die Bühne zu bitten. Als diese dann ablehnt deutet er ihren Mann als Ersatz aus, der jedoch ebenfalls ablehnt. Doch Chilly Gonzales ist von der fixen Idee besessen, dass dieser Mann jetzt Klavier spielen soll, die jungen unrasierten Hipster will er nicht, er will unbedingt diesen Typen. Gonzales schaltet auf stur und wartet ab. Doch der Herr aus dem Publikum verweist auf sein Recht nein sagen zu dürfen, was der Künstler mit „Nein! Du bis in meiner Welt“ (oder so ähnlich) beantwortet. Besagter Herr bleibt konsequent, Gonzales ebenso. Da haben sich ja zwei Dickschädel getroffen, was letzter mit einem „He’s an asshole, I’m an asshole too“ (so sinngemäß) kommentiert. So geht das geschätzte zehn Minuten hin und her bis nicht nur ich ein bißchen genervt den großen Saal verlasse. Schade, daß Gonzales auf diese Weise ein echt häßliches Finale provoziert hat. Aber ungemütliche Situationen mag der Herr ja offenichtlich. Anscheinend wird er so langsam größenwahnsinnig oder nimmt die falschen Drogen. Oder mußte er einfach wiedermal etwas für sein Genie-und-Wahnsinn-Image tun? Man muß ja im Gespräch bleiben und Crowd Surfing hatte er ja vor einem halben Jahr schon.

Wie diese Patt-Situation schließlich ausgegangen ist, weiß ich leider nicht.

Im Netz sind bereits folgende Aufnahmen aus dem Publikum aufgetaucht:
Beans
Unknown
The Grudge
Never Stop

Ein Dokument

Oktober 21, 2011

Kurzer Review aus dem 10.16 Megazine Nr. 15 aus dem Jahr 1990:

Abschrift des obigen Scans (minimal editiert und ohne die Adresse, da sie garantiert nicht mehr stimmt):

Various: Music of Die Ind – Ein Dokument
(LP, Out of Depression/Rec Rec, out 0019)

Das deutsch/schweizerische ‚Zine Out of Depression hat sich hier der Musik des Linzer Cassettenlabels Die Ind angenommen – allerdings nonverbal – und eine Compilation-LP zusammengestellt mit Stücken verschiedener Formationen, die früher nur auf Die Ind-Cassettensamplern zu hören waren. Der Großteil der zwölf Aufnahmen ist eher ruhig und experimentell, Collagen und Improvisationen herrschen vor. Aber wie so oft bestätigen Ausnahmen die Regel, wie z.B. der charmante Gitarrenpop von Caspers (u.a. mit Hans Platzgumer) oder die härteren Rhythmen von Monochrome Bleu. Trotz der einfachen Produktionsmittel, mit der die Aufnahmen zu dieser LP gemacht wurden, ist sie mehr als nur ein „Dokument“, wie es auf dem Cover heißt – nämlich einfach ein guter Sampler mit interessanter Musik zwischen den Stühlen. Zum Hinhören!

mrboredom
(1990)

Du verstehts uns nicht

Oktober 19, 2011

Die Aeronauten: Too Big To Fail / Zementgarten
(7“, Picture Disc, Ritchie Records, 2011)

Von den Die Aeronauten aus der Schweiz gibt es übrigens eine neue, farbig bedruckte Single.

Auf Seite 1 kommen sie verhalten daher, mit zurückhaltenden Drums, akustischer Gitarre, schöner Orgel und Olifr. M. Guz entschuldigt sich für seine Fehler. Für was genau weiss man nicht – und der Rest der Band singt background und pfeift sich einen. Hat also garantiert nichts mit Bankenkrise und Systemrelevanz zu tun.

Auf der anderen Seite rockt die Band wieder, die Bläser dürfen endlich in ihre Hörner stoßen (und nicht nur pfeifen), Bass und Gitarre riffen fein vorwärts. Auch hier ist der Text etwas fremdartig. Was wird da vom Todesplaneten Morta gesungen? „Du verstehst uns nicht“, gibt man dem Zuhörer zu verstehen. Es riecht seltsam. Aber die Musik ist wie immer gut.

Ist da etwa eine neues Album unterwegs?
Würde mich freuen.

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It’s More Fun In 3D

Oktober 18, 2011

Kraftwerk
3D Video-Installation
Kunstbau Lenbachhaus München
15. 10 – 13.11.2011

Schöner Zufall, dass ich letztes Wochenende in München war. Denn seit dem Samstag nach ihren drei Konzerten in der Alten Kongresshalle sind die – live wohl ebenfalls verwendeten – Animationen von Kraftwerk im Kunstbau des Lenbachhauses zu sehen. Die Musikvideos werden an die Längsseite der in einer U-Bahn-Station befindlichen Ausstellungshalle projeziert – in 3D. Am Eingang wird jedem Besucher eine entsprechende Brille augehändigt. Allerdings ist hier kein 3D-Hollywood-Kino-Schnickschnack zu sehen, sondern geschmackvoll designte, eher graphisch oder gar typographisch orientierte Animationen. Da wird zu „Autobahn“ das damalige Gemälde animiert und dreidimensional aufgearbeitet. Die karge Landschaft schaut zwar anfangs etwas nach Teletubbies aus, aber später fragte ich mich allerdings ob da hinter Leverkusen nicht Düsseldorf in Sichtweite kommt. Die ziemlich leeren Autobahnen und die knuffigen Automobile lassen nostalgische Gefühle aufkommen.

Geschätze eineinhalb Stunden kann man hier mit Techno-Synthie-Pop-Klassikern wie „Radioaktivität“, „Menschmaschine“, „Heimcomputer“, „Musik Non Stop“ oder auch „Vitamin“ etc. verbringen. Dreimal springen einem fast Nummern, Noten oder Blasen direkt ins Gesicht. Besonders gut kommt der 3D-Effekt in virtuellen geometrischen Räumen. Allerdings zeigt sich manchmal auch, dass Kraftwerk keine Vorreiter in Sachen 3D-Technik sind, sondern diesen Trend wiedermal dazu nutzen, ihr Reperoire bzw. dessen Präsentation an die Jetztzeit anzupassen. Seit ca. 20 Jahren machen sie nichts anderes. Dass sie nun endlich im Museum angekommen sind, kann man ihnen somit nicht nachsagen – denn ihre eigene Musealisierung betreibt Kraftwerk ja eigentlich seit sie ihr Material digitalisierten und somit ihr alt-bewährtes Repertoire technisch aktualisiert haben. Dies passiert hier ähnlich auf visueller Ebene.

Neben den eigentlichen Projektionen kann man auch noch die vier Kraftwerkler als Roboter-Puppen in schwarzen Schreinen begutachten. Auch diese bewegen sich von Zeit zu Zeit.

Der Eintritt kostet übrigens nur 5 Euro.
Meine Empfehlung: Ansehen!

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Breyer P-Orridge

Oktober 3, 2011

Programm-Hinweis:

The Ballad of Genesis and Lady Jaye
(Dokumentarfilm von Marie Losier, 2011)

22. Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg /
Hamburg International Queer Film Festival
Donnerstag, 20. Oktober 2011, 22:45 Uhr

Weitere, aktuelle Screenings:
ab 29.03.2012 (bis 04.04.2012?), Werkstattkino, München
10.04.2012, 20 Uhr im B-Movie / Dokumentarfilmsalon, Hamburg
12.05.2012, 17 Uhr im B-Movie / Unerhört! Musikfilmfestival, Hamburg

Während der kommenden Lesbisch Schwulen Filmtage in Hamburg wird ein Film gezeigt, der auch für Musikfreunde bzw. Fans von Industrial Music, Throbbing Gristle und Psychic TV interessant sein dürfte.

In „The Ballad of Genesis and Lady Jaye“ wird gezeigt, wie sich das Paar Genesis und Lady Jaye Breyer P-Orridge aneinander körperlich angleichen. Statt Kinder in die Welt zu setzen tranformieren sich die beiden aus lauter Liebe mittels kosmetischer Operationen in ein neues, pandrogynes Wesen. Da wird also nicht nur der Nachname aneinander angepasst sondern auch die Nasen zurecht gemacht, Brustimplantate eingebaut etc. – und das alles als Kunstaktion deklariert. Keine Ahnung, was das soll, aber dieser Film wird es wohl erklären.

Vermutlich wird es auch viel Musik aus dem Hause Genesis P-Orridge geben. Man darf gespannt sein.

Trailer:

Mehr zum Film:
balladofgenesisandladyjaye.com

Mehr zum Festival:
lsf-hamburg.de

Mehr zu Pandrogeny:
genesisbreyerporridge.com/pandrogyne
Pandrogeny Manifesto:
Part 1
Part 2
Part 3