Posts Tagged ‘performance’

Annas Laden

November 22, 2013

seance

Vor zwei, drei Wochen bin ich das erste Mal an diesem neu gestalteten Schaufenster eines leerstehenden Ladenlokals vorbei gekommen (irgendwann gab es hier mal ein Gemüsegeschäft). Auf der Fensterscheibe wurden handgemalte Lettern aufgeklebt: „Serafinas spiritistischer Salon“ heißt es da. Die im Raum verteilten Möbel und Gegenstände wirken wie aus dem beginnenden letzten Jahrhundert. Auf einem ovalen Tisch wurden Handschuhe drapiert. Ich assoziiere eine Séance. Im anderen Fenster sind auf einem Tischchen Glasschalen mit abgeschnittenen Haaren platziert worden. In der Tür ist auf Zetteln mit altmodischer Handschrift zu lesen:

Serafinas spiritistischer Salon
Ausstellung von Anna Peschke
Performance mit Gastkünstlern 3.- 7. Dezember

Desweiteren:

Sind Spiritismus und Okkultismus wirksame Methoden, um gegen die transzendentale Obdachlosigkeit anzukämpfen oder nur eine „Metaphysik der dummen Kerle“ (Th. Adorno) ?

Keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hat, aber es schaut interessant aus.

Ergänzung:

Bis zum 7. Dezember 2013 wird der Salon täglich zwischen 15 und 18 Uhr geöffnet. Die anwesende Künstlerin macht auch gerne Aurafotos von und für die einzelnen Besucher.

Die Performances mit Gastkünstlern finden vom 4. bis 7. Dezember 2013 jeweils um 20 Uhr statt.

(Gesehen in der Greifswalder Straße 36, 10405 Berlin, Germany)

serafina

GZ,
22.11.2013,
ergänzt am 30.11.2013

Geschichten

Mai 21, 2011

(Bild mit freundlicher Genehmigung geklaut bei Barbara Mürdter / Popkontext)

Laurie Anderson – Delusion
(live, Kampnagel / K6, Hamburg, 21.05.2011)

Von Laurie Anderson habe ich schon länger nichts mehr gehört und gesehen und bin entsprechend unvorbereitet sowie ohne besondere Erwartungen dorthin gegangen. Ziemlich pünktlich betrat Laurie Anderson allein die Bühne, auf der sich drei kleinere Projektionsflächen vor einer ebensolchen riesigen befanden. Ihre Aufführung verbindet Wort, bewegte Bilder und Musik – nennt man das heutzutage wirklich immernoch „Multimedia“?

Zwanzig kurze Geschichten wurden hier aneinander gereiht, meist autobiographisch gefärbt. Da geht es um Träume, die letzten Worte ihrer verstorbenen Mutter, die Ursprünge der russischen Raumfahrt im 19. Jahrhundert, die Landnahme auf dem Mond, die Herkunft ihrer Familie und was das mit Island zu tun hat und vieles mehr. Die Texte wurden als deutschsprachige Übertitel mitprojeziert, was einerseits manchmal etwas vom Gesamtgeschehen ablenken mag, aber manchmal doch hilfreich ist, insbesondere wenn Laurie Anderson die tiefe Vocoder-Stimme (ihr Alter Ego) einsetzt. Manchmal sind diese Erzählungen interessant, manchmal originell – vereinzelt hatte sie ein paar Lacher auf ihrer Seite – aber im großen und Ganzen mußte ich feststellen, dass ich persönlich mit ihren Geschichten nicht viel anfangen konnte. Ihre Musik erschien mir vollkommen uninteressant, manchmal etwas aufgeblasen, insbesondere die Zwischenmusiken, manchmal vielleicht sogar etwas kitschig. Perfektes Sound Design halt. Lasst Euch nicht erzählen, dass das etwas mit „experimentell“ zu tun hätte – das ist eher Stand der Technik. Gut gemacht, professionell und so, aber nicht besonders spannend.

Nach 90 Minuten ging die Show zu Ende. Dem Applaus nach zu urteilen hat es dem bildungsbürgerlichen (?) Publikum wohl sehr gefallen. Es wurde noch mit einer gegeigten Zugabe belohnt.

Weitere Bilder von ihrem Konzert in der Berliner Volksbühne könnt Ihr Euch hier ansehen: www.popkontext.de

Weber & Schuster

Mai 20, 2010

Seite 72 aus Heft 13 des Fanzines 10.16 Megazine,
erschienen im Januar 1990.
Und weil das Layout so schön unübersichtlich ist,
hier nochmal drei Ausschnitte zum besseren Nachlesen:

a) Weber & Schuster auf Cassette

b) Weber & Schuster auf Schallplatte

c) Weber & Schuster live

Der Provokateur und die Dame

April 24, 2010

Kommisar Hjuler und Frau
(live in der Hörbar, Hamburg, 29.06.2007)

Jeden letzten Freitag im Monat veranstaltet der Hörbar e.V. im Kino B-Movie auf St. Pauli Konzerte mit elektroakustischer improvisierter Musik. Dass dort auch Kommissar Hjuler und Frau auftauchen würde, habe ich durch Umwege erfahren – nämlich bei meiner Internet-Recherche zum Stichwort Dieter Roth. Ausgerechnet bei einem bekannten Internetauktionshaus stieß ich in diesem Zusammenhang auf unseren alten Bekannten, der in einer Artikelbeschreibung zu einem seiner Elaborate auf diesen Termin und ein etwaiges Anti-Konzert hinwies. Wenn das kein Grund ist, endlich mal in der Hörbar vorbeizuschauen!

Auf der ansonsten leeren Bühne war fast nur ein Stuhl mit einem riesigen Teddybären, ein Verstärker und eine von der Decke herab hängende Polizeiuniform zu sehen. Irgendwann wurde Musik (so nenne ich das einfach mal) abgespielt. Monotoner Rhythmus, Frauenstimme, Geschrei, Freddy Teardrop, wieder mal eine Cover-Version, diesmal muss Suicide dran glauben (fast hätte ich Teddy statt Freddy geschrieben…). Das geduldige Publikum lauscht und wartet ab ob da auf der Bühne noch mal was passieren wird. Nach geraumer Zeit erhebt ein Herr im Publikum seine Stimme und beginnt zu meckern – wie lange soll das denn noch so gehen? – passiert da noch was? – vorspulen! – das kann ich auch! Besagter Provokateur geht nach vorne, reißt die Uniform von der Decke und bringt die Leute am Mischpult dazu, ihm eine monotone Basstrommel einzuspielen, betritt die Bühne und beginnt mit zwei kleinen Schellenkränzen und Stimme in diesen primitiven Rhythmus einzusteigen – um zu beweisen dass er das halt auch kann; sich dabei aber auch irgendwie zum Affen macht. Kurz darauf betritt eine junge Dame die Bühne, setzt sich auf den vorher vom Teddybären belegten Platz und beginnt mit schriller Stimme zu singen. Natürlich war der Provokateur Kommissar Hjuler höchstpersönlich, die Dame seine Ehefrau Mama Bär und die Überraschungs-Aktion mit den mitspielenden Veranstaltern abgesprochen. Sonst hätte vielleicht noch jemand die Polizei gerufen. Das Publikum hat den Braten frühzeitig gerochen und machte eher einen amüsierten als einen irritierten Eindruck. Endlich mal Humor und echte Unterhaltung! Nicht immer nur Lauschen, Lauschen, weißes Rauschen. Haben wir Hjuler die ganze Zeit verkannt? Ist er so etwas wie ein verkappter Helge Schneider der Noise-Kultur? Nein, so weit kann man nun wirklich nicht gehen! Mama Bär und Kommissar Hjuler sehen sich als ernstzunehmende bildende Künstler im Bereich Malerei bzw. Skulptur, wie Papa Bär nach der Performance dem Publikum erläuterte, nicht ohne noch zu erzählen, dass er mittlerweile auch Leute wie Thurston Moore zu seinen Fans zählen kann.

Bei den beiden darauf folgenden Projekten ging es leider weniger amüsant und wesentlich introvertierter zu.

PS: Am Tag nach diesem Konzert feierte Kommissar Hjuler seinen 40. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!

(Wiederveröffentlichung aus dem Jahr 2007, geschrieben für Bad Alchemy)