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In Interview: The Milkshakes

März 5, 2012

Am 12. April 1984 spielten THE MILKSHAKES aus England wiedermal im [Jugendzentrum] Falkenhof in Würzburg. Dieses Konzert war inzwischen schon ihr fünftes in Würzburg (1x Kulturkeller, 1x Omnibus, 3x Falkenhof) und endlich haben wir es gewagt, so schüchtern wie wir sind, ein Interview (oder sowas) mit ihnen zu machen. Trotz mäßigen Englischkenntnissen und unleserlichen Notizen nun das langersehnte Interview mit THE MILKSHAKES:

Oi Oi Oi!:
Wer sind die MILKSHAKES?

The Milkshakes:
Die MILKSHAKES sind Billy [Childish], Bruce [Brand] (beide Ex-POP RIVETS), John [Gewen] und Micky [Hampshire]. Ursprünglich waren die POP RIVETS und THE MILKSHAKES zwei voneinander unabhängige Bands, aber seit 3-4 Jahren machen wir zusammen als THE MILKSHAKES weiter.

O: Wie würdet ihr eure Musik bezeichnen?

M: Rock’n’Roll, Acid Punk, Cycle Motobilly, Rhythm’n’Beat.

O: Spielt ihr die Musik eurer Väter?

M: Einige unserer Songs sind von unseren Vätern, aber die meisten Titel haben wir selbst geschrieben.

O: Wollt ihr mit euren Texten etwas sagen?

M: Eigentlich weniger. Meistens geht’s um Frauen, um Autos und ums sich zulaufen Iassen.

O: Welche Musik hört ihr so?

M: Nur gute Musik aus den 50er, 60er und 70er Jahren, weniger aus den 80er. Vor allem halt alte Songs.

O: Was haltet ihr von Gruppen wie SOFT CELL oder DEPECHE MODE?

M: Fucking creeps!

O: Und was haltet ihr von SHAKING STEVENS?

M: Bruce ist sein Sohn! Außerdem war Bruce Sessiondrummer bei NENA’s „99 Red Ballons“.

O: Warum nennt ihr euch eigentlich THE MILKSHAKES?

M: Als wir mal durch irgendeine Straße gingen, kamen uns 6 (oder 122) Schwarze entgegen und sagten zu uns „Ab sofort nennt ihr euch THE MILKSHAKES!“.

O: Warum veröffentlicht ihr eure Platten auf einem unabhängigen Label?

M: Wir wollen nicht, dass uns irgendeiner sagt, was wir spielen sollen und wieviel Platten wir im Jahr aufnehmen müssen. Wir sind froh, dass wir ein unabhängiges Label gefunden haben und machen was wir wollen.

O: Wie fühlt Ihr euch auf der Bühne?

M: Besoffen. Einfach zuviel Bier. Während unserer Auftritte trinken wir meistens zwei Flaschen Whiskey und etliche Biers.

O: Wer kommt denn so zu euren Auftritten?

M: Total verschiedene Leute. Teds, Punks, normale Leute. Auch ältere, die diese Musik gehört haben, als sie noch jung waren, in den frühen 60er Jahren. Ich würde sagen, wir haben ein Publikum im Alter zwischen 14 und 40. Nur die 12jährigen Mädchen kommen meistens nicht, weil ihre Großmütter sie vor uns einsperren müssen.

O: Wie steht ihr zu eurem Publikum?

M: They pay, we bless them!

O: Um was geht’s euch bei euren Auftritten?

M: Vor allem ums Feeling! – Aber vom Feeling kriegt man kein Geld!

O: Seid ihr berühmt?

M: Weniger. Wir nehmen selbst auf und verkaufen unsere Platten in der ganzen Welt. Wir spielen halt und machen Platten. Bis jetzt gibt’s von uns vielleicht 30.000 – 40.000 Platten. Am 1.2.1984 haben wir ja vier LPs an einem Tag herausgebracht, die wir alle in ein paar Wochen aufgenommen haben. Insgesamt haben wir jetzt 8 LPs in drei Jahren herausgebracht und zwei Singles.

O: Könnt ihr von eurer Musik leben oder arbeitet ihr auch?

M: Von der Musik können wir nicht leben. John hat seine Arbeit aufgegeben, als wir nach Deutschland gingen. Bruce hat noch einen Job als Kellner in ner Bar. Der Rest lebt von der Wohlfahrt.

O: Welche Zahnpasta benutzt ihr?

M: Keine, weil wir sowieso so nach Bier stinken, dass es egal ist.

O: Was haltet ihr vom deutschen Bier?

M: Davon kann man Fässer saufen ohne dass man besoffen wird!

O: Könnt ihr eigentlich auch Deutsch?

M: Nein, aber Bruce spricht ein bißchen Deutsch.

Bruce: Dummkopf! Doof!

O: Was erlebt Ihr so auf Euren Trips durch Europa?

M: Ja, wir sind illegal über die DDR-Grenze gefahren, als wir nach Berlin fuhren. Dabei hat sich Gary (ihr Roady) den Arm gebrochen.

Gary: Micky lügt wie gedruckt

O: Stimmt das?

Micky: Ja, stimmt!
(hä?)

O: Was habt ihr so für Lieblingsausdrücke?

M: ‚Get out of your milk!‘, ‚Fucking shit!‘, ‚Where’s the whiskey?‘, ‚Where are the 12-year-old girls?‘, ‚Shaggy wiggy, ‚Knick Knock‘.

O: Und was heißt ‚Shaggy wiggy‘ oder ‚Knick knock‘?

M: Keine Ahnung. Haben wir gerade erst erfunden! Vielleicht was anderes für Fuck.

Nachdem uns dann keine Fragen mehr einfielen und uns die MILKSHAKES auch nicht mehr mit anderen Fragen weiterhelfen könnten, bestiegen sie irgendwann die Bühne und begannen zu spielen. Ihr erster Titel: „Let’s rock“. Ein guter Einstieg, denn THE MILKSHAKES rockten und rollten ziemlich los.
Ihre Musik: eben Rhythm’n’Beat, so wie er Anfang der 60er gespielt wurde. Manchmal hört man auch alte Songs von BO DIDDLEY, KINKS oder den BEATLES, die von den MILKSHAKES allerdings schneller und härter als im Original gespielt werden. Fetz, fetz. Rock, rock.
Kurz vor Ende ihres Konzertes brachten sie noch ein paar krönende, lustige, kurze Showeinlagen: Micky, Billy und John, die Gitarren/Bass in MP-Haltung gehen wie Tiger auf die Mädels los und schauen ihnen tief in die Augen, oder so. Nach etlichem Alk und zwei Zugaben („I wanna be your man“ und ein Instrumental, verließen die 4 MILKSHAKES dann fluchtartig den Saal. Im großen und ganzen ein absolut gutes Konzert! Beste Beatmusik von vier lustigen Engländern. Also, wenn THE MILKSHAKES das nächste Mal irgendwo spielen, nichts wie hin!

lym/del.toid/dom
(heißen Dank an DHT-project und einen Gruß an Hansi [Steinmetz]!)

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Dieser Text stammt aus dem 4. Heft des Würzburger Fanzines Oi Oi Oi! (später 10.15 bzw. 10.16 Megazine), erschienen im Juli 1984.

Hemmungslos

Februar 17, 2012

Die Aeronauten – Too Big To Fail
(DoCD/DoLP/DL, Rookie/Ritchie Records/Broken Silence, 2012)
und live im Hafenklang, Hamburg, 16.02.2012

Gestern waren Die Aeronauten wiedermal in der Stadt und haben den Hafenklang gerockt und hatten auch ihre neue Platte im Gepäck. Erschienen ist diese bereits am 3. Februar 2012, genau 20 Jahre nach ihrer ersten Cassetten-Veröffentlichung.

„Too Big To Fail“ ist kein einfacher Tonträger sondern ein Doppel-Album. Angeblich erfüllt sich die Band mit der zweiten Scheibe den Traum eine Instrumental-Platte zu veröffentlichen. Aber da sich so etwas womöglich nicht so gut verkauft, tun sie den Labels den Gefallen und packen noch viele Songs dazu. Zumindest haben sie das so ungefähr letztes Jahr im Schaffhausener Fernsehen erzählt. Dabei bereiteten die Instrumentals der Die Aeronauten schon immer hervorragenden Hörgenuss. Ich denke da nur an die Western-Melodie „Extremadura“ oder an das vermutlich von Billy Childish bzw. The Milkshakes inspirierte „Roter Stern“ (beides auf „Jetzt Musik“, 1997). Eine Instrumental-Platte war also längst überfällig. Auf „Too Big To Fail“ sind so einige mehr als gelungene Lieder ohne Worte zu hören. Da gibt es Stücke, die man gerne in Western-Filme  oder Agenten-Thrillern wiederhören möchte. Und mit „Ärger in Shit City“ gibt es die beste O-Ton-Dialog-aus-Krimi-geklaut-Musik-Kombination seit „Television / Kommissar“ von The Wirtschaftswunder (1980). Vereinzelt geht mit den Die Aeronauten auch der mal soulige, mal funkige oder sogar jazzige Groove durch. Entfernte Assozationen an Mariachi oder gar Klezmer können da durchaus aufkommen. Und „Asino Morto“ erinnert mich von der Klangästhetik her an das, was Olifr M. Guz zusammen mit Die Zorros gemacht hat, nur etwas schöner und mit Bläsern. Und das ist ja das besondere an Die Aeronauten: rockigen Indie-Pop (ich hasse mich für diese Schubladisierung) zu machen, mit guten, teils kulturpessimistischen Texten, herrlichen Gitarrenriffs und so, aber auch mit Saxophon und Trompete. Und alles hat Seele, mit Liebe zum Detail aufgenommen und stellenweise wird auch georgelt.

Produktfoto, Innenansicht, aufgeklappt

Live präsentieren Die Aeronauten nicht allzu viele Instrumental-Stücke, binden diese aber geschickt in ihr Programm ein, das  dem Publikum neben den neuen Songs natürlich auch etliche alte Knaller um die Ohren haut. Da kommt bei 21 Jahren Bandgeschichte so einiges zusammen. Eines der ältesten Stücke dürfte „Sexy Terrorist“ von ihrer ersten Platte gewesen sein, das als Zugabe gespielt wurde. Weil das Publikum es nicht lassen konnte nach „Freundin“ zu verlangen, wurde dieses Lied dann gegen Ende doch gespielt – aber in einem schlageresken Arragement, das mich dank entsprechendem Synthie- und Saxophon-Spiel an Münchner Freiheit erinnert hat. War  das nun humorvoll oder schon selbstironisch?
Auf jeden Fall hatte die sechsköpfige Band ihren Spaß auf der Bühne und began die Show ausgerechnet mit „Das Ende ist nah“ (das ist der Song dessen „Na na na na“-Chorgesang nach „The Night They Drove Old Dixie Down“ klingt). Teile der Band kamen für diesen Song in weißen Gewändern auf die Bühne und ließen sich von UV-Licht optisch aufhellen. Mit den beiden Stücken, die auch auf ihrer Picture-Disc zu hören sind, wurde  der offizielle Teil dieses Konzertes beendet und das Zugaben-Ritual eröffnet. Davon gab es etliche, gefühlt mehr als zehn, irgendwie schien es mir als ob Die Aeronauten gar nicht mehr aufhören wollten. Von wegen das Ende ist nah…

Klasse Konzert, super Scheiben!

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GUZ & Die Averells live im Hafenklang

Februar 26, 2010

(Hamburg, 28.05.2009)

So muss es sein. Genau in dem Moment als ich den sogenannten Goldenen Salon im Hafenklang betrete fängt die Vorgruppe zu rocken an. Drei Frauen aus Sydney namens Brigitte Handley & The Dark Shadows stehen da auf der Bühne und geben punkigen Rock‘n‘Roll mit etwas Gothic Flair zum besten und covern zwischendurch Devo‘s „Freedom of Choice“, was ich fast nur am Text erkannt habe. Power. Geradeaus. Schonmal okay.

Nach einer angenehm kurzen Umbaupause begaben sich GUZ & Die Averells aus der Schweiz auf die Bühne. Neben dem Songwriter Olifr M. Guz (Gesang, Gitarre) stehen diesmal Samuel Hartmann (Bass, Gesang) und Daniel D’Aujourd’hui (Schlagzeug, Gesang) als Die Averells mit auf der Bühne. Die drei kennen sich von Die Aeronauten, sind vielleicht auch privat gute Kumpels und legten zu dritt einen Sound hin, der das aktuelle Album „Mein Name ist Guz“ überproduziert wirken und mich entfernt an Thee Mighty Caesars oder irgendeine andere Band mit Wild Billy Childish denken ließ. Trotzdem vermisste man nichts. Die Songs von GUZ kommen auch so einfach gut. Es wurde fast alles von der eben erwähnten Platte gespielt, aber mindestens ebenso viele alte Stücke und Klassiker wie beispielsweise „Koresh Teed“ oder „Parisienne People“ sowie „Ideotental“ und auch „Krankenhaus“. Zwischen den Songs wurde manchal ausführlich mit den Zuhörern kommuniziert. Dem Publikum und den Fans hat‘s gefallen. Und Musikerkollegen wie Knarf Rellöm konnte man beim Sichzumusikbewegen sehen. Erst nach ungezählten Zugaben ging dieses Konzert zu Ende. Klasse war‘s!

(Wiederveröffentlichung – dieser Text wurde Ende Mai 2009 zusammengekloppt und bereits anderswo in diesem Netz veröffentlicht).