Christine Sun Kim / Wolfgang Müller –
Ranging From Panning To Fanning
(2 x 7″, Squoodge Records, SR 17.99, 2013)
Dieses kleine Kunstwerk kommt in einem besiebdruckten Versandkarton daher, der zwei 7″-Singles und eine Gebrauchsanweisung im englischer Sprache enthält. Um diese beiden einseitig bespielten EPs abspielen zu können, benötigt man eigentlich zwei Plattenspieler, deren Lautsprecher dann jeweils dem rechten oder linken Ohr zugeordnet werden sollen. Nachdem man die Lautstärke entsprechend der Handlungsanweisung eingestellt hat, können beide Platten gleichzeitig gestartet werden. Die eine läuft durch, während die zweite aus einem Dutzend Endlosrillen besteht. Sobald man das Ende eines Loops erkennt, darf man die Nadel in den nächten hebeln. So ergibt sich bei jedem Abspielen eine neue Variante.
Leider habe ich keine zwei Schallplattenspieler zu Hause herumstehen. So habe ich einfach mal versucht mit einer kostenfrei verfügbaren Software eine leider digitale Aufnahme dieser eigentlich parallel laufenden Klangereignisse aufzunehmen. Das steht so zwar nicht in der Instruktion, aber irgendwie muss man sich ja helfen.
Zu hören sind auf beiden „Kanälen“ verschiedene abstrakte Lautäußerungen aus der Kehle der gehörlosen Klangkünstlerin Christine Sun Kim, aber auch so etwas wie leises Schnipsen oder Schleifen. Die Loops scheinen aus einzelnen Passagen der durchlaufenden Sequenz entnommen zu sein. Denn wenn der Zufall es will, ergänzen sich zwei gleich klingende Passagen zu einem rhythmischen Zusammenspiel.
Das klingst dann ungefähr so:
Christine Sun Kim & Wolfgang Müller – Panning / Fanning (monarch rmx)
Das Konzept erinnert an die „5. unsichtbare LP“ der Künstlergruppe Die Tödliche Doris (1980 – 1987), die von Wolfgang Müller mitgegründet wurde: diese entsteht durch das parallele abspielen der beiden zusammen aufgenommenen aber getrennt veröffentlichten Alben „Unser Debut“ und „Sechs“. Nur daß das damals keiner gemerkt hat, erst als die „5. unsichtbare LP“ mit erklärenden Postern promotet wurde, war die Idee zu erkennen.
Ende letzten Jahres wurde übrigens der Wollita-Kulturpreis von Martin Schmitz, Françoise Cactus und Wolfgang Müller an die New Yorker Künstlerin Christine Kim Sun verliehen. Ungefähr zur gleichen Zeit fand im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Berlin, die Ausstellung „Gebärde Zeichen Kunst – Gehörlose Kultur / Hörende Kultur“ statt, in der sowohl diese Doppel-7″ erstmals präsentiert wurde (obwohl sie erst im darauf folgenden Jahr 2013 veröffentlicht wurde). Während der Ausstellungseröffnung war eine Performance der New Yorker Künstlerin live zu erleben, deren filmische Dokumentation in den darauf folgenden Tagen dort zu sehen war. Mittels Computer und während der Performance zusammen mit dem Publikum gespannten Drähten wurde der Raum zum klingen gebracht – für Hörende und Gehörlose.
Abschließend noch eine Anmerkung von Christine Sun Kim zu „Panning / Fanning“, nachzulesen auf dem Beipackzettel dieser Doppel-7″:
Both fanning and panning have a very similar hand motion in american sign language, I often associate blown air with high bass, and the forte symbol on the cover art presents itself as three different kind of „loundess“.
GZ,
11/2013
Schlagwörter: Berlin, Christine Sun Kim, Die Tödliche Doris, Gehörlose Musik, instructional listening, Klangkunst, Konzeptkunst, New York, sound art, Wolfgang Müller
Dezember 4, 2013 um 13:50 |
Zugehört und mitgebaut: danke für den Mix 🙂
Dezember 17, 2013 um 22:52 |
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