
Der 3.6.1986 – Welch ein historisches Datum für diese Zeitung. Unser erstes Interview. Mehrmals hatten wir telefonisch erfolglos versucht, den Interviewtermin und -Ort der Go Betweens in Erfahrung zu bringen, so daß wir uns um 18.00 Uhr nach viel Stress im verregneten Köln am Luxor einfanden, ohne etwas in der Hand zu haben. Aus dem Luxor hörten wir auch jemand ein Schlagzeug ausprobieren. Soundcheck. Sollten wir einfach anklopfen und sagen: „Hallo, wir sind von METRO-NOM, dürfen wir die Go Betweens interviewen?“ So standen wir da und diskutierten im Regen, ob es weise sei, jetzt einfach hereinzuplatzen. Nach 10 Minuten (wir waren uns immer noch nicht einig) öffnete sich die Tür, und wir gingen hinein. Dort trafen wir dann den Tour-Manager, der uns alles erklärte und („was, ihr seid von Metro-nom. Kenn ich garnicht“) uns auf die Gästeliste schrieb.
Die Vorstellung begann mit einem 20-minütigen Tanz-Theater-Projekt „Faces in the Crowd“. Es war interessant anzusehen, eine Mischung aus ägyptischen, orientalischen Bauchtänzen und Disco, wobei sich Breakdance-Einflüsse nicht leugnen ließen.
Danach betraten die Go Betweens mit einiger Verspätung die Bühne, dieses Jahr zu fünft, man hatte die 20-jährige Amanda Brown (Geige und Orgel) mit auf Tour genommen. Was nun folgte, war das, was sich jeder unter einem guten Konzert vorstellt.
A.
Schöne, manchmal etwas spröde Songs. Die schönsten Songs der Band stammen aus der Feder von Grant. Seine beiden Stücke („Bachelor Kisses“, „The wrong road“) sind wirklich große, melancholische Lieder. In ihrem Bannkreis denkt man unwillkürlich an die erste große Liebe, das erste verschwiegene Treffen und an die lange, schreckliche Zeit der Trennung. Für diese beiden Songs alleine haben die Go Betweens schon einen Platz auf dem Pop-Olymp verdient. Grant brachte diese Songs (die den Besuch eines Go Betweens Konzerts rechtfertigen) live rauher und ungeschliffener. Doch ihren Zauber spürte man ganz deutlich.
B.
Charisma. Der zweite Kopf der Band, Robert, schreibt schöne Songs („Bad Company“) aber keine genialen. Dafür besitzt er, der so aussieht, wie ein australischer David Byrne (längeres Haar) andere Qualiäten. Robert verfügt über ein reichhaltiges Repertoire an publikumswirksamer Gestik. Er reckt seine Arme beschwörend gegen die (ca. 3 m) hohe Hallendecke als sei in diesem Mikrokosmos die Antwort auf die große Frage nach der menschlichen Existenz greifbar. Auch als „Herbert von Karajan“, das Geigenspiel der zwanzigjährigen Gastmusikerin dirigierend, macht er eine gute Figur. Robert, der visuelle Anziehungspunkt der Gruppe, wirkt wie ein intellektueller Westentaschen-Sinatra (hieß doch die zweite LP der Go-Betweens bezeichnenderweise „Before Hollywood“). Seinen wahrlich größten Moment hatte dieses große Kind (dies bitte ich als Kompliment zu verstehen) als er sein Publikum an der Klangwelt von Tambourin und Gitarre teilhaben lassen wollte. Obwohl wir uns (das Publikum) bemühten, konnten wir ihm nicht ganz folgen. Trotzdem wirkte diese Geste nicht lächerlich, sondern schlichtweg ergreifend.
C.
Frauen. Man kann einwenden, Madonna sei hübscher als die beiden Frauen, die man auf der Bühne sah. Die beiden (Schlagzeugerin Lindy und Gastmusikerin) sahen aus wie weibliche Mitglieder in einer nicht nur Pop Band nun mal aussehen; nämlich eher unauffällig. Jedoch wirkten sie sympathisch, auch wenn man zehn Meter von der Bühne entfernt stand. Böse Zungen behaupten zwar, ich finde Lindy nur so sympathisch, weil sie mich im Laufe des Interviews dreimal anlächelte und mir mit der neuesten Ausgabe eines Kölner Magazins auf den Rücken klopfte. Aber das ist unwahr! Wahr ist vielmehr, daß sie mich während des Interviews mindestens fünfmal anlächelte und mir die neueste Ausgabe des Magazins auf den Hintern schlug.
D.
Entertainment. Auch das wurde uns geboten. Ob Grant nun wie ein Blinder über die Bühne tapste, um deutlich zu machen, daß ihn der Scheinwerfer blendete oder ob Robert Grants Satz „I’m a lonly one“ („The wrong road)“ mit Grimassen quittierte. Unterhaltung war angesagt. Besondere Leistung zeigte auch der ansonsten sehr stille Bassist. Fernab von jeder Allüre benutzte er seine Zunge ausschließlich dazu, sie gegen die Backe zu pressen. Dies hatte zur Folge, daß innerhalb des Publikums Wetten darüber abgeschlossen wurden, wie lange dieser arme, von Zahnschmerzen geplagte Mann noch auf der Büne stehen würde. Das war jedoch ein Irrtum. Wie wir erfuhren, ist der Bassist berühmt für seinen Zungentick.
E.
Langeweile. Wie bei fast allen schönen Dingen im Leben (denkt nur an Eure erste Klassenfahrt) stellte sich ab und an eine gediegene Langeweile ein. Man hatte Schwierigkeiten mit dem Sound (ein Gesangsmikro fiel teilweise aus) und die meisten Songs der Band sind wie gesagt gut aber nicht genial. Trotz dieser Längen war es ein gutes Konzert.
Epilog
Die Go-Betweens sind sympathische Leute, man wird sie mögen aber nicht lieben (ob live oder auf der Platte).
Nach dem Konzert sollte nun also das Interview stattfinden. Man wartete artig vor der Tür auf der Bühne, bis die Damen und Herren von einem mysteriösen Radiosender fertig wurden. Dann ging es hinein in einen winzigen überfüllten Raum, in dem extrem Partystimmung herrschte. Stimmengewirr, wo man sein Mikrofon nur hinstellte. Am besten war Drummerin Lindy Morrison gelaunt. Sie kreischte von einer Dinnerparty, zu der sie nicht eingeladen war und in die sie noch den Drummer der Sting-Rays mitgenommen hatte „Fantastic!“. Es muß sehr lustig gewesen sein. Zuerst diskutierten wir, mit wem wir nun sprechen sollten. Es war alles sehr aufregend! Gekreisch dort, Alkohol in der Ecke, berühmte Gesichter hier. Also schnappten wir uns Grant McLennan und wimmelten alle Leute ab, die ihn belagerten. „Hi, we are from METRO-NOM. Are you ready for an interview?“

METRO-NOM: Kannst du uns einige wichtige Ereignisse in deinem Leben nennen, die dich zu dem gemacht haben, was du heute bist, und was hast du vor der Gründung der Go Betweens gemacht?
GRANT: Also, bei dem wichtigsten Ereignis war ich nicht dabei, wenn meine Eltern nicht gewesen wären, säße ich jetzt wohl nicht hier, das muß ich betonen. Aber ich glaube, es fing an nachdem Robert und ich mit dem Studium fertig waren. Ich wußte nicht, was ich machen sollte. Ich dachte, ich bekäme keinen Job darum fing ich an, mit Robert zu spielen. Ja, und das war der Beginn der Band Ende 1977. Ist ’ne lange Zeit her, was?
METRO-NOM: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Eurem Namen „Go Betweens“ und Eurer Musik?
GRANT: Es gibt keine spezielle Bedeutung, aber ich glaube, als wir anfingen befanden wir uns zwischen zwei Arten von Musik. Wir lieben Patti Smith und ihre poetische Musik und genauso die Monkees, die Beatles, vor alle, gute Pop-Musik wie Prince und Madonna.
METRO-NOM: Hat Patti Smith Euch irgendwie musikalisch beeinflußt?
GRANT: Nein, das hat sie nicht getan. Ich kann Euch eine lustige Geschichte über sie erzählen. Wir schickten ihr unsere erste Single, genauer gesagt zu Lenny Kaye, ihrem Gitarristen. Dann, auf einer ihrer Platten war ein sehr sehr gutes Stück, und es war genau der Song, den wir ihnen geschickt hatten. Wir dachten daran juristisch gegen sie vorzugehen, aber die Version des Songs war so gut, daß Lenny Kaye uns sogar zurückschrieb und uns bat, noch einen anderen Song zu schicken. Er hatte echt Sinn für Humor.
METRO-NOM: Wie schreibt ihr eure Musik?
GRANT: Immer mit Gitarre. Ich schreibe immer zuerst die Melodien und dann die Texte.
METRO-NOM: Warum habt ihr einen Song „Les Immer Essen“ gewidmet, und wie findet Ihr deren Musik?
GRANT: Weil sie sehr gute Freunde von uns sind. Vor zwei Jahren lernten wir sie auf einer Tour kennen und seitdem verstehen wir uns recht gut mit ihnen. Ich hoffte, sie würden heute abend kommen, und sie kamen. Als sie mit uns spielten, brachten sie eine tolle Version von „Life’s a Gas“ von Marc Bolan + T. Rex (er singt: „Life’s a gas“). Sie sind einfach nett, und es ist nicht wichtig, ob ich ihre Musik mag.
METRO-NOM: Wie stellst du dir deine musikalische Zukunft vor?
GRANT: Ich werde bei den Go Betweens bleiben, und die Band wird bestehen bleiben solange wir „lebendige“ Musik machen, die unserer Band neue Impulse gibt.
METRO-NOM: Habt ihr niemals daran gedacht, zu einer größeren Plattenfirma zu gehen.
GRANT: Waren wir ja eine Zeit lang. Unser drittes Album „Spring Hill Fair“, das mit dem roten Cover, das nahmen wir für Warner Brothers auf. Dasselbe Label, bei dem Madonna war. Also, das ist ein ziemlich großes Label, aber leider waren sie von unserer Platte nicht sehr beeindruckt, so daß sie in darauffolgenden Jahr vergaßen, uns zu bitten, noch eine zu machen.
METRO-NOM: Kannst du etwas über die Szene in Australien berichten?
GRANT: Mich dürft ihr das nicht fragen, weil wir seit etwa 4 Jahren in London wohnen. Wir fahren nur ein- oder zweimal im Jahr nach Australien. Es bestand immer schon ein Unterschied zwischen Melbourne und Sidney. Die Bands aus Sidney sind mehr von „Detroit-Sound“ beeinflußt wie die MC 5, wogegen der „Melbourne-Sound“ mehr gekünstelt Englisch ist wie Captain Beefheart, z.B. Birthday Party hätte niemals aus einer anderen Stadt als Melbourne im Australien kommen können. Genauso können „Died Pretty“ und „Hoodoo Gurus“ nur von Sydney kommen.
METRO-NOM: Warst du zufrieden mit dem Konzert heute abend?
GRANT: Ja, hat Spaß gemacht.
METRO-NOM: Aber ich glaube Robert hatte Probleme mit den Mikro?
GRANT: Ach, er hat mal wieder posiert, er spielt so gerne damit wie ein Showman. Wie Frank Sinatra in den Vierzigern.
METRO-NOM: Spielt Amanda auch auf der Platte Violine?
GRANT: Nun, wir trafen Amanda Anfang des Jahres auf einer Tournee und fragten sie, ob sie nicht bei uns mitspielen wolle. Dann flog sie mit uns nach England und spielte mit uns in Schottland, Irland, Italien, Belgien, Schweiz, Norwegen, Frankreich, Holland und im Luxor.
METRO-NOM: Wie findest du Nick Cave?
GRANT: Toller Mensch, ein persönlicher Fremd von mir. Wir stehen uns sehr nahe und kennen uns schon seit Jahren.
METRO-NOM: Magst du seine Musik?
GRANT: Ja, ich glaube nicht, daß alles, was er gemacht hat, so toll ist, aber er schreibt gute Texte. Manchmal wünsche ich mir, daß er eine gute Melodie bringen würde. Aber er hat ja gerade eine neue Platte aufgenommen, die noch nicht veröffentlicht wurde. Es wird eine Platte mit Cover Songs und sie wird wohl ganz gut werden.
METRO-NOM: Könntest du dir vorstellen, mit ihm zusammenzuarbeiten?
GRANT: Haben wir schon. 1981 machten wir eine Single mit ihm. Sie hieß „After the fireworks“. Robert und ich schrieben den Song, Nick sang, Lindy spielte Schlagzeug, Nick Harvey spielte Klavier, Roland Howard spielte Gitarre. Mir nannten uns Tuff Monks. Nick ist augenblicklich in Berlin und schreibt sein Buch zu Ende, einen Roman.
METRO-NOM: Warum, glaubst du, habt ihr nicht so viel Erfolg wie Prince oder Madonna?
GRANT: Wir verdienen ihn natürlich. Ich glaube, wir sehen ganz einfach nicht so gut aus wie Prince.
METRO-NOM: Aber Prince ist doch sehr häßlich.
GRANT: Wirklich? Ich finde ihn großartig. Er schreibt tolle Popsongs. Das kannst du als Mann gar nicht beurteilen.
METRO-NOM: Du bist ja auch ein Mann!
GRANT: Nein, bin ich nicht, die Hälfte von mir ist eine Frau.
METRO-NOM: Gibt es eine Art Konkurrenz zwischen dir und Robert?
GRANT: Nein, überhaupt nicht. Robert und ich gründeten die Band. Als wir anfingen, konnte ich überhaupt keine Gitarre spielen. Jetzt bin ich genial, und er geht so. Also gibt es keine Konkurrenz. Die Songs, die er schreibt, singt er auch, die Songs, die ich schreibe, singe ich. Darum ist die Band auch so gut, wir haben zwei Songwriter.

Zu diesem Zeitpunkt wurde das Stimmengewirr immer lauter. Gelächter von nebenan und dann kommt es:
LINDY (schrill): Grahaant, in einem deutschen Magazin steht, daß die Liebe deines Lebens in Adelaide ist, und daß das der Grund dafür war, daß du in Adelaide so toll warst. Hahahahaharghghgh. Woher das wohl stammt?
GRANT: From your fucking mouth!
LINDY: Ahahahaha!
GRANT: From your bloody mouth!
LINDY: Hahahahaharhgrgh!
GRANT (auf deutsch): Scheiße, Scheiße, Scheiße.
Jemand: Ist das wahr?
GRANT: Nein, natürlich nicht.
LINDY: Haahaahaahahaha.
GRANT: Sie ist großartig, sie hat ein großes Maul, aber sie ist lieb. Zu Lindy: Du bist wieder umwerfend.
Danach wurde alles chaotischer. Lindy verbreitete noch ein paar Gerüchte und wir verabschiedeten uns.
Mehmet Yalcin / Thomas Stephan
Diese Texte stammen ebenso wie dieses Die Tödliche Doris-Interview aus dem Kölner Fanzine METRO-NOM, Ausgabe Nr. 1, August/September 1986.
Digitalisiert und sparsam editiert von Guido Zimmermann.
Hier diese vier Seiten im Original-Layout als PDF:
Metronom_Nr1_1986_Go-Betweens_Interview