Archive for the ‘Musikbücher’ Category
Februar 28, 2013

Subkultur Westberlin, gesehen auf der Straße in Ostberlin
Wolfgang Müller: Subkultur Westberlin 1979 – 1989
Freizeit
(Fundus Philo Fine Arts, 580 Seiten, ISBN 978-3-86572-671-1)
Wolfgang Müller hat wiedermal ein Buch geschrieben. Diesmal nicht über Elfen und auch kein kunstgeschichtlicher Zukunftsroman, sondern eine kleinformatige aber umfangreiche Hardcover-Ausgabe über Freizeit im Westberlin der 1980er Jahre. Der Titel grenzt das Thema ziemlich exakt ein: „Subkultur Westberlin 1979 – 1989“, was den Hobby-Ornithologen nicht daran hindert, diese zeitliche Eingrenzung in alle Richtungen zu überschreiten. Der Ex-Wolfsburger Müller berichtet über damalige Lokalitäten, Menschen, Künstler, Musiker, Filmemacher und deren Aktionen. Dabei berichtet Wolfgang Müller auch gerne über einen gewissen Wolfgang Müller, wie er z.B. im Risiko zusammen mit vielen anderen Leuten performt. Er kennt all die für die New Wave und Post Punk Bewegung wichtigen Läden und weiss darüber in kurzen Abschnitten zu berichten, allerdings nicht ohne abzuschweifen. Man erfährt immer wieder kurz, was aus diesen oder jenen Personen Jahre später geworden ist. Auch Vorfahren des sogenannten Genialen Dilletantismus werden beleuchtet. Von Oswald Wiener im Exil zu Sarah Wiener ist es nur ein paar Jährchen weit.
Als Noch-Nicht-Ganz-Berliner, der erst seit ein paar Monaten ausgerechnet in Ostberlin lebt, kann ich natürlich nicht beurteilen, wie korrekt und allumfassend der Müller’sche Blick auf das damalige Westberlin ist. Jeder Mensch hat seine eigene Wahrnehmung und Wirkungskreis, so dass so ein Buch nie den Anspruch auf objektive, allumfassende Wahrheit haben kann. Klar, dass hier insbesondere die Dilletanten und auch schwulesbi_schtrans*e Aspekte durchaus im Vordergrund stehen. Das ist Teil des Müller’schen Kosmas. Und dann ist da natürlich noch Die Tödliche Doris, die Band oder besser Künstlergruppe, in welcher der Buchautor damals tätig war. Müller lässt es sich nicht nehmen, in diesem Rahmen ausführlich ÜBER DORIS zu erzählen. Es kommt sogar vor, dass das Wort an Doris direkt übergeben wird. Obwohl es im wunderbaren Martin Schmitz Verlag bereits mehrere empfehlenswerte Bücher über Musik, Kunst und Filme von Die Tödliche Doris gibt, erzählt Müller hier nochmal deren Historie in eigenen Worten und setzt sie in Kontext zur damaligen berlinischen Freizeitkultur. Das ist ein bisschen doriszentrisch, aber durchaus interessant.
Dass es keine eindeutige Wahrheit gibt, zeigt der Missverständnisforscher Müller exemplarisch an Martin Kippenbergers Dialog mit der Jugend. Als Kippi für ein paar Monate das SO36 unter sich hatte, wurde er von Ratten-Jenny mit einem zerbrochenen Glas malträtiert, nachdem er sie aus dem Lokal entfernen wollte. So legt sie es in einen für „Subkultur Westberlin“ geführten Interview dar. Davon abweichend gibt es mindestens zwei weitere Versionen der gleichen Gegebenheit, die diese sogar an andere Orte verlegt. Man weiss also nicht, was man glauben soll. Und war das SO36 nicht gerade für seine fliegenden Bierdosen bekannt? Apropos Dosenbier: dank Doris und Bierfront haben es solche Dosen bis auf die Documeta in Kassel gebracht. Auch so etwas lernt man bei der Lektüre dieses drucktechnischen Erzeugnisses.
Offensichtlich hat Wolfgang Müller mit vielen verschiedenen Leuten über die damalige Zeit gesprochen. Im umfangreichen Anhang tauchen viele Verweise auf Gespräche und elektronischen Schriftverkehr mit dem Autor auf.
Trotz viel Doris erfährt man viel über die damalige, spezielle insuläre Situation der Westberliner. Wer einen objektiven Zeitreiseführer erwartet, wird enttäuscht sein. Wer sich aber auch für Wolfgang, Doris, Geniale Dilletanten und so interessiert und offen für Abschweifungen sowie Querverbindungen ist, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt.
GZ,
27.02.2013
Schlagwörter:1979, 1980, 1981, 1982, 1983, 1984, 1985, 1986, 1987, 1988, 1989, Berlin, Die Tödliche Doris, einstürzende neubauten, Geniale Dilletanten, Martin Schmitz, New Wave, oswald wiener, sarah wiener, Westberlin, Wolfgang Müller
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Oktober 3, 2012

Barbara Mürdter: Woody Guthrie – Die Stimme des anderen Amerika
(Verlag Neues Leben, 2012, ISBN 978-3-355-01801-02)
Fast jeder kennt Woody Guthrie (1912 – 1967) ohne sich dessen bewusst zu sein – oder zumindest sein Lied „This Land Is Your Land“, fast schon eine alternative amerikanische Nationalhymne. In USA kann man dieses Lied in Schulbüchern finden und wenn man eine engagierte Englischlehrerin hatte, konnte man es vielleicht sogar in deutschen Schulen kennenlernen. Oder einfach so. Sogar Sharon Jones & The Dap-Kings haben anno 2004 eine Soul-Version veröffentlicht. Auch bei Barack Obamas Amtseinführung wurde dieser Song von Pete Seeger und Bruce Springsteen in seiner vollen Länge zum besten gegeben (zwei sozialkritische Strophen gerieten lange Zeit in Vergessenheit).
Aber trotzdem wußte ich nicht mehr über diesen Mann. In ihrem Buch „Woody Guthrie – Die Stimme des anderen Amerika“ zeichnet die Anglistin Barbara Mürdter, die auch www.popkontext.de betreibt, das Leben dieser Folk-Legende und Geschichtenerzählers nach. Anfangs spielte er in Oklahoma noch harmlose Hillbilly Music und war von der Carter Family ziemlich begeistert. Er war in mehreren Radio Shows zu hören und wurde erst relativ spät politisiert. Nach langer Odyssee landete Guthrie schließlich Anfang der 1940er Jahre in New York und durfte dort Platten aufnehmen und wiederum Radiosendungen machen. In dieser Stadt traf er dann auch auf Bewunderer wie beispielsweise Bob Dylan.
In dieser Biographie erfährt man auch so einiges über amerikanische Geschichte. Denn viele persönlichen Entwicklungen werden von politischen und anderen historischen Gegebenheiten beeinflusst. So provozierten menschgemachte Naturkatastrophen wie die „Dust Bowl“ Migrationsbewegungen. Auch Guthrie ist on the road und wird Zeuge des Elends. Anderes Beispiel: Auftrittsmöglichkeiten für kritische Musiker bei Gewerkschafts-Veranstaltungen werden Zunichte gemacht, als die ganze USA dem Kommunismus abschwören muss.
Ein paar Legenden rückt Mürdter zurecht: der illegal auf Güterzügen reisende Hobo war Woody Guthrie dann doch nicht so ganz. Er stammte aus einer eher bürgerlichen Familie, die sich allerdings auf dem absteigenden Ast befand. Und Autostopp war wohl auch ganz okay.
Näheres kann man in dem empfehlenswerten Buch von Barbara Mürdter nachlesen.
Und jetzt muss ich noch etwas Musik von Woody Guthrie nachhören.
Am 14. Juli 2012 wäre er 100 Jahre alt geworden.
Heute vor 45 Jahren, am 3. Oktober 1967 starb Woody Guthrie an Chorea Huntington.
GZ,
02./03.10.2012
Schlagwörter:Barbara Mürdter, Folk, Liedermacher, Lomax, pete seeger, singer-songwriter, USA, Woody Guthrie
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Juni 16, 2012

Günter Sahler – Lass und über Musikkontexte reden
(Taschenbuch, Edition Blechluft 6, 2012)
Hier wird keine heiße Luft verbreitet und kein Blech geredet. Hier geht es um die neuere Historie deutscher experimenteller Musik, deren Urheber, den verwendeten elektronischen Mitteln (vom Theremin bis Laptop-Software) und Speichermedien (von Noten über CompactCassetten – die ja auch den Umschlag dieses Buchs zieren – bis hin zur mp3-Datei und der Cloud).
In Interviews erzählen Musiker wie Asmus Tietchens, Hans Castrup (von den Poison Dwarfs, einer Cassetten-Band der frühen 1980er Jahre, die anno 2012 ein neues Album veröffentlicht hat), Ulli Putsch (S.Y.P.H.), Markus Detmer (Staubgold-Label-Macher und Musiker bei Klangwart), Tom Scheutzlich (Mutter) oder Torstn Kauke (Superstolk) und andere, wie ihre Musik entsteht bzw. entstand. Diese Gespräche sind nicht säuberlich in einzelne Kapitel unterteilt sondern werden mit Zitaten anderer Künstler oder technischen Texten collagiert. Da treffen Erlebnisberichte auf Technikgeschichte, Hardware auf Software, Stockhausen auf Punk Rock. Und auch Damo Suzuki schaut auf einen Sprung vorbei. Es werden die Nischen der deutschen Popkultur ausgeleuchtet – erfreulicherweise auch in der vermeintlich düsteren Provinz. Für diesen Verdienst sollte man dem Editor Günter Sahler eine Ehrenurkunde überreichen.
GZ,
13.06.2012
Das Buch kann man hier bestellen:
www.blechluft.de.vu/
Schlagwörter:Asmus Tietchens, Blechluft, Can, damo suzuki, Forschung, Günter Sahler, Musik, NDW, Neue Deutsche Welle, Neue Welle, punk rock, S.Y.P.H., Staubgold, Stockhausen, theremin
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Juni 16, 2012

Gestern nahm ich in der S-Bahn auf dem Weg nach Esslingen am Neckar (zum hervorragenden Konzert der Band Extra Life, btw.) neben einer ganz in Gelb gekleideten ‚älteren Dame‘ Platz. Sie nahm ein dünnes aber nicht kleinformatiges Buch aus ihrer Tasche – skurillerweise ein Liederbuch. „Karl Marx – 14 Lieder“ glaubte ich zu entziffern (kann das sein?*). Die Schrift war in Fraktur gesetzt.
Und da saß sie nun, las Lied für Lied, las den Text und las die Noten. Während ich neben ihr mit meinem mp3-Player saß und gegenüber noch ein Typ mit zwei Handys, die er auch noch ständig benutzte, las sie Musik, ließ die Lieder in ihrem Kopf entstehen, in ihrer eigenen Interpretation. Das ist auf sympathische Weise very old school! Und verschwendet keinen Strom.
GZ,
07.06.2012
* meine spätere Recherche ergab: ja, das kann sein.
Schlagwörter:Esslingen, karl marx, Liederbuch, Musik, Stuttgart
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Februar 22, 2012

Frank Zappa by Andreas Rausch
Andreas Rausch – Zappaesk
(235 Seiten, Ehapa Comic Collection, 2002/2005)
So ein riesiger Fan von Frank Zappa (1940 – 1993) war ich ja eigentlich nie. Okay, die „Over-nite Sensation“ hatte ich mir bereits als Teenager gekauft, aber dann kam lange nichts. Erst als mir Meve diese 2004 auf Cordelia Records (dem Label von Alan Jenkins) erschienene Compilation „Lemme Take You To The Beach“ mit Cover-Versionen von Zappa-Songs im Surf-Stil schenkte, wurde ich wieder neugierig. Und wenn man sich dann so nach und nach die Originale anhört, merkt man, daß das alles ja super interessant ist. Ziemlich eigenartiger Typ, dieser Frank Zappa.
Ein richtiger Zappa-Fan ist dagegen Andreas Rausch (*1963) aus Bamberg. Mit dem Comic „Zappaesk“ hat er eine „Hommage an die Mutter der Erfindungen“, wie es im Untertitel heißt, geschaffen, die seines gleichen sucht. Das ist aber keine Biographie als sauber chronologisch erzählte Graphic Novel oder gar so etwas wie „Zappa für Dummies“. Keineswegs! Hier taucht ein Freak ins Zappa-Universum ein und läßt sich vom Lebenslauf des Künstlers, seiner Musik, den Song-Texten, aber auch von den Artworks der vielen Zappa-Platten inspirieren. Ein bißchen Kunstgeschichte, Goethes Faust und Philosophie ist auch dabei. Das Ganze kommt durchaus sprung- und collagenhaft daher, es wir ein- und ausgezoomt und einzelne Teile durch harte Schnitte verbunden. Der Stil der schwarzweißen Panels ist recht heterogen und changiert zwischen 70er-Jahre-Wimmelbildern und klaren, zeitlosen Einzelseiten. In diesen Bildern stecken so viele Details und Anspielungen auf das Werk des Künstlers Zappa, daß diese in einem umfang- und lehrreichen Anhang erklärt werden. Darüber bin ich als Zappa-Anfänger äußerst dankbar. Wenn man die ein oder andere Zappa-Biographie bereits gelesen hat, ist die Lektüre dieses Comics wahrscheinlich noch amüsanter, weil man da die eine oder andere Anspielung besser erkennt. Aber auch so ist das schon ziemlich klasse.
Kurioserweise ist der Text dieses Buches durchgehend in deutscher Sprache gehalten, auch in Passagen, die sich auf die amerikanischen Songtexte beziehen. Nicht auszudenken, was passiert, wenn eine englisch-sprachige Version dieses Comics erscheinen würde. Vielleicht würde das bei den amerikanischen Freaks wie warme Semmeln weggehen?
Schlagwörter:Alan Jenkins, andreas rausch, Bamberg, comic, comic art, Frank Zappa, Mothers Of Invention, Zappa
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Dezember 5, 2011

Hollow Skai:
Punk – Versuch der künstlerischen Realisierung einer neuen Lebenshaltung.
(Sounds-Buch)
Schon 1980 versuchte Hollow Skai in diesem Buch etwas von dem Drive des Punk für die Nachwelt festzuhalten. So spricht Hollow quasi aus den Herzen der Scene, und wenn man es nicht zweimal liest, glaubt man es nicht: Es war seine Magisterarbeit, in der er (wissenschaftlich-) analysierende Prosa mit dem LayOut eines Fanzines verband und den eigentl. Punk als Ausbruch aus der Langweile Mitte der 70er charakterisierte.
Gleich zu Anfang des Buches zerstört Hollow Skai jede Hoffnung auf ein ‚Happy End‘. Sämtliche Thesen zur Festlegung des Begriffs ‚Punk‘ werden über den Haufen geworfen, um am Ende zu dem Schluß zu kommen, Punk sei immer mehr als… . Seine Festlegung bedeute seinen Tod. Daher jedoch erörtert Hollow von den SEX PISTOLS in England über Fanzines, etc. bis zu Art Attaks in Amerika, alles was irgendwie mit Punk zusammenhängt. Dies geschieht in umfangreicher Form, ist wegen des abwechslungsreichen Schreibstils aber nie ermüdent. Auch die Reaktion der öffentlichen Presse kommt in vielen eingefügten Original-Artikeln nicht zu kurz und wirkt bisweilen grotesk bis erheiternd. Besonders gut gefallen mir die Artikel über Fanzines und der Anhang „Der destruktive Charakter“ in dem nocheinmal sämtliche (polit.) Schablonen zerstört werden und der Mensch und seine Kultur als einziges übrig bleibt.
Kein Buch über Punk, sondern ein Buch der Punk-Scene für Leute, die’s nicht (von Anfang an) miterlebt haben und es trotzdem ‚verstehen‘ wollen. Aber natürlich auch für andere.
Erhältlich leider nur noch in der Stadtbücherei; dort aber im ‚Sonderangebot‘: Entweder kostenlos (nicht weitersagen!!) oder für 13,20 dm (66 Verkleinerungen).
cl.g.
Dieser Text stammt aus dem 4. Heft des Würzburger Fanzines Oi Oi Oi! (später 10.15 bzw. 10.16 Megazine), erschienen im Juli 1984.
Autor: Claus-Georg Pleyer
Schlagwörter:10.15 Megazine, 10.16 Megazine, Hamburg, Hannover, Musik, New Wave, No Fun, No Fun Records, Oi Oi Oi!, Post Punk, Punk
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August 15, 2011

Günter Sahler – NDW-Archäologie
(Taschenbuch, Edition Blechluft, 2011)
Mit der Edition Blechluft hatte ich bislang nur wenige Berührungspunkte. Der erste fand wohl irgendwann in den sogenannten Nuller-Jahren statt, als ich auf der Mainzer Minipressen-Messe am Stand des Musikers und Künstlers Brandstifter einen Sampler mit dem Titel „Klingende Blechluft in Siedlungsgebieten“ (CD-R?, Blechluft / Frische Ernte, 2003) erstand. Dort war neben Stücken von Brandstifter auch der herrliche Song „Frauen über 30“ der Ernst Neger Revival Band vertreten, ein Ableger der damaligen Bamberger Künstlergruppe Winkelwurst (deren Mitglied Frank Apunk Schneider heutzutage bei Monochrom Wien mitwirkt). Aber auch Sachen mit Felix Kubin, Günter Reznicek oder Frieder Butzmann (Interview-Ausschnitte) sind dort zu hören.
Im Jahr 2011 ist in der Edition Blechluft mit dem Titel „NDW-Archäologie“ nun schon der fünfte Band auf Papier erschienen. Autor Günter Sahler (*1967) forscht in Sachen Post Punk, New Wave und Neue Deutsche Welle und schreibt in diesem Buch über teils obskure, randständige Erscheinungen, aber auch Ikonen der NDW. So erläutert er am Beispiel der D.I.Y.-Künstlerin Sunny, über die man nicht viel weiss, die Quellenlage der Musikforschung (Traditionsquellen versus Überreste oder so). Ein Schwerpunkt dieses Buches liegt auf dem Werdegang der Fehlfarben. Deren Geschichte wird hier nochmal gut zusammengefaßt, allerdings ohne näher auf deren letzte Platte „Glücksmaschine“ (2010) einzugehen.
Desweiteren gibt es eine interessante Abhandlung über die Bands der sogenannten Limbuger Pest – sprich Wirtschaftswunder, Siluetes 61, Die Radierer und Konsorten.
Mehr oder weniger kurze Interviews mit Stef Petticoat oder Thomas Voburka sowie eine kurze Abhandlung über Hirsche Nicht Aufs Sofa und eine Auswahldiskographie (T bis Z) runden dieses Werk ab.
Was eingangs etwas akademisch anmutet entpuppt sich schnell als Fantum.
Für mich als Alter Sack, welcher mit dieser Musik aufgewachsen ist – wenn auch nur aus der Distanz in der Provinz und einen Tick zu spät geboren dafür, ein Schicksal, das ich mit dem Autor Günter Sahler, aber auch mit Frank Apunkt Schneider wohl teile – ist das immernoch interessanter Stoff. Mögen sich dennoch auch jüngere Leute dafür interessieren!
Das Buch kann man für wenig Geld hier bestellen:
www.blechluft.de.vu/
Mr.Boredom über die „Glücksmaschine“ der Fehlfarben:
Respekt!
Mr.Boredom über das Buch „Als die Welt noch unterging“ von Frank Apunkt Schneider:
Kassette sich wer kann!
Schlagwörter:Blechluft, Fehlfarben, Forschung, Günter Sahler, NDW, Neue Deutsche Welle, Neue Welle, ZickZack
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April 22, 2010

Frank Apunkt Schneider:
Als die Welt noch unterging – Von Punk zu NDW
(Ventil Verlag, 2007, ISBN 3-931555-88-7)
Endlich komme ich dazu, dieses Buch zu lesen. Dessen Autor Frank Apunkt Schneider begegnete mir erstmals vor etlichen Jahren im Fanzine Der kosmische Penis als „King-Crimson-Ironiker“, dann als Mitglied der Ernst Neger Revival Band (ihr Hit: „Frauen über 30“) und der Künstlergruppe Winkelwurst sowie als Sacro-Pop-Experte, Lashcore-Cassetten-Compiler und Hörspielautor. Später schrieb er lieber für renommierte Fachmagazine wie Bad Alchemy und natürlich Testcard. Kunst macht er heutzutage unter der Wiener Dachmarke Monochrom. Er lebt, arbeitet und organisiert im oberfränkischen Bamberg.
Bei Testcard und Monochrom ist es ja durchaus üblich, als Fan an die Sachen ranzugehen, aber diese möglichst akademisch zu behandeln – oder umgekehrt. Wozu hat man schließlich irgendetwas geisteswissenschaftliches studiert?! Bei „Als die Welt noch unterging“ bekommt Apunkt aber noch ganz gut die Kurve, hier wird zwar auch manchmal wortreich diskursiert, aber der Musikfan dominiert dann doch. Eine eindeutige Definition dieser NDW kann und will Schneider nicht liefern. Vielmehr zeigt er, wie es zu diesem Begriff kam und dass es ihn womöglich auch schon vor Alfred Hilsberg gab. Um das Thema einzugrenzen schaut er nur bis etwa 1984 – Frank Apunkt Schneider war in diesem Jahr erst 15. Er bezeichnet sich selbst als „knapp Zuspätgekommener“. Was seiner Sammelwut und Sachkenntnis aber offensichtlich keinen Abbruch tut. Diese, wenn auch kurze, Distanz zum Thema tut dem Buch gut, man kann hier gottseidank keine nostalgisch verklärten Anekdoten eines ex-Mittendringewesenen lesen. Vielmehr versucht Schneider das Phänomen Punk und NDW in deutschsprachigen Landen (Österreich, Schweiz und die DDR werden ebenfalls angeschnitten) von verschiedensten Seiten her einzugrenzen. Was garnicht so einfach ist. Denn die Ränder fransen aus, sind unscharf und keineswegs eindeutig. Daher sei ihm auch verziehen, wenn Frank Apunkt in allgemeine, nicht nur für Deutschland spezifische Aspekte dieser Musikgeschichte abdriftet. Interessant ist das auf jeden Fall, auch wenn er manchmal dann doch ins Akademische verfällt und stellenweise vielleicht etwas zu viel Adorno und Horkheimer geraucht hat. Allerdings landet er während seinen Abschweifungen aber auch Seitenhiebe, die man lachend begrüßen muss. Das Schwurbeln hat er also nicht verlernt und seine Wortneuschöpfungen sind amüsant bis erstaunlich. Irgendwie ist genau dieses Diskursive das Schöne an Alcos Buch. Es wird abgeklopft was vorher, nachher, parallel so alles passierte. Und er wagt sich in den unübersichtlichen Untergrund der damaligen bundesdeutschen Kassettenszene. Diese wurde wohl in noch keinem anderen Buch über Punk und NDW so ausführlich gewürdigt. Auch wird hier die Provinz besser repräsentiert als in manch anderen Büchern zum Thema. Meist wird deutscher New Wave ja als Bewegung aus Düsseldorf, Westberlin, Hamburg und vielleicht noch Hannover und Hagen abgefeiert. Aber dass insbesondere in einzelnen Kleinstädten ein Urwuchs an Bands und Kassettentätern wucherte, wird meist vernachlässigt. Frank Apunkt Schneider versucht dies auch in der umfangreichen Disko- und Kassettografie abzubilden – was für eine Fleißarbeit! Offensichtlich hat er ein Herz für Sammler und berücksichtigt sogar die ein oder andere Phantomplatte, die zwar in der Primär-Literatur auftaucht, aber sich wohl nie materialisiert hat. Insgesamt sehr interessante, aber nicht gerade einfache Lektüre. Eher etwas für Fans der untergründigen Neuen Welle, für Leute, die es genau wissen wollen, und weniger für ich-will-spaßige NDW-Partygänger.
21.04.2010
Schlagwörter:Alco, Bad Alchemy, Bamberg, Cassette, Compact Cassette, Ernst Neger Revival Band, Frank A. Schneider, Frank Apunkt Schneider, Kassette, Kassettentäter, Lashcore, Monochrom, Musik, Musikkassette, NDW, Neue Deutsche Welle, Neue Welle, New Wave, Pop, Punk, Rock, Tape, Testcard, Ventil Verlag, Wien, Winkelwurst
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April 13, 2010

Klaus Fischer – Trips & Träume
(Klaus Fischer / Books on Demand, ISBN 978-383703183-6)
Es sind schon ein paar Monate vergangen seit ich dieses im Jahr 2008 erschienene Buch mit dem Untertitel „Ein Roman über die wilden Krautrock-Jahre“ gelesen habe. Dieses Buch ist also keine dokumentarische Abhandlung über die Musik der frühen 1970er Jahre. Vielmehr erzählt Klaus Fischer wie es damals abging, bestimmt sind seine frühen Erfahrungen mit Drogen, Mädchen und Musik hier eingeflossen. Irgendwo in der Gegend von Koblenz bzw. Lahnstein muss er aufgewachsen sein, war Schlagzeuger in verschiedensten Bands, hat das Journalisten-Handwerk gelernt und ist über Frankfurt am Main vor ein paar Jahren wieder in der Provinz gelandet. In Würzburg arbeitet er für einen Konzertveranstalter und hat nebenher dieses umfangreiche Buch geschrieben. Nach dem Einstieg über eine Rahmengeschichte – die er sich von mir aus hätte sparen können – wird der Leser ins Jahr 1971 gebeamt und bekommt gleich die Alte-Spießer-versus-Jugendliche-Hippies-Stimmung mit. Ab da wird man in die Musik-Szene einer Kleinstadt gezogen, in der zur richtigen Zeit Guru Guru aufspielt und sich eine überdurchschnittliche Band-Vielfalt entwickelt. Alles im Zeichen dieser freakigen Rockmusik aus deutschen Landen. Das ganze Hinundher um Bandgründungen, regionale und internationale Musikfestivals, Instrumente-Besorgen, aus der Band wieder aussteigen, in der Musikkneipe Jazz hören, üben, auf der Bühne versagen oder auch nicht, den Krautrock-Impressario treffen usw. usf. beschreibt Fischer so lebendig als hätte er das damals wirklich so erlebt. Dabei ist sein Roman bestimmt mehr Legende als Wahrheit, das verrät schon das Motto, das er seinem Buch voranstellt. Aber nicht alles ist fiktional, historisch wichtige Gruppen werden mit ihren richtigen Namen genannt, man erfährt auch musikhistorische Fakten, die als Brücken zwischen Erfundenem und der offizieller Geschichtsschreibung dienen. Da kommt etwas der Journalist im Autor durch – aber man muss nicht jedes Detail erklären, z.B. dass man das dicke Kabel zwischen Bühne und Mischpult Multicore nennt, ist für die Handlung unwichtig. Ich bin überzeugt, dass Mitglieder der regionalen Szene, in der sich Klaus Fischer damals bewegte, dessen Anspielungen auf damalige Formationen dechiffrieren können. Eine Anspielung auf einen Würzburger Musik-Freak habe sogar ich verstanden. Aber davon lebt dieses Buch nicht, vielmehr zeigt es, wie es sich damals so angefühlt haben muss mit dem Krautrock in der westdeutschen Provinz. Lesenswert!
Interessant sind übrigens auch Klaus Fischers Lesungen. Mit einem kurzen Film stimmt er auf die Krautrockzeit ein und spielt zwischendurch immer wieder Musik von Bands, die in seinem Roman erwähnt werden. Sehenswert!
13.04.2010
Schlagwörter:Die Radierer, Guru Guru, Irène Schweizer, Klaus Fischer, Koblenz, Krautrock, Lahnstein, Tank Of Danzig
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Januar 11, 2010
Hollow Skai:
Alles nur geträumt – Fluch und Segen der Neuen Deutschen Welle
(Hannibal / Koch)
Hollow Skai kennt man von früher. Zumindest vom Hörensagen. Damals in den frühesten 1980er Jahren hat er das No Fun-Label in Hannover betrieben (kollektiv mit Leuten u.a. von Hans-á-Plast) und somit den Aufstieg und Fall von Punk und New Wave aus deutschen Landen hautnah als Zeitzeuge erlebt. Davon erzählt er in seinem im Jahr des Herren 2009 bei Hannibal erschienenen Buch „Alles nur geträumt – Fluch und Segen der Neuen Deutschen Welle“. Er erzählt von den ersten deutschen Retorten-Punk-Bands und dem Düsseldorfer, Berliner, Hamburger und Hannoveraner Untergrund, aber auch von ein paar wenigen Bands in der Provinz. Er weiß zwischen New Wave, Neue Welle und Neue Deutsche Welle / NDW zu differenzieren. Und er hat das Insider-Wissen eines zu jener Zeit aktiven – alternativen – Geschäftsmannes um zu erklären, warum damals kleine Vertriebe eingingen und einzelne Bands zu den großen Kompanien wechselten. Und dann ist da noch die Geschichte von den altgedienten Profi-Musikern, die auf den „Die neue Welle zur Frikadelle“-Zug aufsprangen. Das ganze liest sich flott und unterhaltsam. Das einzige, was mich an diesem Buch stört ist, dass Hollow Skai dann manchmal doch etwas hudelt. Da behauptet er auf Seite 55, dass auf dem zweiten Album von Der Plan „beschwingte kleine Single-Hits wie ‚Da vorne steht ’ne Ampel'“ enthalten seien – meines Wissens wurde dieses Lied damals wirklich nur als 7″ veröffentlicht. Auf meiner „Normalette Surprise“-Vinyl-Ausgabe sucht man dieses Stück jedenfalls vergeblich. Und dass in der Auswahldiskographie im Anhang das Label Ata Tak konsequent falsch als Warning Records – dessen allererste Wuppertaler Inkarnation – erscheint, finde ich auch etwas befremdlich. Ebenfalls seltsam: dem Autor scheint eine Band, die ich bis dato erfolgreich versucht habe zu ignorieren, doch irgendwie sympathisch zu sein: Extrabreit. Der Roman „Hart wie Marmelade“ von deren Sänger Kai Havaii wird sogar besonders gelobt – während das Buch „AnarchoShnitzel schrieen sie“ von Oliver Maria Schmitt (Die Partei, ex Titanic Magazin) beherzt verrissen wird. Rührend, wie ernst Skai den teilweise etwas pubertär daher kommenden Satiriker Schmitt nimmt. Na dann werde ich mir wohl den Roman von Herrn Havaii mal antiquarisch besorgen und zu Gemüte führen müssen.
Ohne Bezug zu diesem Buch möchte ich Hollow Skai und seinen Mitstreitern bei No Fun Records danken für Langspielplatten von Bands wie Hans-á-Plast, Der Moderne Man, Mythen In Tüten, 39 Clocks sowie Bärchen und die Milchbubis!
(18.12.2009)
Schlagwörter:39 Clocks, Ata Tak, Bärchen und die Milchbubis, Der Moderne Man, Der Plan, Hans-á-Plast, Hollow Skai, Mythen In Tüten, NDW, Neue Deutsche Welle, Neue Welle, New Wave, No Fun, No Fun Records
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