Archive for the ‘Musikindustrie’ Category

Ode an den Schallplattenladentag

April 21, 2012

Oh, Record Store Day /  Du gehst mir jetzt schon auf die Nerven / Du Valentinstag der Erdöl verarbeitenden Industrie / Du Nichtsnutz / presst Musik in knisterndes Vinyl / in limitierten Ausgaben / das neue Album von Jack White / in Form einer Testpressung als Hauptgewinn / da wollte wohl einer / seinen Müll entsorgen / oh Fetisch / geh weiter / lass mich bloß in Ruhe / ich möchte Musik hören / und keine gülden glänzende Sonderauflage / von ach so rarem Material / das  ein paar Tage später / sowieso zur Veröffentlichung ansteht / geh weiter / laß mich in Ruhe / Du Ausgeburt der Erdöl verarbeitenden Industrie

Bildnis Alfred Hilsberg

Dezember 6, 2011

Fundstück aus der Zeitschrift ELASTE Nr. 10 August/September 1984:
Die Mitglieder der Band Freiwillige Selbstkontrolle interpretieren ein von Michaela Melián gemaltes Portrait des ZickZack-Label-Machers Alfred Hilsberg.

Herausgeber von ELASTE war u.a. Michael Reinboth, der später Compost Records gründete.

Hier das Ganze auch als PDF:
Bildnis Alfred Hisberg

Nazi-Bilder in Teilen von Europa

April 6, 2011

Das ist schon ein Dreck mit diesem Youtube in Germany. Da klickt man sich von einem Video zu einem ähnlichen Track und dann erscheint wiedermal so eine Meldung wie „Dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar. Learn more…“. Oh ja, mehr lernen klingt gut! Schnell mal den Link klicken und sich schlau machen. Aber wer ernsthaft Hintergründe erfahren möchte, wird enttäuscht. Statt einer interessanten Abhandlung des deutschen Urheberrechts und der bescheuerten Organisationen, die dieses zu verteidigen glauben, erscheint nur folgender Text:

Ha ha ha, klar, „Nazi-Bilder“ … „in Teilen von Europa“ … zum Totlachen. Tolles, sehr einleuchtendes Beispiel!

Dabei geht es doch eher um überholte bürokratische Organisationen, die sich dazu auserkoren fühlen, kreative Leistungen verwerten zu müssen, sich dabei aber so quer stellen, dass kostenlos gestreamte Kreationen nicht mehr zugänglich gemacht werden. Richtige Musikfans werden durch solche Kanäle wie YouTube vielleicht auf die dumme Idee gebracht, Musik zu kaufen, in welcher Darreichungsform auch immer. Aber das möchte man natürlich nicht ansprechen, und dass die letzten verbleibenden Plattenfirmen ebenso wie die Gema sich somit ihr eigenes Grab noch tiefer schaufeln, kann man natürlich nicht in so einem „Learn more“-Text darlegen. Stattdessen schwafelt man am Ende lieber etwas von Nazis in Teilen Europas. Nazis sind böse. Das versteht doch jeder.

Noch zwei, drei mehr oder weniger passende Videos.

Sid der Liedermacher hat zu diesem Thema ein herrliches Lied geschrieben:

Mutter und Die Eigene Gesellschaft haben verstanden
(man beachte dies ersten drei Sekunden):

Und Der Plan hat seine eigene Philosphie zum Thema Copyright:


Kein Echo für Christiane

März 24, 2011

Christiane Rösinger und Andreas Spechtl im Publikum beim Echo 2011

Hiermit möchte ich Frau Christiane Rösinger recht herzlich dazu gratulieren, keinen der Echo-Musikpreise 2011 gewonnen zu haben. Sie war zusammen mit Fritz Kalkbrenner, Pantha Du Prince, Kristof Schreuf und Tocotronic in der Kategorie Kritikerpreis nominiert.

In dieses kommerziell orientierte Echo-Umfeld passen ihre Lieder einfach nicht rein. Was diese Dauerwerbesendung von Brainpool, EMI, Sony und Universal auf der Frequenz eines öffentlich-rechtlichen Senders zu suchen hat, ist mir einfach schleierhaft. Okay, Annette Humpe hat einen Preis für ihr Lebenswerk durchaus verdient. Sympathische Frau! Aber der Rest der nominierten „Künstler“ ist wirklich deprimierend. Ich möchte keine Namen nennen. Und diese aus Hamburg stammende Moderatorin habe ich eh gefressen, warum schreit die immer nur so rum? Peinlich! Und wenn sich dann auch noch Bands – echt total witzig, ey – bei Take That oder Vattenfall bedanken, bedanke auch ich mich und kann diese debile Unterhaltungsindustrie noch weniger ertragen als vorher. Also gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar gar nicht.

Danke, Christiane, für’s Nichtgewinnen!
Ist besser so.

ausmusik

April 27, 2010

Im September 2007, pünktlich zur Popkomm und ein Jahr nach dem 15-jährigen Jubiläum, verkündete Wolfgang Petters überraschend das Ende von Hausmusik. Umsatzrückgang. Verluste insbesondere im Ausland. Geordneter Rückzug aus dem Musikgeschäft. Immerhin kein Konkurs. Petters wird zukünftig als Meister der Elektrotechnik den Lebensunterhalt für sich und seine Familie bestreiten (genaueres kann im Netz nachgelesen werden). So ein Mist!

Zuletzt trat Hausmusik vorwiegend als Vertrieb auf. Aber eigentlich haben wir Hausmusik nicht als solchen kennengelernt, sondern als Label aus der Provinz, welches zusammen mit Kollaps und Payola die Welt verbesserte.

So ungefähr im Jahr 1991 fing alles damit an, als Wolfgang Petters von der Idee besessen war, eine Platte veröffentlichen zu wollen.  Dazu hatte er verschiedenste Leute in der Gegend von Weilheim und Landsberg am Lech angehauen. So entstand aus diesem Umfeld, dieser Szene, wasauchimmer, der erste Hausmusik-Sampler – eine Platte auf der diese Musiker in den unterschiedlichsten Konstellationen zu hören sind (diese Kompilation ist vergriffen – kann mir wer eine Kopie auf Kassette zukommen lassen?). Hier war noch 4-Spur-Low-Fi chic, Mario Thaler und seine Uphon-Studios kamen erst später ins Spiel. Den gleichen Leute scheint es zudem Spaß gemacht zu haben, auch die Cover in Eigenregie zu drucken und zu basteln. Auch der Zündfunk wurde auf diese Weilheimer Szene aufmerksam  und übertrug sogar ein Live-Konzert aus der Provinz ins ganze Bayernland.

Trotzdem bin ich erst so richtig auf den Geschmack gekommen, als ich A MILLION MERCIES, also Wolfgang Petters himself solo, live im Würzburger Immerhin gesehen habe. Und dann war da noch diese Vorgruppe beim Notwist-Konzert im AKW, die mir sogar noch besser als die Hauptband gefallen hat – FRED IS DEAD. „Angst vor“ hieß damals deren aktuelle LP. Sympathische Menschen machen sympathische Musik. Und erklären uns in einem Popsong, was Adolf Hitler oder Johnny Cash mit Landsberg am Lech zu tun haben. Und solche Sachen. Schöner und bessere hausgemachte Pop-Musik gab es damals für mich kaum.

Auf gut durchorganisierten Hausmusik-Festivals in Landsberg am Lech und später dann in München konnte man der Entstehung von heute immer noch populären Bands wie dem TIED AND TICKLED TRIO, LALI PUNA oder MS. JOHN SODA  zuschauen (in all diesen drei Bands wirkt mindestens ein Acher-Bruder mit). Auch wenn diese nicht zwingend auf dem Hausmusik-Label veröffentlichten, gehören sie doch irgendwie zur Hausmusik-Familie. Andere Bands wie SUBATOMIC, TELECONDUCTOR oder ALLES WIE GROSS sind längst Geschichte.

Angenehm war auch immer die Nähe zur Comic-Szene. So erschien so manche Jimmy Draht-Ausgabe in Kombination mit Hausmusik-Samplern.

So war auch der letzte, im Jahr 2006 erschienene Hausmusik-Sampler mit dem Titel „You Can‘t Alway Listen To Hausmusik But…“, eine Kombination aus Texten, Zeichnungen und Musik – in Form von zwei Langspielplatten und einen Büchlein, verpackt in einem Klapp-Cover aus stabiler Graupappe. Hier wird noch einmal das musikalische Spektrum von Hausmusik deutlich, das sich irgendwo zwischen Country, Tex Mex, Pop, Folk, Rock, Experiment und elektronischer Musik bewegt. Für jeden der 16 Song mußten sich zwei Formationen zusammen tun. Somit treffen hier Indie-Größen wie CALEXICO, die auf Hausmusik noch unter dem Namen SPOKE ihre erste LP veröffentlicht haben, auf THE NOTWIST, aber auch solch Urgesteine wie die wunderbaren VILLAGE OF SAVOONGA auf fragile Neuentdeckungen wie SQUARES ON BOTH SIDES. Freunde aus Norwegen (DEAF CENTER), Großbritannien (Blurt-Mastermind TED MILTON) oder Australien (SODASTREAM) sind genauso dabei wie Bands von Exil-Bayern, die es nach Berlin verschlagen hat (JERSEY). Und Musiker, die nicht der Weilheimer Ursuppe entstammen (z.B. CARLO FASHION) sind genauso mit von der Partie, wie solche, die bereits auf dem allerersten Hausmusik-Sampler vertreten waren (BROKEN RADIO). Und so weiter und so fort. Für diese Artenvielfalt muß man dankbar sein!

Anmerkung vom 27.04.2010:
Wolfgang Petters betreibt seit geraumer Zeit zusammen  mit einem Companion in München den Laden Hausmunik (Pariser Str. 22), eine kleine Cafe-Bar, in der man auch Platten und Klamotten kaufen kann. Siehe oben stehendes Foto!

(Wiederveröffentlichung; geschrieben im Dezember 2007 für Bad Alchemy)

Kassette sich wer kann!

April 22, 2010

Frank Apunkt Schneider:
Als die Welt noch unterging – Von Punk zu NDW
(Ventil Verlag, 2007, ISBN 3-931555-88-7)

Endlich komme ich dazu, dieses Buch zu lesen. Dessen Autor Frank Apunkt Schneider begegnete mir erstmals vor etlichen Jahren im Fanzine Der kosmische Penis als „King-Crimson-Ironiker“, dann als Mitglied der Ernst Neger Revival Band (ihr Hit: „Frauen über 30“) und der Künstlergruppe Winkelwurst sowie als Sacro-Pop-Experte, Lashcore-Cassetten-Compiler und Hörspielautor. Später schrieb er lieber für renommierte Fachmagazine wie Bad Alchemy und natürlich Testcard. Kunst macht er heutzutage unter der Wiener Dachmarke Monochrom. Er lebt, arbeitet und organisiert im oberfränkischen Bamberg.

Bei Testcard und Monochrom ist es ja durchaus üblich, als Fan an die Sachen ranzugehen, aber diese möglichst akademisch zu behandeln – oder umgekehrt. Wozu hat man schließlich irgendetwas geisteswissenschaftliches studiert?! Bei „Als die Welt noch unterging“ bekommt Apunkt aber noch ganz gut die Kurve, hier wird zwar auch manchmal wortreich diskursiert, aber der Musikfan dominiert dann doch. Eine eindeutige Definition dieser NDW kann und will Schneider nicht liefern. Vielmehr zeigt er, wie es zu diesem Begriff kam und dass es ihn womöglich auch schon vor Alfred Hilsberg gab. Um das Thema einzugrenzen schaut er nur bis etwa 1984 – Frank Apunkt Schneider war in diesem Jahr erst 15. Er bezeichnet sich selbst als „knapp Zuspätgekommener“. Was seiner Sammelwut und Sachkenntnis aber offensichtlich keinen Abbruch tut. Diese, wenn auch kurze, Distanz zum Thema tut dem Buch gut, man kann hier gottseidank keine nostalgisch verklärten Anekdoten eines ex-Mittendringewesenen lesen. Vielmehr versucht Schneider das Phänomen Punk und NDW in deutschsprachigen Landen (Österreich, Schweiz und die DDR werden ebenfalls angeschnitten) von verschiedensten Seiten her einzugrenzen. Was garnicht so einfach ist. Denn die Ränder fransen aus, sind unscharf und keineswegs eindeutig. Daher sei ihm auch verziehen, wenn Frank Apunkt in allgemeine, nicht nur für Deutschland spezifische Aspekte dieser Musikgeschichte abdriftet. Interessant ist das auf jeden Fall, auch wenn er manchmal dann doch ins Akademische verfällt und stellenweise vielleicht etwas zu viel Adorno und Horkheimer geraucht hat. Allerdings landet er während seinen Abschweifungen aber auch Seitenhiebe, die man lachend begrüßen muss. Das Schwurbeln hat er also nicht verlernt und seine Wortneuschöpfungen sind amüsant bis erstaunlich. Irgendwie ist genau dieses Diskursive das Schöne an Alcos Buch. Es wird abgeklopft was vorher, nachher, parallel so alles passierte. Und er wagt sich in den unübersichtlichen Untergrund der damaligen bundesdeutschen Kassettenszene. Diese wurde wohl in noch keinem anderen Buch über Punk und NDW so ausführlich gewürdigt. Auch wird hier die Provinz besser repräsentiert als in manch anderen Büchern zum Thema. Meist wird deutscher New Wave ja als Bewegung aus Düsseldorf, Westberlin, Hamburg und vielleicht noch Hannover und Hagen abgefeiert. Aber dass insbesondere in einzelnen Kleinstädten ein Urwuchs an Bands und Kassettentätern wucherte, wird meist vernachlässigt. Frank Apunkt Schneider versucht dies auch in der umfangreichen Disko- und Kassettografie abzubilden – was für eine Fleißarbeit! Offensichtlich hat er ein Herz für Sammler und berücksichtigt sogar die ein oder andere Phantomplatte, die zwar in der Primär-Literatur auftaucht, aber sich wohl nie materialisiert hat. Insgesamt sehr interessante, aber nicht gerade einfache Lektüre. Eher etwas für Fans der untergründigen Neuen Welle, für Leute, die es genau wissen wollen, und weniger für ich-will-spaßige NDW-Partygänger.

21.04.2010

Die zukünftige Entwicklung der Musikindustrie

April 14, 2010

Hier nun ein Text nicht von mir sondern von Edi Roger!
Dieser Artikel entstand 1989/90, also in einer Zeit vor Durchbruch von CD-R und Internet! Trotzdem interessant, was Edi hier schrieb. Vor allem sein Fazit am Ende des Textes kann man immernoch als gültig erachten.

Text: Edi Roger
aus: 10.16 Megazine XIII, erschienen Anfang 1990
(reissued without kind permission of Edition Roger, Westberlin)