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Best of 2010

Dezember 8, 2010

Schon komisch, irgendwie kann ich heuer garnicht so eindeutig DIE BESTEN Alben des Jahres ausmachen. Es gab zwar neue Alben von alten Bekannten, die mir viel Freude bereiten, aber herausragend war vielleicht nur die Neuerscheinung von Mutter.

Einer meiner Lieblingsplatten des Jahres 2010 ist eine Compilation aus dem Jahr 2004, die mir Meve geschenkt hat. Auf „Lemme Take You To The Beach“ werden von verschiedenen Bands Zappa-Stücke im Surf Sound gecovert – u.a. von The Thurston Lava Tube, einer Band aus Leicester mit Leuten von Deep Freeze Mice. Diese Compilation hatte zur Folge, dass ich für mich insbesondere den frühen Frank Zappa (wieder) entdeckt habe. Hört Euch mal seine Sachen aus den Sixties an. Freak out!

Leider gab es 2010 auch den Tod meines Onkels Heiner sowie von Ingeborg Schober, Martin Büsser, Christoph Schlingensief und Don van Vliet zu beklagen. R.I.P.

Alben

Console – Herself
Die Aeronauten – Hallo Leidenschaft!
Kat Frankie – The Dance Of A Stranger Heart
Katze – Du bist meine Freunde
Mutter – Singen Trinken Schießen
Christiane Rösinger  –  Songs Of L. And Hate
Stereo Total – Baby Ouh!

… und ausser Konkurrenz:
Various – Lemme Take You To The Beach (2004)

EPs

Daniel Decker – Enklave
Oval – Oh

Schönste Cover-Version

First Fatal Kiss – Moderne Welt
(im Original von Freiwillige Selbstkontrolle / F.S.K.)

Youtube-Fundstück

Frank Zappa & The Mothers Of Invention – King Kong (live BBC 1968)
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4

Medienkunststück

Michaela Melián – Memory Loops
www.memoryloops.net

Konzerte

Daniel Decker
(am 27.11.2010 privat in der Küche von Tobias und Stephanie, Hamburg)
Kitty, Daisy & Lewis
(14.08.2010, Dockville, Hamburg)
Quok
(14.11.2010, Rote Flora, Hamburg)
Weasel Walter/Sheik Anorak/Mario Rechtern Trio
(19.04.2010, Hafenklang, Hamburg)

Buch

Wolfgang Müller – Valeska Gert: Ästhetik der Präsenzen

Trauer

Martin Büsser (Fanzine-Schreiber, 12.02.1968  – 23.09.2010)
Christoph Schlingensief (Filmemacher, 24.10.1960 – 21.08. 2010)
Ingeborg Schober (Musikjournalistin, 1947 – 10.06.2010)
Don van Vliet aka Captain Beefheart (Musiker, 15.01.1941  17.12.2010)

(Liste erstellt am 08./17./31.12.2010)

Mein Reeperbahnfestival 2010

September 27, 2010

Various Artists: Reeperbahnfestival 2010
Hamburg, 23.-25.09.2010

Das Reeperbahnfestival wird auch immer größer. In diesem Jahr sind einige neue Veranstaltungsorte hinzugekommen, vom Striptease-Lokal bis zur Kirche. Ungefähr 188 Bands an drei Tagen, was für ein Irrsinn! Aber perfekt, wenn man neue Musik entdecken will, man muss halt von Ort zu Ort hoppen. Aber sensationell neues gibt es hier nicht. Ernsthafte Experimente darf man nicht erwarten. Singer-Songwriter gab es wie Sand am Meer und auffallend viele nordeuropäische Musiker. Dort scheint die Musikförderung anders zu funktionieren als hierzulande.

Im Imperial Theater waren in der Kulisse zu einem Edgar Wallace-Stück (vermute ich mal), in gediegender Atmosphäre, Künstler wie Caitlin Rose (sympathisch entspannte Country-Songs), Ólöf Arnalds (netter nordisch Folk) oder Kat Frankie zu hören, die mit ihrer Band einen für Festivalverhältnisse recht ausführlichen und sehr überzeugenden Gig zum Besten gaben. Immer wieder wechselte sie und ihre Mitmusiker die Instrumente, so war vom Klang her immer für Abwechslung gesorgt.

In der kleinen Hasenschaukel hatte ich nur einmal die Ehre Gast sein zu dürfen. Der Kanadier Woodpigeon, ein Mann an der akustischen Gitarre, der sich seine musikalische Begleitung gerne live Schicht für Schicht zusammen samplete (nichts ungewöhnliches mehr, Petula beispielsweise, ein Alleinunterhalter mit E-Gitarre, machte das nebenan im Silber ebenfalls –  und viele mehr). Nur beim letzten Lied, einem „american folk song“, der sich als Daniel Johnston-Cover-Version entpuppte, halfen ihm Freunde an Drums und Singender Säge.

Die zum Molotow gehörende Meanie Bar war diesmal ebenfalls Austragungsort verschiedenster Konzerte. Die High Quality Girls schafften es mit ihrer trashigen Musik, die Bar angenehm leer zu spielen. Normalerweise war sie ruckzuck überfüllt. Verpaßt habe ich hier Torpedo, aber was ich am Ende ihres Sets zufällig hören durfte, hat gut krautgerockt. In diesem  Rahmen bemerkenswert war die Instrumentierung von Parfum Brutal: Cello, Sängerin mit Geige, E-Piano und ein Schlagzeuger, der auch  mal eine Decke übers Schlagzeug warf um den Klang zu dämpfen. Soetwas sieht man im Pop eher selten. Popmusik mit kammermusikalischen Mitteln und womöglich jazzigem Background, sehr erfrischend.

Auch im Cafe vom Beatlemania, dem privaten Hamburger Beatles-Museum, gab es Konzerte. Die Betonwände sind jetzt nicht so gemütlich. Aber hier hat Lydia Daher mit Band ihre neue, im Oktober bei Trikont Records erscheinende Platte vorgestellt. Ihr Debut-Album hatte sie ja im Alleingang eingespielt. Nun ist die mit einem Schlagzeuger und einem Bassisten unterwegs und präsentiert ihre textlastigen, deutschsprachigen Songs. Sie selbst spielt Gitarre (für Linkshänder – das paßt gut ins Beatles-Museum) und singt, klar und schnörkellos sind die Gitarrenriffs und Basslinien. Sympathische Angelegenheit!

Natürlich gab es auch große Namen auf diesem Festival. Edwyn Collins beispielsweise zeigte, dass er immernoch gute Popmusik macht. Und Chilly Gonzales überzeugte am Klavier solo, sehr unterhaltsam und mit Schalk im Nacken, bevor sein Film „Ivory Tower“ Deutschland-Premiere hatte.

So ungefähr war das bei mir.

 

Mein Dockville Festival 2010

August 16, 2010

Various Artists:
Dockville Festival, Hamburg, 13.-15. August 2010

Drei Tage Dockville haben mir in Erinnerung gerufen, dass ich Festivals tendenziell doof finde. Zuviele Leute auf einen Fleck. Und dann dieses Publikum, das nur das sehen und hören will, was eh gerade in aller Munde ist, und Moshpits dort aufmacht, wo sowieso kein Platz ist. Und dann muss man erstmal hinkommen auf dieses mit Altlasten verseuchte Brachgelände, das einem als Hafenromantik schöngeredet wird, aber trotzdem häßliches Industriegebiet bleibt. Aber was will man machen, wenn einzelne Bands nur auf diesem Festival zu sehen sind?

Die für mich interessantesten Bands spielten eher nachmittags oder am frühen Abend. Somit habe ich am Freitag gleich mal JA, PANIK und SOPHIE HUNGER verpaßt – zum einen weil ich noch arbeiten, und zum anderen weil ich noch ewig anstehen mußte, bis ich mein Ticket in ein lila Armbändchen umtauschen konnte (ungefähr so lange, wie das Pärchen vor mir benötigte um eine Flasche Weißwein zu leeren). Somit war der Freitag für mich nur Gelegenheit um das Gelände zu sondieren. Für Shantel und Wir Sind Helden interessiere ich mich wirklich nicht. Und die Tochter von Sting (I Blame Coco) war eher etwas zum Schulterzucken.

Samstagnachmittags dann KITTY, DAISY & LEWIS. Drei Londoner Teenager machen Musik, die tausendmal älter ist als sie selbst und lassen sich dabei von einem Gitarristen und einer Kontrabassistin begleiten, die ihre Mutter oder ihr Opa sein könnten. Extrem altmodisch gekleidet spielen sie Rock‘n‘Roll, Blues, Hillbilly, aber auch Ska – in einem Sound, der als authentisch für die damalige Zeit durchgehen könnte. Dabei wechseln sich die drei an Keyboards, Gitarre und kleinem Schlagzeug ab, bringen mit Mundharmonika, Lap Steel Guitar und Percussion weitere Klangfarben mit ins abwechlungsreiche Spiel. Großartig! Und dann war da am Ende während der finalen Vorstellungsrunde noch das längste rhythmische Mundharmonika-Solo, das ich jemals erleben durfte.

Wenn man schon mal da ist, kann man sich ja auch BONAPARTE anschau‘n. „Too Much“ war schließlich mal ein ganz lustiges Lied. Aber lange habe ich es dort nicht ausgehalten. Ihre Kostüme waren zwar ganz nett, aber ihre Rockmusik war trotzdem für mich vollkommen uninteressant.

Sonntags habe ich MUTTER leider nur teilweise sehen können. Ich hatte die Rechnung ohne das Radrennen in der Innenstadt gemacht. Gegen 16 Uhr also diese Berliner Band um Max Müller, mit ihrer schwerwiegenden Musik, tiefbassgeerdet, feedbackumschwebt, ernsthaft betextet. Eine Schande, dass relativ wenige Leute den Weg zu Mutter gewagt haben. Die Band war gut, aber ich hätte sie mir lieber nachts in einem Club angehört. Und ursprünglich sollten sie ja auch im Hafenklang spielen.

Von GUSTAV gibt es nicht viel neues zu berichten, außer dass sie zusammen mit ihrer zweiköpfigen Begleitband einfach wiedermal ein wunderbares Konzert gegeben hat. Ihre humorvolle Ernsthaftigkeit muss man einfach mögen! Ein neues Lied hatte sie im Gepäck, ihrer Meinung nach der „wohl erste deutschsprachige Gentrifizierungs-Song“. Ob da das Schwabinggrad Ballett nicht schon früher war mit ihrer „Business Punk City“? Trotz deutlicher Schwangerschaft rockte sie das Haus und brachte das Publikum dazu, bei einem Rage Against The Machine-Cover brav „mitzuarbeiten“. <38

The Drums aus New York waren dann so eine Gitarrenband, wie man sie immer wieder mal als Hype serviert bekommt. Auf der Bühne zwei Gitarren, Schlagzeug und Gesang. Aber man konnte auch Bass und mehr hören. War wohl Halbplayback. Aber den Kindern hat‘s gefallen, sie gingen gut ab. Der eine Gitarrist konnte echt gut Pirouetten drehen. Und der Sänger war eh ein Poser.

Ein wunderbarer Abschluss war für mich HALLOGALLO 2010. Michael Rother (Electronics, Gitarre) spielte zusammen mit Steve Shelley (Sonic Youth, Drums) und Aaron Mullan (Tall Firs, Bass) Musik seiner alten 70er-Jahre Krautrockband NEU!. Das war aber kein Geschichtsunterricht und auch kein Revival. Das war einfach hypnotische Instrumentalmusik, die trotz einsetzendem Gewitterregen faszinierte.

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Rechterns Anorak weaselt

April 20, 2010

Weasel Walter / Sheik Anorak / Mario Rechtern Trio
(live im Hafenklang, Hamburg, am 19.04.2010)

Gestern war Weasel Walter (Schlagzeug) zusammen mit Sheik Anorak (Gitarre) und Mario Rechtern (Reeds) zu Gast im Hamburger Hafenklang. Weasel Walter war früher mit den Flying Luttenbachers heftig unterwegs, hat sich aber später immer mehr dem Jazz und dessen improviesierten Varianten zugewendet. So war er auch im letzten Jahr mit Mary Halvorson und Peter Evans in Deutschland auf Tour.

Die aktuelle Trio-Variante scheint mir zwischen diesen beiden Polen zu liegen. Vielleicht sogar noch etwas flyingluttenbacherischer. Die Herren legten jedenfalls einen energiereiche Sets hin. Wunderbare Katharsis! Sich stetig wandelnder Free Jazz. So richtig erstaunt hat mich dann vor allem der Bläser in diesem Trio. Mario Rechtern spielte Saxophonen und Klarinetten in verschiedenster Größe und Tonlage. Er hatte an seinem Mikrophon eine Platte montiert für irgendwelche klangbeeinflussende Zwecke und Effektgeräte hinterhergeschaltet. Erweiterte Techniken hatte er auch drauf. Eines seiner Instrumente hat er derart zum Wolpertinger umgebaut, dass es eine undefinierbare Mischung aus Blas-, Streich- und Perkussionsinstrument hergab. Ein Saxophon mit aufmontiertem Griffbrett und Saiten, manchmal beidhändig gespielt mit zwei Geigenbögen, das hat man noch nicht so oft gesehen. Um ehrlich zu sein: ich noch garnicht.

Schön fand ich auch die Momente, in denen Weasel Walter einfach nur hinter seinem Schlagzeug sitzt, seinen Mitmusikern zuhört und sich ausdenkt, wie er wann wieder mit einsteigt. Der Gitarrist hat am Ende dann nochmal so solistisch die Sau rausgelassen (spätestens bei der Zugabe) und dann war‘s das. Wunderbar!