Fred Frith – Step Across The Border
(Deutschland, 1990, ca. 85 Minuten)
Der Schwarzweißfilm „Step Across The Border“ ist nicht direkt ein Musikfilm über den Gitarrenvirtuosen Fred Frith, sondern eher eine improvisierte Collage aus Material, das die beiden Regisseure Nicolas Humbert und Werner Penzel auf ihrer gemeinsamen Reise mit Frith durch die halbe Welt auf Celluloid belichtet haben. Werner Penzel hat übrigens auch schon vor zehn Jahren (oder noch etwas früher) die Welttournee der Ethnorockformation Embryo in seinem 16mm-Film „Vagabundenkarawane“ dokumentiert. „Step Across The Border“ spielt zwar auch an verschiedensten über die ganze Welt verstreute Orte (New York, Tokyo, Schottland, Leipzig fallen mir jetzt spontan ein), ist allerdings kein Werk, das man als Dokumentar- oder Experimentalfilm abtun kann. In den eineinhalb Kinostunden sieht man Fred Frith mit den verschiedensten Leuten musizieren, man hört Statements von ihm, aber z.B. auch von Arto Lindsay. So mancher gibt in der U-Bahn Philosophisches zum besten, die Butterfly-Theorie wird erklärt oder ein Märchen wird von drei verschiedenen Menschen simultan erzählt. Immerwieder tauchen Fortbewegungsmittel wie Zug, U-Bahn, Auto oder Motorrad auf, man scheint ständig unterwegs zu sein. Brücken, Häuser, Felder und vieles mehr zieht vorbei. Und zwischendurch kann man Fred Frith von seinen verschiedensten Seiten sehen. Zum einen als wild improvisierenden Freistilmusiker und zum anderen als ruhigen Interviewpartner oder als den netten Onkel, der mit einem kleinen Kind und einer Harmonika spielt. Und wenn er mit seinen abgehackten Bewegungen den Dirigenten mimt, wird es sogar witzig. Oder: Fred Frith kauft in einem Supermarkt Haushaltswaren, Erbsen und ähnliches Zeug ein – anschließend sehen wir ihn wie er mit den eben eingekauften Dingen in der Küche seine homemade Tischgitarre bearbeitet…..
Die Musik, die in diesem Film als Soundtrack verwendet wurde, ist zu einem großen Teil von bereits erschienenen Fred Frith-Platten her bekannt. Allerdings sind auf der DoLP/CD teilweise Versionen, wie sie im Film nicht zu hören sind. Und wenn mich nicht alles täuscht, gibt es den auf dem Soundtrack-Album enthaltenen, titelgebenden Song („The Border“ von Skeleton Crew) garnicht im Film zu hören. Hervorzuheben sind zwei schöne Songs, bei denen Fred Frith seine Finger ziemlich heraushielt. Nämlich „After Dinner“ mit Haco (Piano und Stimme) und „Morning Song“ von Iva Bittova und Pavel Fajt. Ansonsten hört man viel Musik mit Frith solo sowie Bands oder Projekten wie Massacre, Skeleton Crew bzw. mit Musikern z.B. von Zamla usw. usf. Der interessierte Hörer kann in einem ausführlichen Beiblatt mit Discographie und Besetzungslisten der einzelnen Songs selbst das Gewirr der Frith‘schen Kollaborationen erforschen. Und als Einstieg in die nicht nur improvisierte Welt des Herren Frith ist diese DoLP/CD wunderbar geeignet. Abwechslungsreiche 70 Vinyl- bzw. 85 Filmminuten werden auf jeden Fall geboten. Freilich nichts für ’normale‘ Musik- und Filmkonsumer. Aber auch nicht nur ausschließlich für Fans!
(Der Soundtrack erschien bei Recommended Records Schweiz und sollte über EFA in jedem guten Laden erhältlich sein. In Deutschland kann man ihn via Mailorder auch bei Recommended No Man’s Land, Dominikanergasse 7, Postfach 110449, D-8700 Würzburg bestellen).
Guido Zimmermann,
1991
Dieser Text wurde zuerst im Oktober 1991 in Ausgabe 16 des 10.16 Megazine veröffentlicht und beim Digitalisieren am 19.01.2012 nur leicht editiert.
Der Film erschien 2003 bei Winter & Winter auf DVD (mit 12 Bonus Tracks).
Der Soundtrack wurde 2002 in Form einer CD auf Fred Records / ReR Megacorp wiederveröffentlicht.