Posts Tagged ‘Sonic Youth’

La Schepper

März 18, 2013

Laurent De Schepper Trio live in Berlin, 16. März 2013 (Foto: GZ)

Laurent De Schepper Trio – Aquanaut
(CD / DL, Karlrecords, KR010, 2013)
… und live im New Deli Yoga, Berlin, 16.03.2013

Am vergangenen Wochenende feierte das am Rand von Kreuzberg gelegene New Deli Yoga sein zweijähriges Jubiläum und lud sich eine Band aus Leipzig ein. Da wo es sonst gesundes Essen und Yoga gibt, wurde der riesige Tisch an die Wand gerückt um Platz zu machen für Alkohol trinkende und nicht nur Tabak rauchende Menschen. Drogi-Yogi?

Zu Gast war das Laurent De Schepper Trio, bestehend aus E-Bass (Isabel Fischer), Schlagzeug (Lars Oertel) und Saxophon (Thomas Bär) [v.l.n.r.], welches momentan durch die Gegend reist um ihre neue Platte „Aquanaut“ vorzustellen. Zu hören ist im weitesten und besten Sinne Instrumentalmusik, die sich irgendwo zwischen Jazz und Post Rock bewegt. Das Saxophon wird durch elektrische Effektgeräte gejagt und liefert submarine Klangflächen unter denen der relativ trockene Bass und das vitale Schlagzeug die Tracks vorantreiben. Zwischendurch gibt es kurz ruhigere, filmmusik-ähnliche Passagen; bei „Near The Weir“ fühle ich mich an den Soundtrack zu „Komm süßer Tod“, mein Lieblings-Brenner-Krimi, erinnert.

Sowohl live als auch auf CD ist für zwei, drei Stücke noch ein sprechsingender Wortkünstler (Sevenold) zu hören, der somit noch eine weitere Klangfarbe einbringt. Aber mehr als Bass, Drums und Sax braucht es eigentlich gar nicht, zumindest wenn sie so energiereich und ohne unnötigen Ballast gespielt werden wie hier. Statt solistischer Eskapaden oder zur Schau gestelltem Virtuosentum gibt es bestens aufeinander abgestimmte Spielfreude zu hören. Und das gerne immer wieder. Herrlich!

Unbedingt mal reinhören:
Laurent De Schepper Trio – Stormgebrus

Platte kaufen: bei Karlrecords

Live erleben:
18.03.2013 Blue Note, Dresden
21.03.2013 Kunsthof, Jena
22.03.2013 Hanseplatte, Hamburg (18 Uhr)
22.03.2013 Schwarze Katze, Hamburg (21 Uhr)
23.03.2013 Osnabrück, Der audiovisuelle Salon

Sonic Cage Jazz

Juli 21, 2012

Rusconi live
(11.07.2012, Bix, Stuttgart)

Dieses nach Bix Beiderbecke benannte Lokal im Stuttgarter Gustav-Siegle-Haus erscheint mir fast etwas zu luxuriös-elegant für ernsthaften Musikgenuss. Dank der gemütliche Sessel und Tischchen wirkt es wie eine Mischung aus Restaurant und Kabarett-Bühne. So kann es passieren, daß man während einer lyrischen Musikpassage von der Bedienung schräg von der Seite angequatscht wird („Darf‘s noch etwas sein?“) oder der Bandleader den beiden abendessenden Gästen „Guten Appetit!“ wünscht. Aber solche Rahmenbedingungen sollten nicht von der Musik ablenken.

Rusconi ist ein Jazz Klavier Trio aus der Schweiz in der klassischen Besetzung Flügel (Stefan Rusconi), Kontrabass (Fabian Gisler) und Schlagzeug (Claudio Strüby). Aber so richtig konventionell klingen sie dann doch nicht: das Klavier wird mal mehr, mal weniger präpariert und liefert sich auch mal ein Duell mit den Schlagzeuger, der herrlich rumpeln und kratzen kann, wenn es von Nöten ist. Und dann wäre da noch dieser coole Kontrabassist mit Sonnenbrille, der ab und zu zur E-Gitarre greift. Man muss sich somit nicht wundern, dass diese Band schon verschiedene Songs von Sonic Youth weiterverarbeitet hat. Gemeinsam intonieren sie manchmal diesen wortlosen Harmonie-Gesang, der mich an die Fleet Foxes erinnert – obwohl ich die gar nicht so gut kenne.

Live changiert Rusconi zwischen schönen, fließenden und krachigen, energetischen Passagen – oftmals verbunden durch harte Schnitte. Ihr erster Set war etwas ruhiger, entsprechend ihres aktuellen Albums „Revolution“ (auf dem übrigens Fred Frith bei einem Stück gastiert), der zweite rockte mehr und wurde von einem neuen Stück mit gamelan-artiger Piano-Präparation eingeleitet – Weltpremiere eines Souvenirs von ihrer Asien-Tournee. Und dann hatte Rusconi bei einem sehr kurzen, rockigen  Stück noch eine selten gehörte Mitmach-Aktion auf Lager: statt schnipsen, klatschen oder mitsingen durfte das Publikum 12mal laut schreien. Die Stuttgarter machten begeistert mit. Urschrei Rules OK!

Überraschend in diesem Umfeld auch der Moment, in dem die Band ihre Instrumente komplett durchwechselte: Gitarre statt Piano, Schlagzeug statt Kontrabass, Tasten statt Sticks. So wurde Virtuosentum ausgebremst und die immer vorhandene Spielfreude kam für einen Moment noch deutlicher zum Vorschein.

Als Zugabe gab es nicht nur eine fast schon krautig-psychedelische Version des Sonic Youth-Titels „Hits Of Sunshine (For Allen Ginsberg)“, die ‚ältere Herrschaften‘ zu lauten Begeisterungsschreien (!) bewegte (bei der Tochter, noch Studentin, setzte die Begeisterung etwas später ein – war sie etwa peinlich berührt oder mußte sie nur ihren Facebook-Status aktualisieren?).

Tolles Konzert einer sympathischen Band mit Klangforschung der angenehmen Art. Hier sind keine Extremisten am Werk, aber Grenzgänger zwischen Jazz, Rock und Experiment.

GZ,
18. Juli 2012

Dort kann man Musik von Rusconi kaufen und selbst entscheiden wieviel Geld man für die Dateien ausgeben möchte (es gibt aber auch Vinyl):
rusconi-music.com

PS:
Vielen Dank an Micha und Thomas, die mich auf Rusconi gebracht haben!

Mein Dockville Festival 2010

August 16, 2010

Various Artists:
Dockville Festival, Hamburg, 13.-15. August 2010

Drei Tage Dockville haben mir in Erinnerung gerufen, dass ich Festivals tendenziell doof finde. Zuviele Leute auf einen Fleck. Und dann dieses Publikum, das nur das sehen und hören will, was eh gerade in aller Munde ist, und Moshpits dort aufmacht, wo sowieso kein Platz ist. Und dann muss man erstmal hinkommen auf dieses mit Altlasten verseuchte Brachgelände, das einem als Hafenromantik schöngeredet wird, aber trotzdem häßliches Industriegebiet bleibt. Aber was will man machen, wenn einzelne Bands nur auf diesem Festival zu sehen sind?

Die für mich interessantesten Bands spielten eher nachmittags oder am frühen Abend. Somit habe ich am Freitag gleich mal JA, PANIK und SOPHIE HUNGER verpaßt – zum einen weil ich noch arbeiten, und zum anderen weil ich noch ewig anstehen mußte, bis ich mein Ticket in ein lila Armbändchen umtauschen konnte (ungefähr so lange, wie das Pärchen vor mir benötigte um eine Flasche Weißwein zu leeren). Somit war der Freitag für mich nur Gelegenheit um das Gelände zu sondieren. Für Shantel und Wir Sind Helden interessiere ich mich wirklich nicht. Und die Tochter von Sting (I Blame Coco) war eher etwas zum Schulterzucken.

Samstagnachmittags dann KITTY, DAISY & LEWIS. Drei Londoner Teenager machen Musik, die tausendmal älter ist als sie selbst und lassen sich dabei von einem Gitarristen und einer Kontrabassistin begleiten, die ihre Mutter oder ihr Opa sein könnten. Extrem altmodisch gekleidet spielen sie Rock‘n‘Roll, Blues, Hillbilly, aber auch Ska – in einem Sound, der als authentisch für die damalige Zeit durchgehen könnte. Dabei wechseln sich die drei an Keyboards, Gitarre und kleinem Schlagzeug ab, bringen mit Mundharmonika, Lap Steel Guitar und Percussion weitere Klangfarben mit ins abwechlungsreiche Spiel. Großartig! Und dann war da am Ende während der finalen Vorstellungsrunde noch das längste rhythmische Mundharmonika-Solo, das ich jemals erleben durfte.

Wenn man schon mal da ist, kann man sich ja auch BONAPARTE anschau‘n. „Too Much“ war schließlich mal ein ganz lustiges Lied. Aber lange habe ich es dort nicht ausgehalten. Ihre Kostüme waren zwar ganz nett, aber ihre Rockmusik war trotzdem für mich vollkommen uninteressant.

Sonntags habe ich MUTTER leider nur teilweise sehen können. Ich hatte die Rechnung ohne das Radrennen in der Innenstadt gemacht. Gegen 16 Uhr also diese Berliner Band um Max Müller, mit ihrer schwerwiegenden Musik, tiefbassgeerdet, feedbackumschwebt, ernsthaft betextet. Eine Schande, dass relativ wenige Leute den Weg zu Mutter gewagt haben. Die Band war gut, aber ich hätte sie mir lieber nachts in einem Club angehört. Und ursprünglich sollten sie ja auch im Hafenklang spielen.

Von GUSTAV gibt es nicht viel neues zu berichten, außer dass sie zusammen mit ihrer zweiköpfigen Begleitband einfach wiedermal ein wunderbares Konzert gegeben hat. Ihre humorvolle Ernsthaftigkeit muss man einfach mögen! Ein neues Lied hatte sie im Gepäck, ihrer Meinung nach der „wohl erste deutschsprachige Gentrifizierungs-Song“. Ob da das Schwabinggrad Ballett nicht schon früher war mit ihrer „Business Punk City“? Trotz deutlicher Schwangerschaft rockte sie das Haus und brachte das Publikum dazu, bei einem Rage Against The Machine-Cover brav „mitzuarbeiten“. <38

The Drums aus New York waren dann so eine Gitarrenband, wie man sie immer wieder mal als Hype serviert bekommt. Auf der Bühne zwei Gitarren, Schlagzeug und Gesang. Aber man konnte auch Bass und mehr hören. War wohl Halbplayback. Aber den Kindern hat‘s gefallen, sie gingen gut ab. Der eine Gitarrist konnte echt gut Pirouetten drehen. Und der Sänger war eh ein Poser.

Ein wunderbarer Abschluss war für mich HALLOGALLO 2010. Michael Rother (Electronics, Gitarre) spielte zusammen mit Steve Shelley (Sonic Youth, Drums) und Aaron Mullan (Tall Firs, Bass) Musik seiner alten 70er-Jahre Krautrockband NEU!. Das war aber kein Geschichtsunterricht und auch kein Revival. Das war einfach hypnotische Instrumentalmusik, die trotz einsetzendem Gewitterregen faszinierte.

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