Improv 2014 (Peitz)
(Ralf Schuster und Stefan Hetzel, Musik-Dokumentation, 22 min., 2014)
Dieser Kurzfilm von Ralf Schuster (Kamera, Schnitt) und Stefan Hetzel (Konzept, Regie) dokumentiert Interviews mit improvisierenden (Jazz-) Musikern, die während des Festivals „Jazzwerkstatt 51“ in der kleinen Ortschaft Peitz (in der Nähe von Cottbus) geführt wurden. Dabei ist gottseidank kein herkömmlicher Frage- und Antwort-Blablabla-Film entstanden sondern eine gelungene Collage aus Statements der Musiker zum Thema Improvisation (versus Komposition) und ihrem Selbstverständnis damit umzugehen sowie Momentaufnahmen verschiedener Konzerte – plus Stimmungsbildern aus Peitz selbst, die den Rezipienten visuell durchatmen lassen.
Auch beim Filmemachen wurde improvisiert und mehr oder weniger spontan Musiker davon überzeugt sich interviewen zu lassen. Autor Stefan Hetzel (selbst Musiker) hat einen Fragenkatalog erarbeitet, der als Grundlage für diese Gespräche diente. Dabei geht es nicht um die Musiker selbst oder gar um ihren Lebenslauf (das kann man woanders nachschlagen) sondern um ihre Haltung mit Musik umgehen und was sie so unter Improvisation verstehen. Für die Gespräche konnten Friedhelm Schönfeld, Gebhard Ullmann, Wayne Horvitz und Hamid Drake gewonnen werden – eine Ost und West sowie Europa und Amerika umspannende, erhellende Mischung.
Am 23.10.2014 hatte dieser Film im Rahmenprogramm des 30. Jazzfestivals in Würzburg Premiere – sozusagen als Vorfilm zum Impro-Ambient-Konzert der Formation hetzel.thieme.volpert. Allerdings hat es dieser Film verdient auch auf Filmfestivals und im Kino gezeigt zu werden. Und eine Fortsetzung könnte ich mir ebenso lebhaft vorstellen.
Momentan kann man diese Doku im Netz auf dem Video-Kanal von Ralf Schuster gucken: http://vimeo.com/99544266
Der Filmemacher Ralf Schuster bei der Sichtung von Bewegtbildmaterial.
DMD KIU LIDT (Georg Tiller, Antimusikfilm, 55 min., 2014)
Am vergangenen Sonntag habe ich es das erste Mail in meinem Leben auf die Berlinale geschafft – und dann gleich eine Weltpremiere. Im Delphi-Kino wurde ein Film über die in Berlin ansässige Band JA, PANIK auf die Leinwand geworfen.
„DMD KIU LIDT“ wurde als Antimusikfilm angekündigt. Das „Anti“ finde ich etwas übertrieben, auch wenn es hier so gut wie keine Musik zu hören gibt, schließlich geht es hier ja und eine Musikgruppe. Gesprochen wird auch fast nichts. Dafür gibt es schöne Schwarzweiss-Bilder zu sehen: rauchende Gestalten, Grashalme im Wind, Menschen an Tankstelle, im Auto, im Bus, im Hotelzimmer, im Club vor dem Konzert, im Proberaum, einzeln und in kleinen Gruppen, noch mehr dekoratives Schaurauchen, ernste Mienen, zwei Männer auf der Trabrennbahn (soll wohl kapitalismuskritisch sein), Leute in albernen Klamotten durch die Landschaft wandernd und am Grab der verehrten Nico Päffgen lungernd und cool paffend. Langsamkeit und Tristesse machen sich breit, das stumpfe Tourleben der Musiker. Die Tonspur unterstützt mit den passenden Umgebungsgeräuschen den Eindruck der Bilder. Wenn man die Band an ihren Instrumenten sieht, wird bald der Stecker gezogen und zusammengeräumt.
Erfrischenderweise sind keine informativen Einspielungen aus dem Off zu hören. Wenn mal geredet wird, dann beispielsweise über das ausgetretene Bandmitglied und wie es weitergehen wird. Amüsant die Unterhaltung von Andreas Spechtl mit Christiane Rösinger im Kleinwagen während einer (Lese-) Tour über Depression, Prokrastination und was man demnächst machen könnte. Auch schön die Szene auf der Oberbaumbrücke vor dem riesigen Logo des Universal-Hauses, in der kurz über Plattenverkäufe und Fans geredet wird.
Abgesehen von der Rezitation eines Hans Unstern-Liedes durch ihn selbst, im Fond des Tourbusses, gibt es Musik wirklich nur am Ende, im Abspann zu hören. Dann wenn die Bilder verschwunden und nur noch weiße Lettern auf Schwarz zu lesen sind, ertönt ein Ausschnitt aus dem Song „DMD KIU LIDT“. Diese Buchstaben, das weiß jeder JA, PANIK-Fan, steht für „Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit“.
Irgendwie stellt dieser Film auch eine kleine Zeitreise in die jüngste Vergangenheit dieser Musikgruppe dar. Das filmtitelgebende Album „DMD KIU LIDT“ erschien bereits 2011. Mittlererweile sind zwei Bandmitglieder ausgestiegen und eine neue Platte wurde Ende Januar 2014 ausgeliefert.
Wer komponiert, ist ein Idiot.
(Ralf Schuster, Musik-Dokumentation, 15 min., 2013)
Der Autor, Blogger, Musiker und Komponist Stefan Hetzel (*1966) hat seit den 1980er Jahren schon so manches auf die Beine gestellt und auch veröffentlicht – in Fanzines und Zeitschriften, auf Cassette und CD sowie in den unendlichen Weiten dieses Netzes, auch so manches Foto. Beeinflusst u.a. vom (Free) Jazz und Minimal Music improvisiert und komponiert Hetzel gleichermaßen.
Im März 2013 hat nun sein „Kumpel“ und Filmemacher Ralf Schuster ein kurzes Portrait dieses Herren vollführt, das Hetzel in seinem Eibelstädter Musikzimmer zeigt und vor allem seine Art zu komponieren thematisiert. Heutzutage fröhnt Stefan Hetzel elektronisch generierter sogenannter Neuer Musik, wobei er beim Komponiervorgang sein MIDI-Keyboard in improvisierender Weise nutzt. Diese Arbeitsweise wird von Hetzel eloquent erklärt, auch Einflüsse werden offen gelegt, ebenso die Hoffnung, dass seine Kompositionen durch einen konventionellen kammermusikalischen Klangkörper (KKK) aufgeführt werden, obwohl das eigentlich garnicht nötig ist, da ja längst elektronische Möglichkeiten existieren. Momentan kommt vorwiegend der ePlayer zum Einsatz. Zum Thema Technik und Komponieren werden Ausschnitte aus seinem dreiteiligen Filmessay „Komponieren heute“ in diese Dokumentation eingestreut.
Schuster und Hetzel bei einer Besprechung in Berlin
Im Film sieht man Stefan Hetzel auf dem Weg zum Bus, bei sich zu Hause, Kaffee trinkend, aber vor allem auf seinem Sofa im Gespräch mit einem Doktor der Musik im Rock’n’Roll-Look (der allerdings nur zweimal als Stichwortgeber ins Bild kommt), in seinem Studio, aber auch mit anderen Musikern in einer Galerie frei improvisierend. Zu hören ist das kammermusikalische Stück „2008“, das durch hypnotische Passagen glänzt. In den Redepausen streift die Kamera durch die Küche, in der nicht experimentiert wird, dafür aber im benachbarten Musikzimmer mit all dem Equipment, philosophische Bücher kommen ins Bild, auch eines über autonome Kunstkritik. Schön auch die sich zur Musik amorph bewegenden Trickfilmfiguren, welche die Handschrift von Ralf Schuster tragen. Im Abspann noch eine Impression der heimischen Mainschifffahrt.
Es gäbe sicherlich noch viel mehr zu erzählen über diesen unterfränkischen Komponisten, dennoch konzentriert sich diese Dokumentation auf das Thema Komponieren und wühlt nicht in der Vergangenheit. Das tut diesem Kurzfilm gut. Es lohnt sich, diesen Typen kennenzulernen. Anschauen!
Wir werden immer weiter gehen
(95 Minuten, Dokumentarfilm, Deutschland, 2012)
Am vergangenen Sonntag habe ich es doch noch geschafft für einen Film auf das Berliner Musikfilmfestival In-Edit zu gehen. Es lief nochmal der Eröffnungsfilm „Wir werden immer weiter gehen“ von George Lindt und Ingolf Rech, der sich „Berlin und Hamburg als Epizentren deutscher Musikproduktion“ (so zu lesen in der Ankündigung) widmet.
Im Vorspann wird diese Dokumentation als Kaleidoskop betitelt – aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es sich hier eher um ein Sammelsurium kurzer Schnipsel aus der Indie Rock Pop Szene besagter Städte handelt. Es fängt recht gut gelaunt mit kurzen Interviewpassagen und Konzertmitschnitten der Berliner Rockgruppe Stereo Total an. Und viele weitere Live- und Gesprächsmitschnitte folgen. Rocko Schamoni (Motion, Little Machine, Studio Braun, Fraktus), Schorsch Kamerum (Die Goldenen Zitronen), Christiane Rösinger (Lassie Singers, Britta), Dirk von Lowtzow (Tocotronic) oder Alec Empire (Atari Teenage Riot) tauchen beispielsweise auf, aber auch die Betreiber von Clubs wie dem Tresor in Berlin oder der Tanzhalle in Hamburg, Plattenläden wie Michelle Records oder Mr Dead & Mrs Free, Plattenlabel wie Buback, Zickzack, Vielklang (auch ein Studio) oder Kitty-yo und sogar ein Berliner CD-Presswerk oder ein Hamburger Gitarrenfachgeschäft. Und Nikel Pallat, der früher bei Ton Steine Scherben mit von der Partie war (und in irgendeiner WDR-Talkshow anno 1971 einen Tisch mit der Axt malträtierte sowie mit der Würzburger Jazzrockband Munju eine Solo-LP aufgenommen hat) zeigt wie es beim Indigo-Vertrieb im Lager und Versand zugeht. So wie diese Aufzählung pendelt auch der Film zwischen den Orten. Die Sequenzen wirken auf mich zumeist mehr oder weniger zufällig aneinandergereiht. Kaleidoskop halt. Das macht den Film aber nicht besonders spannend, die Filmemacher gehen einfach immer weiter in die Breite. Und der Fan geht mit.
Leider wird nie konkret dokumentiert, aus welchem Jahr die Bilder stammen. Als Uli Rehberg in seinem Plattenladen Unterm Durchschnitt, den er bis ca. 2003 in Hamburg betrieb, auftaucht, wird schnell klar, dass es sich hier vorwiegend um Material aus den frühen Nuller-Jahren handelt. Gegen Ende des Films wird in Schwarzweiss schnell noch der aktuelle Stand – „10 Jahre später“ – nachgereicht. Viele machen immernoch Musik, manche haben Kinder, einige sind am Theater gelandet oder schreiben Bücher, weil man mit Musik ja kein Geld mehr verdienen kann.
Eine schöne Überraschung war für mich das Auftauchen von eben erwähntem Uli Rehberg (aka Ditterich von Euler-Donnersperg, Dr. Kurt Euler), einem herrlichen Kauz, der so manche launige Meinungsäußerung von sich gab, mit einem Kind auf dem Arm. Über diesen Mann sollte mal jemand einen Dokumentarfilm machen. Unvergessen sein Label Walter Ulbricht Schallfolien und die Pelzwurstlieder! Auf sein Buch – er arbeitet angeblich an einem Industrial-Roman (?) – darf man gespannt sein.
Ein Buch zu diesem Film gibt es übrigens bereits, aber ich kenne es noch nicht.
Leslie Franke und Herdolor Lorenz haben ein neues Filmprojekt. Nachdem sie u.a. in den Dokumentarfilmen „Bahn unterm Hammer“ und „Water Makes Money“ nicht nur erklärt haben, wer denn nun wirklich vom Börsengang oder den sogenannten Public Private Partnerships profitiert, ist nun der Banksektor an der Reihe. Der geplante Titel läßt ahnen um was es geht: „Wer Rettet Wen? – Wie wir die Risiken des Finanzmarkts tragen“.
Zitat aus dem Aufruf, mit dem zur Unterstützung dieser Filmproduktion geworben wird: Viele Menschen ahnen, dass da etwas schief läuft. Sie fühlen sich ausgeliefert, weil sie das Spiel der Milliarden nicht verstehen. Doch Demokratie hat angesichts der Macht des Finanzmarkts nur eine Chance, wenn Bürger anfangen, ihre Interessen in dem „Spiel der Milliarden“ zu erkennen, die wesentlichen Strukturen und Mechanismen des Finanzkapitals zu durchschauen. Der Film „Wer Rettet Wen“ wird ein Werkzeug dazu sein.
Näheres zum Inhalt dieses geplanten Filmes sowie die Möglichkeiten ihn finanziell zu unterstützen kann man hier nachlesen: www.wer-rettet-wen.org Auf dieser Site kann man sich auch einen Teaser anschauen.
Unerhört! Musikfilmfestival Hamburg
11. bis 13. Mai 2012
Ihr habt es bestimmt schon mitbekommen, am kommenden Wochenende findet das 5. Unerhört! Musikfilmfestival im B-Movie Kino statt – diesmal wieder als eigenständige Veranstaltung und nicht wie im Vorjahr als Gast bei einem anderen Festival. Zwölf Spieltermine stehen an diesen drei Tagen auf dem Plan, inklusive eines kleinen Asien-Schwerpunkts am Samstagabend mit zwei Filmen über Myanmar und China.
Sonntags gibt es eine dreistündige (!) Matinée mit „Neuer Aktueller Musik“ – mit dabei u.a. ein Kurzfilm über den Free Impro Vocalisten Phil Minton. Und am Freitag werde ich mir auf jeden Fall die bestimmt interessante Dokumentation über den Free Jazzer Ornette Coleman ansehen.
Auch für sogenannte Indie-Fans ist etwas dabei: Es gibt Filme über Tortoise und das letzte PJ Harvey-Album. Und der empfehlenswerte Liebesfilm „The Ballad Of Genesis And Lady Jaye“ über Genesis P-Orridge, Jaye Breyer, Industrial Music, Kunst und Plastische Chirurgie wird hier ebenfalls gezeigt (obwohl er schon auf mehreren Festivals lief, auch in Hamburg).
Weitere vertretene Musikrichtungen: Afrobeat, Kuduro, Neue Musik, Pop, Punk, Rap etc.
Gestern (am 13.04.2012) gab es im Lichtmeß-Kino im Rahmen der 9. Dokumentarfilmwoche Hamburg zwei relativ kurze, wunderbare Musikfilme zu sehen. Erst einer über Holger Hiller und dann ging es weiter mit dem Schlippenbach Trio. Free Jazz nach Samplingkunst.
Wie es sich für ein Festival gehört, waren die beiden FilmmacherInnen anwesend und ließen sich zu ihren Werken von der Moderatorin und dem Publikum befragen.
Kurz vor Weihnachten 2011 war Holger Hiller (*1956) mit seiner alten Band Palais Schaumburg, die er nach der ersten LP verlassen hatte, live zu bewundern. Und jetzt hat dieser Film über ihn Premiere. Schöner Zufall!
Hier nähert sich Janine Jembere (*1985) an Hiller an, die dessen Musik nicht von früher kennt sondern erst in einem Seminar damit in Kontakt kam. Ein Jahr bevor Hillers Solo-Album „Oben im Eck“ auf Mute erschien wurde sie in Magdeburg geboren. Daher kommt dieses Portrait erfreulicherweise ohne nostalgische Schwelgereien aus. Aufnahmen aus der Jetztzeit, z.B. von Proben mit zwei Musikerinnen, werden kombiniert mit Archivmaterial – Ausschnitte aus der Fernsehrevue „Dreiklangsdimensionen“ beispielsweise oder dem Video von Ohi Ho Bang Bang u.v.m.
Anhand von Privat-Fotos zeigt Hiller seine Stationen auf: Hamburg, London, Berlin. Es gibt keine Interviews und keine Fakten aus dem Off – im ganzen Film ist fast nur die Stimme von Holger Hiller zu hören, beim Proben, Bilderzeigen, Instruktionsvideogucken und Verlesen für diesen Film selbst geschriebener Texte. Für frei gesprochene Interviews war er wohl nicht zu haben, da er sicher sein wollte, daß keine Ungenauigkeiten verbreitet werden. Das ganze beginnt am Berliner Hauptbahnhof (vermute ich jetzt mal), Hiller auf der Rolltreppe und Jembere im Aufzug, dazu ein Ausschnitt aus dem wunderbaren Hörspiel „Little Present“, in dem er den Besuch bei seinem vierjährigen Sohn in Tokio akustisch verarbeitet hat. Am Ende betritt Holger Hiller zwar zusammen mit den beiden bereits erwähnten Musikerinnen eine Bühne in Paris, dann wird die Leinwand schwarz, Abspann.
Die Palais Schaumburg-Reunion ist hier übrigens kein Thema, die Dreharbeiten waren wohl schon abgeschlossen als diese Idee aufkam. Ein wunderbarer Film über einen wirklich interessanten Künstler.
Diese empfehlenswerte Doku entstand übrigens als Abschlussfilm an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) und wird zusammen mit 12 anderen Abschlussfilmen am 26. April 2012 im Metropolis Kino gezeigt.
Aber das Wort Hund bellt ja nicht
(Bernd Schoch, Musik-Dokumentation, 48 min., 2011)
Bernd Schoch (*1971) ist u.a. auch Dozent an eben erwähnter HFBK und war 2009 auf dem Unerhört! Musikfilm-Festival mit „Slide Guitar Ride“ über Bob Log III vertreten.
Jetzt hat er sich den Spaß erlaubt, drei Free Jazzer abzulichten: Alexander von Schlippenbach (*1938, Piano), Evan Parker (*1944, Saxophon) und Paul Lovens (*1949, Schlagzeug). Unter der Firmierung Schlippenbach Trio machen diese Herren jeden Winter eine Tour und an vier aufeinanderfolgenden Jahren wurden ihre Konzerte in immer dem selben Jazzclub in Karlsruhe (Schoch kommt offensichtlich aus dieser Gegend) aufgenommen. Fast wäre es ein Triptychon geworden – jedem der drei wird eine längere Sequenz gewidmet. Die Mitmusiker sind nur zu hören. Als Zuschauer ist man so nah an ihnen und ihren Instrumenten dran, daß man die Personen fast schon nicht mehr sieht. Da gleiten Finger über Tasten, ein Schweißtropfen perlt herab, man glaubt fast selbst im Schlagzeug zu sitzen. Man kann die Konzentration spüren mit der diese Musik entsteht und sehen, wie ein Musiker auch erstmal hineinhört bevor er weiterspielt. Die drei Herren sind nie gleichzeitig im Bild zu sehen und es gibt auch keine langweilige Totale. Statt Interviews gibt es von jedem der Drei ein Statement zu ihrer Musik und den Ritualen auf ihrer Reise zu hören. Diese dienen als Zwischenspiel und Trennung der dann doch vier Konzertsequenzen. „Aber das Wort Hund bellt ja nicht“ ist somit weder eine klassische Doku noch ein herkömmlicher Konzertfilm sondern fast schon selbst Musik. Alles ist im Fluß. Und wie bei einem guten Konzert hätte ich gerne ab und zu mal die Augen geschlossen um mehr zu hören. Aber das wäre ziemlich doof gewesen bei einem so sehenswerten Film!
Meine Auswahl für das 38. Filmwochenende Würzburg,
Cinemaxx und Kino Central, 22. bis 25. März 2012
Am kommenden Donnerstag beginnt das Filmwochenende Würzburg. Diesmal bin ich wieder dabei und habe schonmal meine willkürliche Vorab-Aufwahl getroffen. Nach dem Zappen durch eine Playlist mit 56 Trailern habe ich mir folgende Filme notiert:
Do it again
Dokumentarfilm über einen Typen, der versucht The Kinks wieder zusammenzubringen…
Donnerstag 22. März 2012, 20:30 Uhr
Sonntag 25. März 2012, 11:00 Uhr
Extraterrestre Julia, Julio und Aliens…?
Donnerstag 22. März 2012, 22:15 Uhr
Samstag 24. März 2012, 23:15 Uhr
Trieb und Treibstoff…?
In der taz war darüber zu lesen: Blaxploitation im Kongo
Freitag 23. März 2012, 23:15 Uhr
Samstag 24. März 2012, 19:00 Uhr
Louisa
Dokumentarfilm über eine 23-jährige Frau, die ihr Gehör verloren hat…
Samstag 24. März 2012, 17:15 Uhr
Sonntag 25. März 2012, 11:00 Uhr
Work Hard – Play Hard
Dokumentarfilm über die schöne neue Arbeitswelt…
Samstag 24. März 2012, 20:45 Uhr
Sonntag 25. März 2012, 11:00 Uhr
Das Cafe Cairo zeigt übrigens im Rahmenprogramm noch ein paar Musikfilme (im bei Coworking eingerichteten Festivaltreff in der Veitshöchheimer Straße 14). Darunter der Dokumentarfilm „Music from the Moon“, der auch schon auf dem Unerhört! Musikfilmfestival 2011 in Hamburg lief.
(Alle Terminangaben sind natürlich wie immer ohne Gewehr!)
Fred Frith – Step Across The Border
(Deutschland, 1990, ca. 85 Minuten)
Der Schwarzweißfilm „Step Across The Border“ ist nicht direkt ein Musikfilm über den Gitarrenvirtuosen Fred Frith, sondern eher eine improvisierte Collage aus Material, das die beiden Regisseure Nicolas Humbert und Werner Penzel auf ihrer gemeinsamen Reise mit Frith durch die halbe Welt auf Celluloid belichtet haben. Werner Penzel hat übrigens auch schon vor zehn Jahren (oder noch etwas früher) die Welttournee der Ethnorockformation Embryo in seinem 16mm-Film „Vagabundenkarawane“ dokumentiert. „Step Across The Border“ spielt zwar auch an verschiedensten über die ganze Welt verstreute Orte (New York, Tokyo, Schottland, Leipzig fallen mir jetzt spontan ein), ist allerdings kein Werk, das man als Dokumentar- oder Experimentalfilm abtun kann. In den eineinhalb Kinostunden sieht man Fred Frith mit den verschiedensten Leuten musizieren, man hört Statements von ihm, aber z.B. auch von Arto Lindsay. So mancher gibt in der U-Bahn Philosophisches zum besten, die Butterfly-Theorie wird erklärt oder ein Märchen wird von drei verschiedenen Menschen simultan erzählt. Immerwieder tauchen Fortbewegungsmittel wie Zug, U-Bahn, Auto oder Motorrad auf, man scheint ständig unterwegs zu sein. Brücken, Häuser, Felder und vieles mehr zieht vorbei. Und zwischendurch kann man Fred Frith von seinen verschiedensten Seiten sehen. Zum einen als wild improvisierenden Freistilmusiker und zum anderen als ruhigen Interviewpartner oder als den netten Onkel, der mit einem kleinen Kind und einer Harmonika spielt. Und wenn er mit seinen abgehackten Bewegungen den Dirigenten mimt, wird es sogar witzig. Oder: Fred Frith kauft in einem Supermarkt Haushaltswaren, Erbsen und ähnliches Zeug ein – anschließend sehen wir ihn wie er mit den eben eingekauften Dingen in der Küche seine homemade Tischgitarre bearbeitet…..
Die Musik, die in diesem Film als Soundtrack verwendet wurde, ist zu einem großen Teil von bereits erschienenen Fred Frith-Platten her bekannt. Allerdings sind auf der DoLP/CD teilweise Versionen, wie sie im Film nicht zu hören sind. Und wenn mich nicht alles täuscht, gibt es den auf dem Soundtrack-Album enthaltenen, titelgebenden Song („The Border“ von Skeleton Crew) garnicht im Film zu hören. Hervorzuheben sind zwei schöne Songs, bei denen Fred Frith seine Finger ziemlich heraushielt. Nämlich „After Dinner“ mit Haco (Piano und Stimme) und „Morning Song“ von Iva Bittova und Pavel Fajt. Ansonsten hört man viel Musik mit Frith solo sowie Bands oder Projekten wie Massacre, Skeleton Crew bzw. mit Musikern z.B. von Zamla usw. usf. Der interessierte Hörer kann in einem ausführlichen Beiblatt mit Discographie und Besetzungslisten der einzelnen Songs selbst das Gewirr der Frith‘schen Kollaborationen erforschen. Und als Einstieg in die nicht nur improvisierte Welt des Herren Frith ist diese DoLP/CD wunderbar geeignet. Abwechslungsreiche 70 Vinyl- bzw. 85 Filmminuten werden auf jeden Fall geboten. Freilich nichts für ’normale‘ Musik- und Filmkonsumer. Aber auch nicht nur ausschließlich für Fans!
(Der Soundtrack erschien bei Recommended Records Schweiz und sollte über EFA in jedem guten Laden erhältlich sein. In Deutschland kann man ihn via Mailorder auch bei Recommended No Man’s Land, Dominikanergasse 7, Postfach 110449, D-8700 Würzburg bestellen).
Guido Zimmermann,
1991
Dieser Text wurde zuerst im Oktober 1991 in Ausgabe 16 des 10.16 Megazine veröffentlicht und beim Digitalisieren am 19.01.2012 nur leicht editiert.
Der Film erschien 2003 bei Winter & Winter auf DVD (mit 12 Bonus Tracks). Der Soundtrack wurde 2002 in Form einer CD auf Fred Records / ReR Megacorp wiederveröffentlicht.
The Ballad of Genesis and Lady Jaye
(Dokumentarfilm von Marie Losier, 2011)
22. Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg /
Hamburg International Queer Film Festival
Donnerstag, 20. Oktober 2011, 22:45 Uhr
Weitere, aktuelle Screenings: ab 29.03.2012 (bis 04.04.2012?), Werkstattkino, München 10.04.2012, 20 Uhr im B-Movie / Dokumentarfilmsalon, Hamburg
12.05.2012, 17 Uhr im B-Movie / Unerhört! Musikfilmfestival, Hamburg
Während der kommenden Lesbisch Schwulen Filmtage in Hamburg wird ein Film gezeigt, der auch für Musikfreunde bzw. Fans von Industrial Music, Throbbing Gristle und Psychic TV interessant sein dürfte.
In „The Ballad of Genesis and Lady Jaye“ wird gezeigt, wie sich das Paar Genesis und Lady Jaye Breyer P-Orridge aneinander körperlich angleichen. Statt Kinder in die Welt zu setzen tranformieren sich die beiden aus lauter Liebe mittels kosmetischer Operationen in ein neues, pandrogynes Wesen. Da wird also nicht nur der Nachname aneinander angepasst sondern auch die Nasen zurecht gemacht, Brustimplantate eingebaut etc. – und das alles als Kunstaktion deklariert. Keine Ahnung, was das soll, aber dieser Film wird es wohl erklären.
Vermutlich wird es auch viel Musik aus dem Hause Genesis P-Orridge geben. Man darf gespannt sein.