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Splace

Februar 25, 2013

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Jerry Dammers‘ Spatial A.K.A. Orchestra
(live, Haus der Kulturen der Welt, Berlin, 24.02.2013)

Gestern war im Rahmen des Anthropozän-Projekts (was auch immer das sein mag) im Haus der Kulturen der Welt und des viertägigen Festivals „Unmenschliche Musik – Kompositionen von Maschinen, Tieren und Zufällen“ Jerry Dammers und sein Spatial A.K.A. Orchestra zu Gast. Deren Musik war aber weder Maschinenmusik noch unmenschlich – höchstens außerirdisch, so wie halt Sun Ra auch out of space war (man muss nur dran glauben…).

Jerry Dammers war damals in der Ska-Band The Specials (mit und ohne AKA) mit von der Partie und macht sich seit ein paar Jahren einen Spaß daraus,mit einer riesigen Big Band aufzutreten. In Berlin waren insgesamt 24 Leute auf der freakig dekorierten Bühne. Alien-Puppen mit Gitarre standen da rum, ein Raumfahrzeug hing von der Decke und den Bühnenhintergrund zierten kryptische, güldene Zeichen und Tut-Ench-Amun war unter der Leinwand zu entdecken, auf der passende Filmsequenzen geworfen wurden. So ähnlich könnte es in den 1970er Jahre ausgesehen haben. Da passt auch die Keyboard-Burg vorne rechts ins Bild, in deren Mitte Jerry Dammers ungezählte Orgeln, Synthesizer und sonstige elektronischen Geräte bediente. Und natürlich waren fast alle maskiert und kostümiert, in afrikanischen Phantasie-Roben, als Pink Elephant, mit Pest-Maske, Federn, asiatischen Hüten, bescheuerten Brillen etc., alles schön bunt durcheinander.

Das Spatial A.K.A. Orchestra begann ursprünglich wohl als Sun Ra Tribute Band, aber spielt garnicht mehr so viele Stücke dieser Free-Jazz-Legende. Das erste Instrumental – nach einem kakophonen Keyboardgewitter, dem Ende der irdischen Welt – war von Sun Ra, aber bis später dann zwei Songs von ihm gespielt wurden, darunter das wunderbare „Nuclear War“, verging einige Zeit. Denn Jerry Dammers hatte auch Ska-Stücke aus Jamaika mit dabei, groovy Jazz und Easy Listening von deutschen Komponisten (Peter Thomas hieß der eine), Exotica von Martin Denny (ein Einfluss auf Sun Ra, wie Dammers zu erzählen wußte) , britische Library Music, Jazz von Coltrane und natürlich ein paar Stücke der The Specials und vieles mehr. Aus „International Jetset“ wird „Intergalactic Jetset“ und „Ghost Town“ mutiert zu „Ghost Planet“, featuring Rico Rodriguez als Gaststar. Und das ganze im Big Band Sound und einer riesigen Besetzung: Keyboards, Piano, Flöte, Saxophon, Posaune, Klarinette, Gesang, Percussion, Violine, Cello, Kontrabass, einige Instrumente mehr als doppelt besetzt. Schlagzeug, E-Bass und Gitarre sorgten für die Erdung. Free Jazz war das also keiner. Astreiner Jazz auch nicht (aber wer interessiert sich schon für Purismus?). Das eher gewöhnliche Rockundpopschlagzeug verhinderte strukturlose Abfahrten in himmlische Sphären. So konnten die vielen Musiker ihre Soli über angenehm groovige Musik abliefern. Sogar klassische Ska Riddims sind offensichtlich dafür geeignet. Und wenn dann mal ein paar Passagen oder Übergänge etwas chaotischer klangen,  so waren diese vermutlich wohl kalkuliert.

Die Ausdauer und Spielfreude war groß. Erst nach über geschätzt zweieinhalb Stunden klang das kurzweilige und abwechslungsreiche Konzert aus mit einem schönen kurzen Stück für die beiden Violinen, Cello und Kontrabass (die meist im Gesamtklang etwas untergingen) plus eine Posaune. Die anderen Musiker hatten das Auditorium bereits in einer kleinen Prozession durch den Zuschauerraum verlassen.

GZ,
25.02.2013