Eben im Spam-Ordner meines Postfachs entdeckt – die Betreffzeilen von sieben ungelesen gelöschter Mails ergeben eine ziemlich dadaistisch-konkrete Poesie:
lumg
aahx
kjeb
uwga
clgj
Does she love you?
Laut vorlesen!
Alexandra Tobor – Sitzen vier Polen im Auto
Teutonische Abenteuer
(Taschenbuch, Ullstein, 2012)
So richtig schön werden sogenannte soziale Netzwerke erst, wenn sie ins Echtleben (RL) übergreifen, wenn man den Menschen, die hinter den Avataren stecken, plötzlich über den Weg läuft – oder sich deren Werke materialisieren, beispielsweise als Bilder oder Bücher. Die allseits bekannte Twitterin @silenttiffy aka Alexandra Tobor (* 1981), Urheberin des Begriffs „Öpve“, hat nun ihr erstes Buch veröffentlich, in dem sie ihren sogenannten Migrationshintergrund (seltsames Wort, btw.) verarbeitet. Das verwundert nicht, schließlich hat sie auch schon mal einen Text zum Thema Heimat in einer Broschüre der Wiesbadener Designagentur Stijlroyal veröffentlicht.
Tobor erzählt in ihrem Buch die Geschichte eines 8-jährigen Mädchens, das mit ihrer Familie von Polen nach Westdeutschland ausreist, ausgerechnet kurz bevor der Eiserne Vorhang fällt. Für Leute wie mich, die in Deutschland geboren wurden, ist der neugierig-naive Blick eines ausländischen Kindes sehr interessant. Was hier allgegenwärtig war, hatte dort fast schon Kultstatus. Und wie es so in einem Übergangslager seinerzeit zuging wußte ich auch nicht wirklich. Alexandra Tobor hat das alles erlebt und weiß darüber durchaus amüsant zu erzählen. Schließlich geht es ja nicht nur ums Aus- und Einwandern, sondern auch ums Aufwachsen, um Schule, Freunde und Freundinnen. Und natürlich um die resolute Oma Greta, die gegen Ende einen filmreifen Auftritt bei ihrer überraschenden Ankunft im Übergangsheim ihrer Nachkommen hat.
Das alles beschreibt Alexandra Tobor in einer wunderbar zu lesenden, schnörkelfreien, präzisen Sprache, die einen einfach im Lesefluß hält. Die Geschichte endet so ungefähr mit der Erstkommunion der Ich-Erzählerin, die zufälligerweise den Vornamen der Autorin trägt. So manches mag also irgendwie autobiographisch sein, aber letzten Endes wird es doch ein fiktionales Destillat darstellen.
Schade, daß hier nichts aus pubertären Phasen berichtet wird. Vielleicht wäre es in Richtung „Autobigophonie“ von Françoise Cactus (Lolitas, Stereo Total, Wollita) gegangen. Aber das wäre reine Spekulation.
Auf Soundcloud gibt es die ersten beiden Kapitel übrigens als „Hörspiel-Teaser“. Anhören!
Ach, und hier hat Daniel Decker die Autorin ausgefragt:
www.kotzendes-einhorn.de
PS:
Bitte nicht vom Buchtitel abschrecken lassen, der klingt wie die ersten Worte eines schlechten Witzes. Das hat wohl der Verlag verbrochen.
GZ,
26.06.2012
Lebenslauf
Frank Weghardt, ein Porträt des Malers, Komponisten und Poeten.
Übersetzt aus dem Französischen von Robert Weber.
Erschienen in der Monatsschrift »Liberte d‘ Artiste« 1/90
1902 wird Frank Weghardt im Mecklemburgischen Naurach als Sohn des wohlhabenden Kaufmanns Victor F. Weghardt, der sich durch gewagte Spekulationen im Ausland saniert hatte, von seiner Mutter, Maria C. W. Weghardt, geborene Franzenmayer, im Landhospital zu Naurach geboren.
Es muß eine schwere Geburt gewesen sein, denn man entschloß sich verzweifelt, den zu dieser Zeit kaum erprobten Kaiserschnitt anzuwenden. Die erfolgreiche Durchführung der Operation, durch die in dieser Hinsicht völlig ungeübten Ärzte, soll diesen eine Flasche besten französischen Champagners wert gewesen sein.
In dem Zeitraum zwischen 1914 und 1918 trifft die Weghardt’s ein schwerer Schlag: Der Vater, als überzeugter Monarchist mit Begeisterung freiwillig in den Krieg gezogen, gilt als verschollen und wohl tot.
Die Mutter verkauft das Geschäft und zieht mit ihren Söhnen Frank und Franz, der 1906 geboren wurde, nach Berlin. Sie eröffnet dort einen kleinen Kolonialwarenladen, der einige Jahre ein einträgliches Auskommen bietet.
1928 geht, im Zuge der allgemein schlechten Lage der Weltwirtschaft, auch Maria Weghardt’s Laden bankrott. Nun gibt es für Frank kein Halten mehr, er, der auf dem Lande aufgewachsen war und im Grunde seines Herzens immer ein Provinzialist geblieben ist, wendet sich ab von dem seiner Meinung nach »Roten« Berlin und geht nach Bayern, wo er sich in Erding niederläßt.
Die derzeitigen kommunistischen Unruhen beunruhigen den bis auf die Knochen monarchistisch eingestellten Weghardt. Die Rettung des Deutschen Kaiserreiches sieht er allein in der erstarkenden Bewegung der Nationalsozialisten, denen er sich, als diese 1933 endgültig die Macht ergreifen, auch anschließt.
In den Wirren des Zweiten Weltkrieges, in welchem Weghardt aktiv als Infanterist teilnimmt, gerät er 1945 in russische Kriegsgefangenschaft. Hier trifft er wie durch ein Wunder seinen Bruder Franz wieder, der Betrübliches zu berichten hat: Die Mutter sei, so habe er erfahren, zwischen 1939 und 1945 verstorben. Wo sie begraben liege, wisse man nicht.
Diese schlimme Nachricht erschütterte das durch den Krieg keineswegs angegriffene, gesunde Weltempfinden des inzwischen 43jährigen Frank Weghardt bis ins Mark. Die Schuld für sein Unglück gibt er den Kommunisten.
1947 wird Weghardt aus der Gefangenschaft entlassen, muß aber verbittert feststellen, daß er seinen Bruder an die kommunistische Ideologie verloren hat. Dieser möchte in der Sowjetunion bleiben, um am Aufbau einer neuen Weltordnung mitzuwirken.
Weghardt zerreißt alle familiären Bande zwischen sich und seinem Bruder und läßt sich in dem Städtchen Ödheim am Rhein nieder, wo er alsbald eine deutschstämmige Amerikanerin — Elisabeth Hullner — kennenlernt und heiratet.
1949 startet Weghardt eine kurze politische Karriere: Er wird in Ödheim zum Gemeinderat gewählt, wohl aufgrund seines — als Kriegsteilnehmer und Kriegsgefangener — Status des heimgekehrten Helden. In dieser Position vertritt Weghardt die Interessen der CDU, der er unverzüglich nach seiner Rückkehr aus der Sowjetunion beigetreten ist.
Als Weghardt 1954 diesen Posten wieder verliert, zieht er sich in bürgerliche Gemächlichkeit zurück und zeugt 1963 seine Tochter Annemarie.
1968 erwacht Frank Weghardt aus seinem politischen Winterschlaf und schließt sich, aufgerüttelt durch die Studentenunruhen, die ihm zwar nicht gefallen aber doch imponieren, der SPD an, für die er einen Wahlkampf lang aktiv als Plakatierer tätig ist.
1974 gelangt er durch einige Versicherungsbetrügereien und Urkundenfälschungen wieder zu Wohlstand und beschließt, sein Domizil in Frankreich aufzuschlagen. Er kauft sich bei Nimes ein kleines Häuschen, das er im Herbst 1975 bezieht, ohne dabei jedoch seine Deutsche Staatsbürgerschaft aufzugeben.
1982 machen sich erste Anzeichen der Alzheimerschen Krankheit bemerkbar. Die Auswirkungen dieser furchtbaren Krankheit setzt Weghardt in den darauffolgenden Jahren geschickt in künstlerische Produktivität um.
Seine Malereien finden 1985 in Nimes, 1988 in Straßbourgh und 1989 in Ochsenfurt bescheidene Anerkennung. 1989 ist auch das Jahr, in dem sich Weghardt endlich mit seinem Bruder aussöhnt, der seinerseits, inzwischen enttäuscht vom Kommunismus, diesem den Rücken gekehrt hat.
Frank Weghardt wird in diesem Jahr 88 Jahre alt.
Aus dem Tagebuch des Frank Weghardt
Ich hatte die Heimorgel abgestaubt und bei der Gelegenheit wieder einmal betätigt, was mir viel Spaß bereitete und ich spielte allerhand Kleinigkeiten, die ich mir selbst ausdachte. Das erste Stück hieß Orgelcountdown und bestand aus einem einzigen Ton. Wenn es schon nur ein Ton ist, dachte ich mir, sollte man ihn zumindest auf abwechslungsreiche Weise mit Pausen versehen. Die Abstände zwischen den Pausen müßten dann immer kürzer werden, damit die Spannung, die in einem solchen Countdown steckt, hörbar wird. So spielte ich den einen Ton und zählte bis elf, dann die Pause und den gleichen Ton um eine Oktave höher eine viertel Note lang. Ab hier gings da capo, aber ich zählte beim zweiten Mal nur bis zehn, dann bis neun usw., bis die Abstände zwischen den Pausen Null betrugen. Sind die Abstände zwischen den Pausen Null, so folgt Pause auf Pause, was eine große Dauerpause ergibt, die nie aufhört, sofern man nicht, wie wir es bevorzugten, das Lied vor der Dauerpause beendeten, damit es nicht zu langweilig wird.
Am nächsten Tag fiel mir ein, daß ich heute ein Stück mit zwei Tönen versuchen könnte. Auch der Rhythmus sollte dann aus zwei unterschiedlichen Bums bestehen, die sich abwechseln. So schlug diesmal der Nachbar nicht nur bum-bum auf die Trommel, sondern um-bum-bum, während ich den ersten Ton zwei Takte lang hielt, um den zweiten im staccato anzuhängen. Meine Frau klatschte dazu in die Hände oder ließ Messer und Gabeln auf den Boden fallen. Mit dem Lied hörten wir erst auf, als wir keine Lust mehr hatten, und bis dahin verging eine Weile.
Meine Frau war übrigens sehr begabt darin mit dem Küchengeschirr zu klappern und den Rhythmus mit den großen Topfdeckeln zu bereichern. Bei meinem schönsten Orgelstück, das wir Frühling nannten, verstand sie es sehr virtuos den Takt zu schlagen. Darüberhinaus waren es viele Stücke, bei denen sie triangelte, wofür sie wirklich Talent besaß.
Als wir den Versuch unternahmen meine Kompositionen mit dem Diktaphon, das seit meinem Ausscheiden aus dem Gemeinderat unbenutzt im Wohnzimmerschrank stand, aufzuzeichnen, entdeckte ich beim Abhören der alten Bänder etliche Anzüglichkeiten, die ich mir der Sekretärin gegenüber erlaubt hatte. Leider hatte sie nie darauf reagiert, obwohl sie ein hübsches Ding war und alleinstehend dazu. Dummerweise bemerkte ich nicht, wie meine Frau ins Zimmer trat und mithörte, als meine mal mehr und mal weniger charmanten Komplimente aus dem Diktaphon erklangen. Es war natürlich kein Wunder, daß die Enthüllung dieser Tondokumente den Haussegen schief hängen ließ. Meine Frau zwang mich, sämtliche Bänder vorzuspielen und da kam einiges zu Tage, was mir recht unangenehm war.
Meine Frau meinte, es sei nicht nur eine Frechheit, was ich dieser Sekretärin ins Ohr geflüstert hätte, sondern sie wäre auch entsetzt über den Ton meiner Geschäftsbriefe. Ihr Stolz, die Frau eines Gemeinderates zu sein, verkehre sich im Nachhinein zu Scham darüber, daß ich Sätze wie ». . . der Erweiterung ihrer Firmenanlagen steht nichts weiter im Weg, als eine Handvoll assoziales Gesindel, für die wir schon lange einen Grund suchen, sie loszuwerden . . .« von mir gegeben hatte. Da nützten meine Erklärungen, im Sinne des Bürgermeisters gehandelt zu haben, auch nichts mehr. Aber da meine Frau eine gute Seele ist, währte ihr Ärger nicht lange und wir konnten mit den Aufnahmen beginnen. Allerdings schlug sie diesmal etwas fester auf die Kochtöpfe, was dem Stück »Die junge Bundeswehr« gut bekam.
Wenn es ums Trommeln ging, ließ meine Frau jedoch immer unserem Nachbarn den Vortritt, obwohl der ja nur ein Bein und eine Hand richtig benutzen kann, wegen seiner Kriegsverletzung. Aber er meinte, ich sei auch kein guter Orgelspieler, denn wenn ich es wäre, solle ich beim Gottesdienst spielen, damit der Pfarrer nicht soviel Scherereien mit den auswärtigen Organisten habe. Ich antwortete, daß ich schon sehr gut an der Orgel sei, aber gleichzeitig sehr schlecht in Kirchenmusik, weil Kirchenmusik für alle Hände auf einmal ist. Meine eigenen Stücke, vor allem die mit nur einem oder zwei Tönen beherrsche ich perfekt und zum Teil sogar rückwärts, was die Kirchenorganisten mit ihren Liedern bestimmt nicht hinkriegen. Mit der Erklärung war der Nachbar nicht zufrieden, aber das Trommeln machte ihm trotzdem Spaß. Leider waren ihm viele Takte zu kompliziert. Mein Schwiegersohn kam mit seinem Saxophon und wir sollten ihn begleiten, als er eine Melodie im 3/4-Takt spielte. Der Nachbar schaffte es nicht, und ich mußte auch erst eine Weile üben, denn wenn man das Orgelspielen mit Märschen und Polkas gelernt hat, ist so ein 3/4-Takt recht ungewohnt und bedarf größter Konzentration.
Der Schwiegersohn hatte noch eine andere schöne Idee, bei der wir sehr ausgelassen musizierten, nämlich das Lied »Frank beim Zahnarzt«. Zu der Zeit tat mein einer Zahn schrecklich weh, wenn er mit süßen Sachen zusammentraf. Dann jammerte ich, und zwar so ähnlich wie bei »Frank beim Zahnarzt«. Allerdings jammerte ich beim musizieren durch den Corpus des Saxophons hindurch, was sich sehr nach Weltraum anhörte. Nach Weltraum zu klingen fanden wir alle schön und mußten an den Nikolaus denken, wie er mit dem Schlitten durchs All saust.
Gerne hätte ich manchmal noch mehr gesungen, doch meine Frau meinte, ich solle das erst einmal üben, wenn sie nicht da ist. Weil sie fast immer daheim ist, kann ich also nie üben, oder zumindest nur selten. Darum wird es vielleicht noch ein paar Jahre dauern, bis es soweit ist. Hoffentlich kann dann der Nachbar auch ein bißchen mehr als sein bum-bum.
Die oben dokumentierten Texte stammen, ebenso wie die beiden Abbildungen, vom Textblatt zur 7″EP „Weber & Schuster spielen FRANK WEGHARDT – Kompositionen für einen, zwei oder mehrere Töne“ (MultiPop, 1990), das im Original so aussieht:
Edi Rogers Review dieser Schallplatte für das 10.16 Megazine kann man hier lesen: bum-bum
Seit kurzem kümmert sich das Akkordeon Salon Orchester (feat. Ralf Schuster) um die Musik des mittlerweile verstorbenen Komponisten. In diesem Video sind sogar Schmalfilme aus dessen Nachlaß zu sehen (ab Minute 8:28):
„Warum ist das Akkordeon Salon Orchester so wie es ist? Vier Lieder mit Erläuterung!“
Mayonnaise und Fanta – Milchmischerzeugnis
(EP, Download, 2011)
Soso, da haben sich also zwei Twitterer zusammengetan und heute ein paar kurze Lieder komponiert und anschließend ohne Umschweife irgendwo hochgeladen. Hinter dem – im positiven Sinne – bescheuerten Bandnamen Mayonnaise Und Fanta stecken Matthias und Heiner alias @mlampin und @taskbeenden.
Matthias twittert als „musikalische Einflüsse: Foyer des Arts, und natürlich HGich.T“. In der Tat erinnert der erste Track etwas an die Band mit Max Goldt, allerdings elektronischer. Der zweite Song „Schraubenhannes“ ist eine Abrechnung mit dem heimatlichen Schützenfest und klingt noch mehr nach Elektro. Das ist leider nicht so mein Fall – genausowenig wie die trashige Kunstkacke von HGicht.T. Der Text ist hier interessanter als die Musik. „Wir reden uns tot“ gefällt mir da wesentlich besser. Vielleicht wegen der lustigen Sounds und dem aus dem Alltag gegriffenen, absurd aneinander gereihten Text.
Bin gespannt was von den beiden noch so kommen wird…
PS: Vor zwanzig Minuten wurde noch das partiell billig-technoide Stück „Schinken Falten“ mit gruselig-sphärischem Mittelteil und munterem Ende hochgeladen.
Selber hören und auf Festplatte löten dank Klangwolke:
soundcloud.com/mayonnaise-und-fanta
Jan-Uwe Fitz:
Entschuldigen Sie meine Störung – Ein Wahnsinnsroman
(DuMont Buchverlag, ISBN 9783832161477)
Im April 2011 debütierte uns der berühmte Twitterer @vergraemer mit seinem ersten Buch.
Der Titel verrät fast schon alles: „Entschuldigen Sie meine Störung – Ein Wahnsinnsroman“. Meist in Form von Gesprächsprotokollen, Dialogen oder belauschten Selbstgesprächen werden die psychischen Verhaltensauffälligkeiten eines gewisser Jan-Uwe Fitz erzählt, der vor allem unter Menschenangst leidet. So erfährt man unter anderem von einer Wanderbaustelle, die ihm folgt, von ausgepufften Strategien eine Party schnell wieder zu verlassen und wie man sich in eine Privatklink einschleicht. Das wird mit einem Wortwitz beschrieben, der die Verhältnisse ins abstuse und absurde überführt. Irgendwie kommt mir dieses Werk wie das Manuskript zu mehreren gespielten Witzen vor, deren nicht vorhandene Pointen ins Leere laufen. Das ist kühl! Obwohl es während dieses „Wahnsinnsromans“ sogar ein Mordopfer gibt, bleibt dieses Buch bemerkenswert unspannend.
Und irgendwie weiss ich nun auch nicht, was ich von diesem Dingsbums halten soll. Es hat mir auf jeden Fall ein paar unterhaltsame Stunden beschert. Easy reading.
Ein herzliches Dankeschön jedenfalls geht an Herrn Fitz für die Verwendung des Wortes „hanebüchen“!
Ronz – Fetzen
(Ronz / Books on Demand, ISBN 978-3-8370-6946-4)
Keine Ahnung, wer dieser Ronz ist bzw. wer sich hinter diesem Pseudonym versteckt. Ich vermute, dass er in Südwestdeutschland lebt und arbeitet. Er twittert häufig, betreibt einen Blog und hat in Eigenregie ein Buch veröffentlicht, das man sich bei einem dafür bekannten Dienstleister bei Bedarf für wenig Geld drucken lassen kann. Ronz probiert in diesem Sammelband verschiedenste Möglichkeiten aus, verbindet gerne auch Wort und Grafik. Alles in Schwarzweiß. Dabei entstehen u.a. die sogenannten Lyrigramme, in denen Ronz versucht, komplexe Gedankengänge einfach darzustellen. Alle seine Texte sind mehr oder weniger kurz, manchmal rätselhaft, hässlich oder auch schön, die Zusammenstellung varianten- und abwechslungsreich. Lauter kleine Fetzen eben! „Fragen Fragen“ in Twitter-Kürze, Romananfänge oder die Diagramme zu den verschiedensten „Spielarten des Lebens“ und die Grafik-Serie „Kunst“ ziehen sich durch das Buch, dazwischen findet sich lyrisches und prosaisches. Sogar ein Drehbuch für ein kurzes Video befindet sich darunter. Und es wird auch mit Dialekthaftem und Kfz-Kennzeichen-Kollagen experimentiert. Keine lockere Lektüre, aber das Dechiffrieren der komprimierten Textbildschöpfungen macht durchaus Spaß – auch wenn ich nicht alles verstehe. Ab und zu musste ich sogar lachen.
23.03.2010
Michaela von Aichberger aka @frauenfuss:
Ich male meine Follower Vernissage Nummero 4,
Hamburg, 27.02.2010
(Vorneweg: Eigentlich hatte ich gar keine große Lust, über diese Veranstaltung etwas zu schreiben. Vernissagen sind nicht so mein Ding. Aber irgendwie kam es dann doch dazu. Hier wird kein Namedropping stattfinden – ich mag das nicht.)
Dass wir es hier nicht mit einer Untergrundkünstlerin zu tun haben, war schon bei der Wahl der Örtlichkeit dieser Ausstellungseröffnung klar. Statt in dem vermutlich wesentlich kleineren Ladengeschäft in Eppendorf, in der die eigentliche Ausstellung stattfindet, wurde diese Vernissage im Hamburger Stilwerk abgehalten. Für ein paar Stunden. Was für ein organisatorischer Irrsinn! Aber der Andrang war gross, die Massnahme somit gerechtfertigt. Dennoch fand ich diesen versnobten Kommerz des Stilwerks hinter gediegener Hamburger Kaufmannsfassade als Umfeld für eine solche Vernissage etwas abschreckend. Ein autonomes Kulturzentrum wäre wohl ebenso seltsam gewesen. Der Raum im fünften Stock war dann aber eher neutral und die Stellwände grau bis weiss. An diesen hingen in voluminösen Rahmen Notizbücher, in die Michaela von Aichberger Zeichnungen ihrer Verfolger bei Twitter gemalt hat. Schöne illustrative Werke. Selten in voller Farbigkeit, manche sogar nur schwarz-weiss oder mit bluttriefenden Akzenten.
Michaela muss man einfach mögen (Ich würde sie sofort heiraten. Aber sie hat ja schon den Michael). An ihr ist nichts gekünstelt. Sie macht einfach ihr Ding. Sie schreckt nicht vor Kooperationen mit Versandhäusern und Modeblogs zurück (ich könnte das wahrscheinlich nicht). Sie ist anscheinend relativ unvoreingenommen und geht offen auf die Menschen, die sie „nur“ über soziale Netzwerke kennengelernt hat, zu. Und sie malt und malt und malt und malt ihre Follower. An diesem Tag auch live. Und jeder darf sich geehrt fühlen, den sie zu Papier bringt. Denn sie ist schon sowas wie ein bunter Hund in dieser bundesdeutschen Twitterwelt. Wer kennt sie nicht?
Und somit ist so eine Veranstaltung eine gute Gelegenheit, die Nasen, die man nur unter Pseudonymen und von komischen Bildchen her kennt, auch mal in echt zu sehen. Sehr interessant. Da gibt es Leute, die man sofort auch in Wirklichkeit sympathisch findet, andere huschen schnell weiter oder sind einfach nicht greifbar. Mit anderen geht man anschließend ein Bierchen trinken.
Ein Programmpunkt dieser Vernissage war auch eine Twitterer-Lesung. Dummerweise gab es nur einen einzigen Raum, so dass das Publikum im vorderen Bereich Probleme hatte, den vortragenden Künstlern zu folgen. Der erste war von meinem Standpunkt aus relativ gut zu hören. Dem Blogger Nummer Vier könnte ich schon nicht mehr so recht folgen. Zuviel Rhabarber Rhabarber Rhabarber. Die Stargästin des Abends sagte aufgrund dieser widrigen Umstände ihr Vorlesen ab. Schade! Aber durchaus verständlich. Lesungen im Rahmenprogramm benötigen offensichtlich einen abgetrennten, intimeren Bereich.
Danke, Michaela, für diesen erhellenden Abend!
Heimseite von @frauenfuss:
ich-male-meine-follower.de