A Million Mercies – Wir sind elektrisch
(CD / LP-Box mit CD / Download, Hausmusik, HM 77, 2011)
Als mir DJ St.Micha 69 im letzten Dezember erzählte, daß es wieder einen Hausmusik-Online-Shop gibt, bei dem man auch noch die im Herbst 2011 erschienene, neue Platte von A Million Mercies bestellen kann, war ich hocherfreut. „Wir sind elektrisch“ ist seit seinen Beiträgen zur 2006 erschienenen Compilation „You Can’t Always Listen To Hausmusik But…“ (zwei Kollaborationen mit Broken Radio bzw. Calexico) Wolfgang Petters erstes musikalisches Lebenszeichen. Zwischendurch ging sein Hausmusik-Vertrieb dank nicht zahlender, internationaler Kundschaft den Bach runter, was ihn nicht davon abhielt, später mit Hausmunik einen Laden für Platten und Kaffeespezialitäten zu eröffnen. Und jetzt wurde das Hausmusik-Label für sein zweites Solo-Album wiederbelebt.
Für Fans gibt es dieses Album auch in einer limitierten Box mit LP und CD sowie einem großformatigen Siebdruck-Heft, für das der Johnny Cash-Biograph Franz Dobler die Liner Notes schreiben durfte. Die Vinyl-Ausgabe verdeutlicht die beiden Pole dieses Albums: Die ersten acht Songs sind eher akustisch und ruhiger, während es auf Seite 2 dann verstärkt und elektrifiziert zugeht. Die Beats werden lauter, der Titelsong rockt los und plötzlich gibt es mit „Speed“ sogar einen Synthie-Pop-Kracher aus der 80er-Jahre-Disco. Für „Reich die Hand“ wird die Musik aus dem blauäugigen Velvet Underground entliehen. Insgesamt überwiegt aber dieses auf nicht nur akustischer Gitarre basierende Singer/Songwriter-Dingens, das manchmal dezent von Elektronik und Sampling unterstützt wird. Das weckt bei mir stellenweise Assoziationen an die Fellow Travellers oder Leonard Cohen. Oder an Hausmusik-Freunde wie Calexico, was nun wiederum kein Wunder ist – denn deren Kontrabassist Volker Zander spielt neben anderen befreundeten Musikern auf einigen Stücken mit. Einmal geigt Martin Lickleder (Jeep Beat Orchestra, Suzie Trio, Moulinettes) und sogar Familienmitglieder tauchen immer wieder auf. Überhaupt ist dies eine sehr persönliche Platte. In „Man Behind The Drumkit“ verarbeitet er den Tod seines musikalischen Weggefährden Thomas Ganshorn (Fred Is Dead, Broken Radio). Und Wolfgang Petters findet dazu den passenden Ton, unterstützt mit Klangfarben von Akkordeon und Klarinette. Eingerahmt wird das Ganze von „Servabo“, einmal in englisch und einmal vorwiegend in deutsch. Überhaupt singt Wolfgang Petters (Fred Is Dead, Village Of Savoonga) mit seiner Nicht-Sänger-Stimme vorwiegend englisch, aber auch deutsch und italienisch.
Die Musik von A Million Mercies ist offensichtlich aus dem Leben gegriffen. Und das macht sie so einzigartig.
Diese Platte gefällt mir immer besser.
mrboredom
19.02.2012
Hörprobe auf Soundcloud:
„Come Sei Bella“
*****
Diskografie:
- This Is Not Your Home / Matador (10″, 1994)
- Elektrizität – (hält dich in Bewegung) (LP, 1996)
- A Million Mercies & Alles Wie Gross – 5 hours / Essen ist wichtig (7″, 1997)
- Wir sind elektrisch (LP/CD, 2011)
Sampler-Beiträge:
- „Jump Right Through The Window“ auf „Hausmusik“ (1991)
- „Disobediance“ auf „Flederhausmusik“ (1994)
- „Essen ist wichtig“ auf „Festplatte“ (1996)
- A Million Mercies & Alles Wie Gross – „Essen Ist wichtig“ auf „Zur Hölle Mama – Perlen deutschsprachiger Popmusik #3“ (1998)
- „Duck And Crawl“ auf „Do You Think That I’ll Be Different When You’re Through?“ (2001)
- Broken Radio / A Million Mercies – „One Way Trip“ und A Million Mercies / Calexico – „Freunde“ auf „You Can’t Always Listen To Hausmusik But…“ (2006)