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Gehörlose Musik

Februar 21, 2010

Wolfgang Müller: Gehörlose Musik – Die Tödliche Doris in gebärdensprachlicher Gestaltung
(DVD mit Buch in einer hübschen Schachtel,
Edition Kröthenhayn
, 2006)

Wolfgang Müller ist nicht nur ehemaliges Gründungsmitglied der Westberliner Künstlergruppe Die Tödliche Doris – man könnte ihn auch als deren Nachlassverwalter bezeichnen. Denn diese Band gab es – so will es das Konzept – nur sieben Jahre lang, von 1980 bis 1987. Anfangs nahm ich sie nur als Musikgruppe wahr, erst im Laufe der Zeit entpuppten sich die „Genialen Dilletanten“ von Die Tödliche Doris für mich als Künstler, die auch Filme und Videos fabrizierten und sonstige Ausdrucksmöglichkeiten der bildenen Kunst durchexerzierten. Der Verleger und Vortragsreisende Martin Schmitz kann davon ein Lied singen. Die bei ihm erschienenen Bücher über Die Tödliche Doris sind empfehlenswert.

Bereits in den frühen 1980er Jahren kam Wolfgang Müller in Berlin mit einzelnen Gehörlosen in Berührung, die offensiv mit Hörenden kommunizeren wollten. In einem Super8-Film von Die Tödliche Doris wird bereits 1984 ein tauber Schlagzeuger gezeigt. Dieses Interesse schlug sich 1994 auch in „hörspiel/unerhört“ nieder, einer Produktion für den Bayerischen Rundfunk (zusammen mit Holger Hiller). Ein paar Jahre später, am 27.11.1998, wurde die auf dieser DVD dokumentierte Performance „Gehörlose Musik – Die Tödliche Doris in gebärdensprachlicher Gestaltung“ im Prater der Berliner Volksbühne aufgeführt. Dargeboten werden alle 13 Stücke, die auf der 1981 erschienen Langspielplatte „Die tödliche Doris“ (ZickZack, ZZ 123) veröffentlicht wurden. Wolfgang Müller sitzt ganz links auf der Bühne (ist aber nicht im Bild zu sehen) und bedient den Plattenspieler, während Andrea Schulz und Dina Tabbert, in dunkler Kleidung, Text und Musik gebärden. Das sieht dann weder nach Tanz noch nach Pantomime aus sondern ist eine Sache für sich. Manchmal teilen sich die beiden Dolmetscherinnen scheinbar die textliche und musikalische Ebene. Letzenendes ist diese gebärdensprachlicher Gestaltung nicht nur eine Interpetation sondern vor allem eine Übersetzung in eine andere Sprache – die ich weder verstehe noch beherrsche. Das Material von Die Tödliche Doris erfährt somit eine Transformation in eine andere Welt, die einem Hörenden besonders seltsam vorkommt, wenn man den Ton abstellt.

In einem auf dieser DVD ebenfalls enthaltenen, ca. 15-minütigen Interview erklärt Wolfgang Müller dann noch näheres zu den Hintergründen dieses ungewöhnlichen Unterfangens.

PS:
Noch ein Hinweis für Fans der Hörspiel- und Medienkunst:
Am 11. April 2010 findet auf der Welle von Bayern 2 Radio die Ursendung des neuen Hörspiels von Wolfgang Müller statt: „Learning Mohawk in fifty-five minutes“.