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Musik aus einer Hafenstadt

Januar 15, 2011

Hamburg Calling – Musik aus einer Hafenstadt
(Oliver Schwabe, Musik-Dokumentation, ca. 90 min., NDR)

Heute, am 15. Januar 2011, hatte Oliver Schwabes Musik-Dokumentation „Hamburg Calling – Musik aus einer Hafenstadt“ im Rahmen des 5. Elbblick-Filmfestivals seine Kinopremiere. Produziert wurde der Film im Jahr 2010 für den Norddeutschen Rundfunk. Schwabe stieg tief ins dortige Archiv um Material für diese Collage zu finden, die 50 Jahre Hamburger Pophistorie abdeckt (von Freddy Quinn bis 1000 Robota), aber dennoch den Schwerpunkt auf die Zeit Ende der 1980er und die 90er Jahre legt. Also als Bands wie Cpt. Kirk &., Blumfeld, Kolossale Jugend oder Tocotronic (denen für meinen Geschmack etwas zuviel Platz eingeräumt wird) aufkamen und ihre Hochzeit hatten.

Ergänzt wird das Archiv-Material durch aktuelle Interviews vorwiegend mit  Musikern wie Bernd Begemann (Die Antwort, Die Befreiung), Bernadette La Hengst (Huah!, Die Braut Haut Ins Auge), Frank Spilker (Die Sterne, Frank Spilker Gruppe), Jochen Distelmeyer (Die Bienenjäger, Blumfeld), Kristof Schreuf (Kolossale Jugend, Brüllen), Tobias Levin (Cpt.Kirk &.), Schorsch Kamerun (Die Goldenen Zitronen), Frank Ziegert (Abwärts) u.a. – aber auch mit Horst Fascher, einem begeisterten Unterstützer der Beatles. Und R.J. Schlagseite singt ein paar Songs zum Thema.

In den Sixties wie in den späteren Jahrzehnten war St. Pauli wohl so eine Art Schutzraum für entstehende Musikbewegungen, egal ob für den „Hamburg Sound“ der Sixties oder die sogenannte „Hamburger Schule“, ein Begriff, der in diesem Film diskutiert wird. Und im Star Club gab es nicht nur die Beatles, sondern auch die Liverbirds, eine der ersten Frauenbands überhaupt, die wiederum von Musikerinnen wie Bernadette La Hengst als Role Model genannt werden.

Schön ist es natürlich, all diese alten Fernsehausschnitte zu sehen. Beispielsweise den ziemlich jungen Begemann mit Die Antwort in einer Talkshow als musizierender Gast – aber auch als Gastgeber im Bademantel für Tocotronic in seiner Rothenburgsorter Küche (check out on youtube!). Oder den jungen King Rocko Schamoni bei einem TV-Interview in dem er cool schweigt und statt Antworten Zigarettenrauch ins Mikrophon haucht. Auch Videos aus alten Zeiten sind zu sehen, manche – aus heutiger Sicht – von zweifelhafter Ästhetik, aber super interessant! Schön auch die alten Schwarzweiss-Aufnahmen eines vergangenen Hamburg, die mit in diese Collage einflossen.

Udo Lindenberg wird nur am Rande erwähnt. Ebenso die Hamburger HipHopper. Und das Lied „Hamburg Calling“, ein Clash-Remake von Fettes Brot, ist gottseidank garnicht zu hören.

Für Freunde (diskursiver) (deutscher) Popmusik ist dieser Film eine Fundgrube. Besten Dank an den NDR, der diese Low Budget-Produktion ermöglichte. Trotzdem sollte sich diese öffentlich-rechtliche Sendeanstalt schämen, solch eine interessante Dokumentation nach Mitternacht einfach so zu versenden – wie Ende letzten Jahres geschehen (hat wahrscheinlich damals keiner mitgekriegt, ich leider auch nicht).

Der Regisseur im Netz:
www.oliverschwabe.de