Posts Tagged ‘Art Rock’

Freakshow: YOU CAN DANCE!

Februar 4, 2015
Foto: Monika Baus / artrockpics.com

Foto: Monika Baus / artrockpics.com

uKanDanZ, live at Cafe Cairo, Würzburg, 29.01.2015

„Jump to Addis: Europe Meets Ethiopia“ war die implizite Botschaft der denkwürdigen Freakshow ‎am 29.01.2015 im Würzburger Cairo. Und die explizite: „uKanDanZ“, sprich YOU CAN DANCE! Ihr oberster Botschafter ist Asnaqé Guèbrèyès aus der Kaffeeprovinz Sidamo, dessen Weg ihn als Trommler des blinden Sängers Mohammed „Jimmy“ Mohammed letztlich nach Lyon führte, wo er seit vier Jahren mit uKanDanZ ‚Ethniopian Crunch‘ anstimmt, Musik, wie er sie von The Ex und Zu kennengelernt hat. Dass es die Band nun auf dem Weg von Genf nach Kopenhagen in die Hauptstadt Freakaniens verschlug, hat gleich zwei Gründe, nämlich Benoit Lecomte (von Ni) am E-Bass und vor allem Guilhem Meier (von Poil) an den Drums. Freakischer als Poil geht’s kaum. Dazu röhrt und schwitzt Lionel Martin am Tenorsax, und Damien Cluzel (von Man Bites Dog und Kouma), der Guèbrèyès schon 2001 auf einem Sprung nach Addis Abeba begegnet war, cruncht harsche Gitarrenriffs.

Denkwürdig machte diesen Abend aber nicht die Musik allein, sondern das Publikum. Eingeladen waren nämlich jugendliche Flüchtlinge vom Horn von Afrika, um ihnen diesen Abend und diese Musik (inklusive einem Freigetränk) zu schenken. Und sie kamen. Aus der ganzen Umgebung, mit ihren Betreuer/innen von der Caritas/Don Bosco etwa und anderen Einrichtungen, dutzendweise Teenager, meistens Jungs, die anfangs zwischen schüchtern und cool schwanken. Unbekanntes muss beschnuppert, Bekannte müssen begrüßt werden. Was für ein Gewusel. Mit der nicht alltäglichen Situation gilt es erst mal klar zu kommen und mit der Crunchiness der Musik erst mal warm zu werden. Aber uKanDanZ heizt ein, so sehr, dass Lecomte, Meier und Martin bald die Oberkörper frei machen, um des Schweißes Herr zu werden. Auch Guèbrèyès kommt mit dem Wischen kaum mehr nach. Ein Timbre wie seines, das gibt es nur in Afrika, und seine Texte klingeln dem einen oder andern der jungen Hüpfer dann doch in den Ohren. Es wird gezuckt, es wird getanzt. Zu einer eigenwilligen Mixtur aus äthiopischen Liedern und europäischem Zunder, Jazzcore, Hardrock, ROCK’N’ROLL! Afrofunky as hell, und immer wieder auch mit Gefühlsüberschwang! Guèbrèyès gibt alles. Hört doch nur, wie er bei ‚Lantchi Biyé‘ mit ‚meckerndem‘ Vibrato großes Pathos inszeniert, wie er bei ‚Belomi benna‘ wie ein Esel i-at. Immer wieder fordert er dann auch mit rhythmisch wiederholten Rufen Resonanz ein. Doch erst als er sich ‚unters Volk‘ mischt, gibt es kein Halten mehr. Ein Kesser springt nun umgekehrt zu ihm auf die Bühne, um mit ihm zu shaken und sich mit Küsschen zu bedanken. Und der nächste tut’s ihm nach und posiert für die Freunde und die paar Girls, die es zu beeindrucken gilt. Wenn Multikulti immer so scheitert, dann bitte: Zugabe! Und die gibt es, bis zur Erschöpfung der Musiker, die einem ein wenig leid tun können. Alle feiern, nur sie müssen arbeiten. Danach gibt es noch ein bisschen kollektives Aftershow-Geschwofe zu rastasoftem Reggae. Einer sagt hinterher: Sowas gibt es sonst nur beim Sport – flache Hierarchien, organische Autorität und die spielerische Integration der kleinen Unterschiede. War das jetzt ein Beispiel für Freak-Politik? Jedenfalls war es ein Beispiel für: Tue Gutes und rede nicht groß drüber. Dem Würzburger Bürgersinn, der sich ja allmontäglich und nicht erst gegen die dumpfen Pegida-Parolen als aufgeweckt erwiesen hat, entspricht diese Freakshow jedenfalls in ihrer inoffiziellen Selbstverständlichkeit ganz gut. Ohne populistische Abstriche zu machen. Wem abendländische Kultur ein Anliegen ist, sollte, bei allem Respekt vor dem gut Gemeinten, die Ansprüche doch bitte etwas höher schrauben als auf Kaisermania- oder Grölemeyer-Niveau. Es muss ja nicht immer Charly sein, ein Je suis Asnaqé und Je suis Guilhem genügt vollkommen.

Rigobert Dittmann,
Bad Alchemy 84

Foto: Monika Baus,
artrockpics.com

Gute Luft

Dezember 17, 2011

Palais Schaumburg live
(Golden Pudel Club, Hamburg, 16.12.2011)

Das hätte ich ja nicht gedacht, daß ich jemals Palais Schaumburg live erleben würde. Und dann auch noch in der Besetzung ihrer ersten Langspielplatte aus dem Jahr 1981, einem Klassiker der Moderne, produziert von David Cunningham (The Flying Lizards). Mit Ralf Hertwig am Schlagzeug und Timo Blunck am Bass (und manchmal auch am elektrischen Upright Bass) hat diese New Wave Band eine hervorragende Rhythmus-Gruppe. Thomas Fehlmann ist für die Elektronik bzw. Synthesizer und die mit Effekten behandelte Trompete zuständig, während Holger Hiller singt, nicht immer Gitarre spielt und ab und zu den Korg erklingen läßt.

Nach 30 Jahren ist dies das erste Konzert von Palais Schaumburg. Zuletzt haben sie wohl in der Hamburger Markthalle gespielt (erzählte Holger Hiller in einer seiner wenigen Ansagen). Nun absolvieren die vier Herren den ersten von zwei mehr oder weniger inoffiziellen Warm-up Gigs im kleinen Golden Pudel Club, unweit vom ehemaligen Hafenklang Studio, in dem sie ihre ersten Singles für das ZickZack-Label aufgenommen haben. Am 30.12.2011 spielt Palais Schaumburg dann ein großes Reunion-Konzert in Berlin.

Aufgeführt wurde fast das komplette Debut-Album, alle ZickZack-Singles und auch der Beitrag zum Sampler „Lieber zuviel als zu wenig“. Trotzdem kamen mir zwei, drei Stücke nicht so bekannt vor (man kann ja nicht alles kennen).  Auch „Herzmuskel“ wurde dargeboten, ein Stück von Holger Hiller solo bzw. Träneninvasion (und geschrieben von Chris Lunch). Live klang das teilweise fast besser als auf Platte, insbesondere den ganz frühen Sachen taten die elektronisch verbesserten Bässe gut. Sehr selten hatte ich den Eindruck, daß die Musiker ihre alten Songs noch nicht so recht auf der Kette hatten. Aber das ist mehr als verzeihbar nach 30 Jahren Bühnen-Abstinenz. Gegen Ende wurde Palais Schaumburg immer lockerer und besser. Fast hätten die Leute angefangen zu tanzen – wäre nur etwas mehr Platz im naturgemäß ausverkauften Etablissement gewesen (ein paar haben natürlich getanzt). Dabei wäre Bewegung die einzige Antwort auf diese hackigen Grooves gewesen. Und irgendwie kam mir das garnicht mehr so sehr nach Post Punk New Wave (und sowieso nicht nach Neue Deutsche Welle oder gar NDW) vor, sondern machte mir eher den Eindruck von zeitloser Musik,  manchmal sogar Jazz (Kontrabass, Trompete und seltene Freak Outs) oder Art Rock (Gitarren-Sounds). Nostalgische Gefühle kamen bei mir nicht auf. Das war damals ebenso authentisch wie heute. Und dafür liebe ich diese Formation.

Hinweis: Freakshow Artrock Festival 2010

August 26, 2010

Freakshow Artrock Festival
25. September 2010
Posthalle, Bahnhofsplatz 2, 97070 Würzburg

Einlass: 12 Uhr
Konzertbeginn: 13 Uhr
Konzertende: 21 Uhr

Verdammt, am 25. September 2010 findet in meiner Heimatstadt Würzburg wiedermal ein Freakshow Artrock Festival statt und ich kann nicht hin. Das ist ärgerlich, denn es spielen drei fantastische Bands:

SLEEPYTIME GORILLA MUSEUM
www.myspace.com/sleepytimegorillamuseum

MAGMA
www.myspace.com/magmaofficial

ARANIS feat. Dave Kerman
www.myspace.com/aranis

Die Konzertzeiten sind ein bißchen ungwöhnlich, aber ich rate dringend, da schon mittags hinzugehen.

SLEEPY TIME GORILLA MUSEUM bewegen sich vom Recommended Records-geprägtem Artrock ausgehend im Pilgerschritt auf die Einstürzenden Neubauten zu. Naja, zumindest verwenden sie selbstgebaute, metallische Perkussionsgeräte.

ARANIS zeigt, dass es auch eine kammermusikalische Möglichkeit innerhalb des Art Rock gibt.

Und wer nach 40 Jahren MAGMA diese faszinierende, französische Ikone des Art Rock noch nicht live gesehen hat, sollte dies unbedingt tun!

Weitere Infos via:
artrock-festival.de