Archive for November 2013

Schwenken / Fächern

November 30, 2013

KimMueller

Christine Sun Kim / Wolfgang Müller –
Ranging From Panning To Fanning

(2 x 7″, Squoodge Records, SR 17.99, 2013)

Dieses kleine Kunstwerk kommt in einem besiebdruckten Versandkarton daher, der zwei 7″-Singles und eine Gebrauchsanweisung im englischer Sprache enthält. Um diese beiden einseitig bespielten EPs abspielen zu können, benötigt man eigentlich zwei  Plattenspieler, deren Lautsprecher dann jeweils dem rechten oder linken Ohr zugeordnet werden sollen. Nachdem man die Lautstärke entsprechend der Handlungsanweisung eingestellt hat, können beide Platten gleichzeitig gestartet werden. Die eine läuft durch, während die zweite aus einem Dutzend Endlosrillen besteht. Sobald man das Ende eines Loops erkennt, darf man die Nadel in den nächten hebeln. So ergibt sich bei jedem Abspielen eine neue Variante.

Leider habe ich keine zwei Schallplattenspieler zu Hause herumstehen. So habe ich einfach mal versucht mit einer kostenfrei verfügbaren Software eine leider digitale Aufnahme dieser eigentlich parallel laufenden Klangereignisse aufzunehmen. Das steht so zwar nicht in der Instruktion, aber irgendwie muss man sich ja helfen.

Zu hören sind auf beiden „Kanälen“ verschiedene abstrakte Lautäußerungen aus der Kehle der gehörlosen Klangkünstlerin Christine Sun Kim, aber auch so etwas wie leises Schnipsen oder Schleifen. Die Loops scheinen aus einzelnen Passagen der durchlaufenden Sequenz entnommen zu sein. Denn wenn der Zufall es will, ergänzen sich zwei gleich klingende Passagen zu einem rhythmischen Zusammenspiel.
Das klingst dann ungefähr so:
Christine Sun Kim & Wolfgang Müller – Panning / Fanning (monarch rmx)

Das Konzept erinnert an die „5. unsichtbare LP“ der Künstlergruppe Die Tödliche Doris (1980 – 1987), die von Wolfgang Müller mitgegründet wurde: diese entsteht durch das parallele abspielen der beiden zusammen aufgenommenen aber getrennt veröffentlichten Alben „Unser Debut“ und „Sechs“. Nur daß das damals keiner gemerkt hat, erst als die „5. unsichtbare LP“ mit erklärenden Postern promotet wurde, war die Idee zu erkennen.

ChristineSunKim

Ende letzten Jahres wurde übrigens der Wollita-Kulturpreis von Martin Schmitz, Françoise Cactus und Wolfgang Müller an die New Yorker Künstlerin Christine Kim Sun verliehen. Ungefähr zur gleichen Zeit fand im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Berlin, die Ausstellung „Gebärde Zeichen Kunst – Gehörlose Kultur / Hörende Kultur“ statt, in der sowohl diese Doppel-7″ erstmals präsentiert wurde (obwohl sie erst im darauf folgenden Jahr 2013 veröffentlicht wurde). Während der Ausstellungseröffnung war eine Performance der New Yorker Künstlerin live zu erleben, deren filmische Dokumentation in den darauf folgenden Tagen dort zu sehen war. Mittels Computer und während der Performance zusammen mit dem Publikum gespannten Drähten wurde der Raum zum klingen gebracht – für Hörende und Gehörlose.

Abschließend noch eine Anmerkung von Christine Sun Kim zu „Panning / Fanning“, nachzulesen auf dem Beipackzettel dieser Doppel-7″:
Both fanning and panning have a very similar hand motion in american sign language, I often associate blown air with high bass, and the forte symbol on the cover art presents itself as three different kind of „loundess“.

GZ,
11/2013

5 vor 12

November 25, 2013

Milchbar

Gesehen in der Milchbar, Block D des Funkhaus Berlin (ehemaliger zentraler Sitz des Rundfunks der DDR), Nalepastraße, 12459 Berlin-Oberschöneweide, Germany, 24.11.2013.

Shadowplay

November 25, 2013

Shdowplay

Hans Castrup – Shadowplay
(CD / DL, Karlrecords, Paracusis Series, KR012, 2013)

Den Osnabrücker Bildenden Künstler Hans Castrup kennen Musikfreunde seit den frühesten 1980er Jahren als Mitglied der Poison Dwarfs, die 1981 ihre erste CompactCassette (MC) – immerhin 10 Minuten lang – und 2012 ihre CompactDisc (CD) „Labil“ veröffentlichten (in unterschiedlichen Besetzungen). „Shadowplay“ dürfte vermutlich Castrups vierte Solo-Veröffentlichung sein.

Auf diesem Album sind ein Dutzend kurzer elektronischer Stücke versammelt, die sich irgendwo zwischen Ambient, Klanggemälden, zeitgenössischer sogenannter Neuer Musik und für mich nicht als solche kenntlichen Feldaufnahmen bewegen. Auch wenn manchmal Sounds von Orchester-Instrumenten zu hören sind, möchte ich nicht von „neo classical“ sprechen, ein Begriff, der mir gleichsam absurd wie paradox  erscheint.

Sorgsam schichtet Castrup die fast statischen, aber sich dennoch stetig veränderden Spuren und Klänge übereinander und erzeugt dadurch Atmosphären, die auf mich spätnächtlich oder fast schon außerirdisch wirken. Man scheint im Dunkeln unterwegs zu sein – ohne daß es düster oder gar depressiv wird.

Das Stück „Oxymoron“ fällt dabei aus dem Rahmen – hier wird am wenigsten „geschichtet“ und es  erklingt eine unverfremdete Stimme sowie luftige Klaviertupfer – eine radiophone Miniatur, die auf Castrups Erfahrung als Hörspielmacher verweist.

Kopfhörermusik.

Dennoch hat der Künstler zu allen Stücken Videos geschaffen, die auf dem labeleigenen Youtube-Kanal abgerufen werden können.

Auf Bandcamp kann man diese Musik käuflich erwerben:
karlrecords.bandcamp.com 

Hier die Verknüpfungen zu den einzelnen Videos:

from here to…

prophecy i/o

oxymoron

departed

turbulence

roundabout

untitled

piece of a fragment

prospective

uncertain memory

a quiet place

caged

Ernst macht ernst

November 24, 2013

aalglattueberleichen

Christian Keßler – Aalglatt über Leichen
(Martin Schmitz Verlag, 270 Seiten, ISBN 978-3-927795-64-8)

Der Kommissar geht um in der Hansestadt Bremen. Leichen pflastern seinen Weg – Ehegattensplitting, ein toter Flamingo und ein abgetrennter Penis unbekannter Herkunft und vieles mehr gehören zu seinem Tagesgeschäft. Kommissar Alexander Ernst, geboren in Bremen, lange im Ruhrpott und jetzt wieder in seiner nordischen Heimat tätig, ist Vollblutpolizist, immer im Einsatz, teilt manchmal mit den Fäusten aus, hat eine Abneigung gegen Schmuddelkram, wohnt zusammen mit Fisch und Katz‘ und manchmal ist er auch ein hoffnungsloser Romantiker.

Der Haupt-Fall in diesem Roman – der Mord an einem Friseur – scheint anfangs keine große Sache zu sein. Durchaus originell die Tatwaffe: ein Aal. Im Lauf seiner kriminalistischen Arbeit ermittelt Kommissar Ernst nicht nur in scheinbar hochkulturellen, adligen Kreisen, sondern auch im Untergrund der Pornoindustrie. Autor Christian Keßler kennt sich mit solchen Filmen aus, schließlich hat er bereits das Machwerk „Die läufige Leinwand“ verfaßt (ebenfalls im renommierten Martin Schmitz Verlag erschienen). Und er scheut nicht von der Unverschämtheit zurück, sich selbst einen Cameo-Auftritt à la Hitchcock in diesem seinen ersten Kriminalroman zu verschaffen – als kesslerallender äh kellerasselnder Film-Nerd. Sehr lustig.

Leider wird der echte Mörder trotz Ernst nicht überführt. Nur der Leser weiß dank einer kleinen, harmlosen Rahmengeschichte, wer der Mörder mit dem Aal war. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten, ich möchte ja nicht die Lektüre an diesem empfehlenswerten Buch vermiesen.

Auf die Fortsetzung dieses Regional-Krimis bin ich gespannt. Der zweite Teil soll schon in Arbeit sein, ein dritter wird vermutlich folgen. Nur her damit!

Das Buch kann man sich durchaus gerne direkt beim Verlag bestellen:
www.martin-schmitz-verlag.de

Annas Laden

November 22, 2013

seance

Vor zwei, drei Wochen bin ich das erste Mal an diesem neu gestalteten Schaufenster eines leerstehenden Ladenlokals vorbei gekommen (irgendwann gab es hier mal ein Gemüsegeschäft). Auf der Fensterscheibe wurden handgemalte Lettern aufgeklebt: „Serafinas spiritistischer Salon“ heißt es da. Die im Raum verteilten Möbel und Gegenstände wirken wie aus dem beginnenden letzten Jahrhundert. Auf einem ovalen Tisch wurden Handschuhe drapiert. Ich assoziiere eine Séance. Im anderen Fenster sind auf einem Tischchen Glasschalen mit abgeschnittenen Haaren platziert worden. In der Tür ist auf Zetteln mit altmodischer Handschrift zu lesen:

Serafinas spiritistischer Salon
Ausstellung von Anna Peschke
Performance mit Gastkünstlern 3.- 7. Dezember

Desweiteren:

Sind Spiritismus und Okkultismus wirksame Methoden, um gegen die transzendentale Obdachlosigkeit anzukämpfen oder nur eine „Metaphysik der dummen Kerle“ (Th. Adorno) ?

Keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hat, aber es schaut interessant aus.

Ergänzung:

Bis zum 7. Dezember 2013 wird der Salon täglich zwischen 15 und 18 Uhr geöffnet. Die anwesende Künstlerin macht auch gerne Aurafotos von und für die einzelnen Besucher.

Die Performances mit Gastkünstlern finden vom 4. bis 7. Dezember 2013 jeweils um 20 Uhr statt.

(Gesehen in der Greifswalder Straße 36, 10405 Berlin, Germany)

serafina

GZ,
22.11.2013,
ergänzt am 30.11.2013

Humor 001

November 17, 2013

MM012

Max Müller – Alt Und Schwul
(Tape, C30, Mauerstadtmusik, MM012, 2013)

MM wie Mauerstadtmusik, MM wie Max Müller. Bei diesem Tape handelt es sich um eine Wiederveröffentlichung von Material, das im Jahr 1987 in einer Kreuzberger Wohnung mit einfachen Mitteln aufgenommen und als Kassette unter Freunde gebracht wurde. Thomas Pargmann, der Mauerstadtmusik-Macher (MMM), hat sich sogar die Mühe gemacht, mit den alten Bändern in ein Studio zu gehen und dieses Tape neu zu mastern. Dabei kam eine mehr als ordentliche Klangqualität heraus.

Ja, das ist wirklich eine Wiederveröffentlichung einer Musikkassette als Musikkassette, kein Vinylsammlerspekulationsobjekt (mit dem Motto „first time on vinyl“) und einen Downloadcode hierfür gibt es auch nicht. Die Musik wird in der Tonträgerform neu präsentiert, in der sie zuerst veröffentlicht wurde. Aber wer hat den heutzutage noch ein Cassettenabspielgerät zu Hause, höre ich so manchen fragen. Garnicht mal so wenige, vermute ich. Vintage Audio ist doch en vogue. Und nachdem für Vinylfetischisten ein Record Store Day ausgerufen wurde, fand in diesem Jahr erstmals ein Cassette Store Day statt, allerdings mit null teilnehmenden Läden in Germany. Davon abgesehen: wer kein Tapedeck in seinem Haushalt beherbergt, ist meines Erachtens sowieso zu bemitleiden. Aber kommen wir zurück auf dieses Tape mit der schönen Bestellnummer MM 012.

Zu hören sind hier 12 Miniaturen, vermutlich mit Hilfe eines Vierspurtapedecks entstanden sowie Instrumenten wie Rhythmusmaschine, Keyboards, Effektgeräte, Gitarre und natürlich Max Müllers Stimme, die man auch von der Band Mutter kennt. Die Aufnahmen klingen rauh und ungehobelt, Störgeräusche wie das Klacken der Aufnahmetaste sind Bestandteil der Stücke. Es schrammelt und scheppert. Wer die Single „Wir steh’n hier jeden Tag“ / „Sie ist aus Holland“ (1989 erschienen auf Die Tödliche Doris Schallplatten) kennt, kann sich ungefähr eine Vorstellung machen, wie das hier klingt.  Zwei Titel haben es auch schon auf die Compilation-CD „Max Müller“ (1995 erschienen auf Die Eigene Gesellschaft) geschafft, u.a. „Zweiter Weihnachtsfeiertag“, eines der besten (Nicht-) Weihnachtslieder ever.

Einige Songs sind Portraits von Menschen mit Tendenz zum Scheitern, sogar in einem Instrumental geht es um ein Scheusal. „Ein seltsamer Tag“, ebenfalls instrumental,  klingt als hätte Der Plan den Soundtrack für einen Endzeitfilm auf Demo-Tape skizziert, strange und skurril.

Auf dem ursprünglichen – und auf dem Cover dieser CompactCassette abgebildeten – Mastertape wurde handschriftlich die imaginäre Bestellnummer „Humor 001“ aufgebracht, was in der Tat von einem speziellen Humor zeugt, auch wenn dieses Tape das Gegenteil einer Witzkassette darstellt.

Für mich eine der interessantesten und besten Wiederveröffentlichungen des sich zu Ende neigenden Jahres 2013.

GZ

Novemberbild

November 17, 2013

Fensterblick

Blick aus dem Fenster, 15.11.2013

Mundsburg

November 10, 2013

Mundsburg

Gesehen im U-Bahnhof Mundsburg, 22087 Hamburg, Germany,
am 22.09.2006.

Sushibandanlage

November 4, 2013

Running Sushi

Running Sushi, gesehen in der Pfleichertorstraße 30, 97070 Würzburg, Germany, 02.11.2013