Posts Tagged ‘electronic music’

I Want Music

Juli 25, 2013
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Serviervorschlag

WOOG RIOTS – From Lo-Fi To Disco
(LP/CD, From Lo-Fi To Disco / Broken Silence, lo-fi 002, 2013)

Die Woog Riots haben nun also ihr eigenes Label gegründet, wobei der Titel der ersten Veröffentlichung identisch mit dem Namen ihrer Plattenfirma ist: „From Lo-Fi To Disco“. Dieses Motto beschreibt auch schon den Lebensweg dieser Band: vor fast zehn Jahren wurde noch vorwiegend gitarrengeschrammelt und ein Schlagzeuger engagiert. Heute klingen die Woog Riots elektronischer und kommen ganz gut ohne menschliche Rhythmusgeber aus. Genau das kann man auf dieser hervorragenden Compilation nachvollziehen. Da gibt es alte Single-B-Seiten zu hören und First Takes oder gar Weihnachtsgrüße, die man zuvor nur als Internet-Video sehen konnte. Trotzdem klingt dieses Album homogen, ein klasse Titel führt zum nächsten tollen Song. Und dann covern Marc Herbert und Silvana Battisti auch noch genau solche Lieder, die einem immer schon viel bedeutet haben. „Take The Skinheads Bowling“ von Camper Van Beethoven ist so ein All Time Favourite und auch „Friends Of Mine“ von Adam Green (ex Moldy Peaches) – in der Woog’schen Version mit singender Säge! Offensichtlich hatten die Woog Riots einen guten Draht zu ein paar Anti-Folk-Leuten. Auf deren Platte „Pasp“ taucht bei „Backstage Lemonade“ ja auch Kimya Dawson (ex Moldy Peaches) als Gastsängerin auf. Aber auch international komplett unbekannte Bands werden gecovert. „Uranus“ stammt ursprünglich von der Gruppe mit dem kuriosen Namen The Dass Sägebett (bei der heutzutage auch der bildende Künstler Brandstifter Gitarre spielt) und klingt im Original eher ernst und sperrig – die Woog Riots machen aber einen flotten Electro-Pop-Song daraus und plötzlich klingt auch der Text fast schon etwas albern.

Und dann nennt sich der erste Song auch noch genauso wie Album und Plattenfirma und macht schon in den ersten Sätzen klar, dass es den Woog Riots weder um Ruhm noch um Reichtum geht, sondern um Musik – und zählen dann ihre musikhistorischen Lieblinge und Referenzen auf. Und die können sich sehen lassen, auf jeden Fall in den Ohren von Leute, die in den 1960er Jahren geboren und spätestens in den frühen 80ern mit Post Punk bzw. New Wave sozialisiert wurden und ein Herz für Pop Art haben.

Eine hervorragende Compilation!

(Was nicht verwundert, denn compilieren können die beiden, das haben sie bereits mit „Perverted By Mark E. – A Tribute To The Fall“ bewiesen).

GZ

F.T.B.P.D.N.K.

Februar 16, 2013

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Der Bremer Klangforscher Feine Trinkers bei Pinkels Daheim live am 15. Februar 2013 im N.K., 12059 Berlin Neukölln, Elsenstr. 52, zweites Hinterhaus, zweite Etage.

Prrzzzzl

März 10, 2012

Praying For Oblivion – Facade
(C35, Cipher Productions, sic 54, 2011)

In Zeiten, in denen man Musik quasi immateriell überall und jederzeit auf seine Festplatte abspeichern kann, hat so eine Audio-Cassette noch mehr Fetisch-Charakter als sie sowie schon hat, insbesondere wenn sie auch noch zwischen einer dicken schwarzen Pappe und einem Netzgewebe verpackt und in einer Auflage von nur 50 Stück aufgelegt wird.

Hinter Praying For Oblivion steckt seit 1997 der Amerikaner Andrew Jonathan Seal, der auch mit Tote Stadt unterwegs ist und momentan in Berlin lebt. Auf „Facade“ sind drei Stücke zu hören. Lärmige, dreckige Frequenzwände, prazzelnd, manchmal fies ins Ohr stechend, wie eine Lawine auf den Hörer einstürzend. Stellenweise schälen sich aus diesem Krach Schreie heraus, natürlich bis zur Unkenntlichkeit verfremdet. Der letzte Track namens „Torture Chamber“ erinnert mich weniger an eine Folterkammer als an einen metallverarbeitenden Betrieb, in dem gerade jemand mit der Flex hantiert.

GZ
03.02.2012

(geschrieben für Bad Alchemy 72 / März 2012)

Rigoros

Januar 12, 2012

Bad Alchemy 71
(Fanzine, 84 Seiten, DIN A5, Dezember 2011)

Dieses Fanzine, das auch heute noch in Form eines Heftes hinaus in die weite Welt tritt, gibt es schon seit 1985. Heutzutage ist dies ein „Produkt“ von Rigobert Dittmann (rbd), der sich fast im Alleingang um sehr spezielle Musik kümmert. Was nicht heißt, dass nicht immer wieder auch  Beiträge von befreundeten Schreibern auftauchen, im aktuellen Heft sind dies Michael Beck und Marius Joa.

Im Dezember 2011 erschien die 71. Ausgabe. Und auch hier wird wieder alles besprochen, was im Bad Alchemistischen Kosmos so vorkommt: Art Rock und Art Brut, mehr oder weniger freier Jazz und improvisierte Musik, elektronisches und elektroakustisches, Dröhn und Drone, apokalyptic Folk und imaginäre Folklore, Neue und Alte Musik a.m.o. Dittmann schreckt selbst vor stechenden Sinuswellen oder einer Serenade für Sirenen nicht zurück.
Um etwas Struktur in diese Welt zu bringen ordnet er seine Reviews nach den Labels, auf denen diese Musiken erscheinen, was er dort nicht unterbringen kann versammelt er in Rubriken, die er mit  „…over pop under rock…“, „…nowjazz, plink + plonk…“, „… sounds and scapes in different shapes…“ oder „…beyond the horizon…“ überschreibt. Die ersten Seiten gehören auch hier wieder den Live-Reviews, diesmal wird u.a. vom Freakshow Artrock Festival 2011 in Würzburg berichtet. Etwas ausführlichere Artikel gibt es über das Projekt Elend und über die Echtzeitmusik-Szene Berlin (eigentlich eine Buchbesprechung). Zwischendurch schweift er etwas ab und schwurbelt über den Lebensraummusik, Natur versus Stadtluft.

In seinen Reviews zeigt Rigobert Dittmann Querverbindungen der beteiligten Musiker auf und setzt sie so in einen Kontext, der sonst verborgen bliebe. Man wundert sich, wie rbd in diesem dunklen Wald den Überblick behält. Schließlich werden hier Namen genannt, die ein normaler Musikkonsument nicht mal vom Hörensagen kennt. Fred Frith, Alfred 23 Harth, Jim O‘Rourke, Ryuichi Sakamoto oder Nurse With Wound dürften bekannt sein. Aber wer sind all die anderen zwischen Anektoden und Zerang? Das Gehörte beschreibt und interpretiert er eloquent und nutzt dies ab und zu auch mal für Abscheifungen ins Philosophische, findet aber immer wieder auf fränkischen Erdboden zurück.

In Deutschland fällt mir kein Musik-Magazin ein, das sich um ähnlich abseitige, aber interessante Musik kümmert. Eine etwas größere kleine Schnittmenge hat Bad Alchemy höchstens mit dem britischen The Wire.

Der Umschlag von Bad Alchemy 71 zeigt übrigens das erste Mal in seinem Leben farbige Bilder. Auf der Rückseite ein Portrait der Musikerin Audrey Ginestet, die mit der Band Aquaserge Eindruck auf rbd gemacht hat, und auf dem Frontcover ein Gemälde von Tine Klink. Diese hat auch ein Bild zur akustischen Beilage beigesteuert. Denn für Abonnenten liegt dem Bad Alchemy auch ein Tonträger bei. Diesmal eine Doppel-3“-CD-R in einer DVD-Hülle des Labels Attenuation Circuit, dem im Heft vier Seiten gewidmet werden.

Gegründet wurde Bad Alchemy übrigens im Umfeld des Mailorder-Vertriebes Recommended No Man‘s Land, der zeitweise auch den Plattenladen Atahk in Würzburg betrieb. Anfangs lagen dem Fanzine Cassetten bei, später 7“-Singles und jetzt ausgewählte CD(-R)s.
In einem Interview mit Jochen Kleinhenz geht Rigobert Dittmann in der  Kulturzeitschrift Nummer auf die Gründung näher ein:
www.nummer-zk.de
Hier geht es zum PDF-Download dieser Nummer, der Artikel befindet sich auf Seite 18ff.
Nummer Dreizehn

Benannt wurde Bad Alchemy nach einem Song von Slapp Happy / Henry Cow, enthalten auf der LP „Desperate Straights“, komponiert von Peter Blegvad und John Greaves.

Und hier kann man alte Bad Alchemy Ausgaben kostenlos als PDF-Dateien herunterladen und die Kontaktadresse einsehen:
www.badalchemy.de

Ping – Pong

März 14, 2010

Elbipolis Barockorchester versus Brezel Göring
(live, Kampnagel / kmh, Hamburg, 13.03.2010)

Ja, ich hasse es. Ich mag es einfach nicht, wenn man fast pünktlich zu einem Konzert kommt und dieses dann schon angefangen hat. Okay, wir waren dank unterbesetztem Kantinenpersonal sieben Minuten zu spät. Aber wenn ich auf der Eintrittskarte „21 Uhr“ lese, gehe ich davon aus, dass die Veranstaltung mindestens eine viertel Stunde später beginnt. Alles andere wäre unhöflich! Oder etwa sogenannte Hochkultur?

So verpassten wir dann den Beginn dieser „Barocklounge“ unter dem Motto „Zurück zur Natur“, in der das Elbipolis Barockorchester Kompositionen von Henry Purcell, Anton Schwartzkopff, Alessandro Poglietti, Christoph Graupner sowie Antonio Vivaldi darboten. Die Mitglieder dieses sechsköpfigen Ensembles färbten ihren Wohlklang mit Cembalo, Cello, Viola, Violinen und Blockflöte – während Brezel Göring (auch Mitglied der Berliner Rockband Stereo Total) die dargebotene Barockmusik samplete und in kleinen Häppchen live remixte. In der obligatorischen Konzertpause war sein Pult umlagert von neugierigen Konzertbesuchern, die nur auffallend wenige Geräte, aber keinerlei Notebook entdecken konnten. In den seltensten Fällen kam es zu einer Interaktion zwischen Brezel Göring und dem Elbipolis Barockorchester, leider nur einmal ganz kurz im ersten Teil und bei der ultrakurzen Zugabe – Brezels Meeresrauschen beim „Concerto La Tempesta di Mare“ von Vivaldi nicht mitgerechnet. Es war also eher ein abwechselndes Hinundher. Eine Integration des Elektronikers in die Barockband fand nicht statt. Schade! Ich hätte mir mehr spontane Interaktion zwischen Brezel und Barock gewünscht. Aber erzähl‘ einem klassischen Blattableser mal etwas von Improvisation…

14.03.2010