Posts Tagged ‘Brezel Göring’

Die Frau, Das Monstrum

April 2, 2012

Stereo Total feat. Käptn Blauschimmel – Die Frau in der Musik / Das Monstrum
(7“, Staatsakt / Rough Trade, 2012)

Vor ein paar Tagen ist diese neue Single der „Berliner Rockgruppe“ Stereo Total erschienen. Diesmal kümmern sich die beiden um Frauen nicht nur in der Musik. Traurig, daß dies heutzutage immer noch ein Thema ist. Hat sich seit der Post Punk New Wave Ära mit all den Mädchengruppen wirklich nichts getan, trotz Riot Girls und so? Der Text hätte auch schon 1979 geschrieben werden können: Die Frau in der Musik nervt, spielt Bass, ist sexy, trällert Liebesliedchen und „stört immer“. So denken wohl heutzutage immer noch etliche Musiker, Bühnentechniker und Konsumenten. Traurig!

Die Pärchen-Combo Stereo Total ist nicht nur mit dieser Single der lebende Gegenbeweis dazu. Ihrem Sound sind sie treu geblieben. Trashiges Schlagzeug trifft Synthesizer, da rockt die Disko, Frau singt, Mann sendet lustige Störgeräusche (soll das wirklich ein echtes Trautonium sein? Oskar Sala rotiert in seinem Grab!). Das noch kürzere Lied auf Face B, ebenfalls zum Thema „Sie“ (aber nicht in der Musik) rockt dann noch mehr und überracht mit Boogie Woogie-Klavier. Klasse! Auf der angekündigten LP soll das angeblich alles ganz anders klingen. Da bin ich ja mal gespannt – auch ob das dann ein Konzeptalbum zum Thema Frauenklischees werden wird!?

02.04.2012

typische Scheiße und nie gehörte musik

April 27, 2010

Various Artists:
Das Dieter Roth oRchester spielt kleine wolken, typische Scheiße und nie gehörte musik
(CD, intermedium rec. 026, 2007)

„Das Dieter Roth oRchester spielt kleine wolken, typische Scheiße und nie gehörte musik“ hatte anno 2006 seine Ursendung auf Bayern2Radio, wo die Hörspiel- und Medienkunst liebevoll gehegt und gepflegt wird. Dabei handelt es sich bei dieser Hommage an den bildenden Künstler Dieter Roth eher um eine Compilation liedhafter Interpretationen dessen literarischer Ergüsse, herausgegeben von Wolfgang Müller und Barbara Schäfer. Roth war auch auf dem schriftstellerischen Gebiet überproduktiv. Diese CD stellt also eher ein Album von Neu-Interpretationen dar und kein Hörstück im eigentlichen Sinne. Die Idee hierzu stammt vom ebenfalls bildenden Künstler und Island-Fan WOLFGANG MÜLLER (alias Úlfur Hródólfsson, ex Die Tödliche Doris) der das Roth-Buch „Frühe Schriften und typische Scheiße“ irgendwann in einem Berliner Wühltisch für 3 Mark entdeckte. Und damit wohl auch seine Geistesverwandtschaft – war der ebenfalls in Island wirkende Dieter Roth nicht auch irgendwie ein, äh, genialer Dilettant, ein Bruder im Geiste? Für sein Projekt holte sich Müller u.a. Unterstützung bei alten Bekannten wie Brezel Göring und Françoise Cactus (Stereo Total, Wollita), bei seinem Bruder MAX MÜLLER sowie dessen Band MUTTER, aber auch bei KHAN, TRABANT (aus Island) oder NAMOSH. Wolfgang Müller, der solo zu trivialem Electro-Pop neigt, steckt wiederum hinter dem WALTHER VON GOETHE QUARTETT und den beiden schwulen Stoffpuppen ARMAND & BRUNO, die sich mit der Häkelpuppe WOLLITA angefreundet hatten als diese als sexistisches (Nicht-) Kunstwerk von der Berliner Boulevard-Presse angefeindet wurde (zu diesem Thema ist übrigens ein Taschenbüchlein mit 3“CD im Martin Schmitz Verlag erschienen). Überraschenderweise ließen sich die Texte von Dieter Roth auch zu wunderbaren Popsongs formen. Die Beiträge von STEREO TOTAL oder WOLLITA sind in dieser Hinsicht zwei Meisterwerke. ANDREAS DORAU schafft es leider nicht daran anzuknüpfen, ihm gelingt trotzdem ein für ihn typisches Electro-Groove-Stück. Überhaupt klingen viele Tracks typisch für ihre Erzeuger. Offensichtlich lassen diese Texte hierzu genügend Spielraum – im Gegensatz zu gängigen Musik-Tribute-Projekten. GHOSTDIGITAL (ein Projekt eines ehemaligen Sugarcubes-Musikers) erinnern mich irgendwie an Therofal von The Blech im bassbetonten Elektronikkleid, welches bei mir wiederum Assoziationen an Werke von Goebbels/Harth aus den 1980ern erweckt. Nach 17 Beiträgen nicht ganz so vieler Künstler gibt es als Zugabe mit „doit again“ noch ein verschroben groovendes Stück von MOUSE ON MARS. Insgesamt gilt: typische Scheiße, interessant aufgearbeitet!

(geschrieben im Oktober 2007 für Bad Alchemy 55)

Séance Vocibus Avium

März 28, 2010

Wolfgang Müller – Séance Vocibus Avium
(CD / 7“-EP mit Buch, Fang Bomb, 2008)
(Hörspiel, Bayerischer Rundfunk, 2008)

Dieser Mann ist gut zu Vögeln, das pfeifen die Spatzen vom Dach. Seit Jahren interessiert sich der Berliner Künstler Wolfgang Müller für allerlei Vogelgezwitscher. Nicht nur Blaumeisen, Kurt Schwitters singende Stare oder gar Riesenalken haben sich in seinem Werk niedergeschlagen – in Büchern, Hörspielen, Skulpturen oder in Form eines in Bronze gegossenen Meisenknödel.

Müllers ornithologisches Interesse geht sogar soweit, dass er für „Séance Vocibus Avium“ den Versuch unternommen hat, Vogelrufe nicht mehr existierender Vogelarten anhand schriftlich überlieferter Beschreibungen zu rekonstruieren. Dabei haben ihn wiedermal ein paar Freunde geholfen und kurze Nachempfindungen eingespielt – u.a. Justus Köhnke, Annette Humpe,  Frieder Butzmann, Max Müller, Françoise Cactus & Brezel Göring (aka Stereo Total), Khan und Namosh. Diese elf in Umgebungsgeräusche eingebetteten Vogelrufe sind auf einer bei Fang Bomb erschienenen 7“-Schallplatte versammelt, zu der auch ein Büchlein mit kurzen Erläuterungen und Skizzen der verstorbenen Vogelarten gehört. Diese tierischen Lautäußerungen klingen ab und zu durchaus skurril und am Ende sogar fast schon erschreckend.

Aber diese kurzen Klangbeispiele sind natürlich nicht alles. Denn eigentlich sind sie Bestandteile des Hörspiels „Séance Vocibus Avium“, das 2008 für den Bayerischen Rundfunk realisiert wurde. Momentan wird es auch online als Podcast zum kostenlosen Download bereitgestellt. Hier werden dem werten Publikum von Claudia Urbschat-Mingues im ruhigen Tonfall mehr oder weniger wissenschaftliche Erläuterungen zu den jeweiligen ausgerotteten Vogelarten verlesen. Aber Wolfgang Müller spielt mit diesen Texten noch etwas herum und bildet daraus erläuternde Assoziationsketten. Da kommt man schon mal ins Schmunzeln. In der 44. Minute muss sogar die kühle Sprecherin kurz lachen.

Dieses Hörspiel wurde übrigens mit dem Karl-Sczuka-Preis 2009 beehrt, eine Auszeichnung, die Asmus Tietchens ja auch schon zuteil wurde.

PS:
Am 05. Mai 2010 wird dieses Hörspiel auf Deutschlandradio Kultur wiederholt – um 21:33 Uhr.

I Wanna Be A Mama

März 27, 2010

Stereo Total – Baby Ouh!
(LP, Disko B / Indigo, 2010)

Okay, es gibt eine neue Platte dieser Rockgruppe aus Berlin; 16 bis 17 neue Songs im guten alten Stereo Total-Sound. Das ist erstmal nicht so ungewöhnlich und man ist dazu bereit diese Platte vorab schonmal unter „just another Stereo Total record“ abzuheften. Aber dann schaffen Brezel Göring und Françoise Cactus wiedermal zu überzeugen, indem sie Referenzen aufzeigen, die dem Party-Charakter ihrer Musik scheinbar widersprechen, oder indem sie einfach ein paar Klassiker der Pop-Geschichte erfrischend aufarbeiten. Auf der B-Seite covern sie gleich drei Titel in Reihe. Zuerst „Wenn ich ein Junge wär“, ein Lied das durch die Nina Hagen Band bekannt gemacht und schon 1963 von Rita Pavone gesungen wurde. Auch der „Radio Song“ von Udo Lindenberg, in dem so rührend-unmoderne Vokabeln wie „Radio“ oder „Plattencompany“ vorkommen, muss daran glauben. Der Hammer ist allerdings die grelle Einlage von Der Grindchor (Das Original Oberkreuzberger Nasenflötenorchester) – spielt da nicht auch Thomas Kapielski mit? – auf „Tour de France“! Ehrfürchtiger Respekt sieht gottseidank anders aus. Der Song „No Controles“ darf einem ruhig spanisch vorkommen, aber so richtig interessant ist eher die Übertragung des Liedes „Voy A Ser Mama“ (Fans kennen beide Songs bereits vom Album „No Controles“) von Almodovar y McNamara aus den frühen 1980er Jahren vom Spanischen ins Englische. War da wirklich Pedro Almodovar mit im Spiel? Kein Wunder bei dem Thema. Wolfgang Müller (ex Die Tödliche Doris) durfte auch wieder textlich etwas beisteuern: „Du bist gut zu Vögeln“ darf zwar vom Partyvolk eindeutig zweideutig und somit für echt lustig gefunden werden – aber Müller ist wirklich an Vögeln interessiert, rein ornithologisch gesehen! Von ihm gibt es ein Blaumeisen-Buch und er hat auch schon mal eine Schallplatte mit Fledermäusen gemacht, aber das gehört nicht hierher. Ansonsten ist „Baby Ouh!“ wieder eine gute Ansammlung von Songs in deutscher, spanischer, englischer und französischer Sprache im treschicen Sequenzer-meets-Rockabilly-Schlagzeug-Sound. Klar, dass da Andy Warhol und Divine auch noch eine Rolle spielen dürfen. Sehr amüsant, das Ganze!

Hier noch eine Non-Album-Kurzversion von “ Wenn ich ein Junge wär“, wie sie im Sommer 2009 im TV zu sehen war:

27.03.2010

Ping – Pong

März 14, 2010

Elbipolis Barockorchester versus Brezel Göring
(live, Kampnagel / kmh, Hamburg, 13.03.2010)

Ja, ich hasse es. Ich mag es einfach nicht, wenn man fast pünktlich zu einem Konzert kommt und dieses dann schon angefangen hat. Okay, wir waren dank unterbesetztem Kantinenpersonal sieben Minuten zu spät. Aber wenn ich auf der Eintrittskarte „21 Uhr“ lese, gehe ich davon aus, dass die Veranstaltung mindestens eine viertel Stunde später beginnt. Alles andere wäre unhöflich! Oder etwa sogenannte Hochkultur?

So verpassten wir dann den Beginn dieser „Barocklounge“ unter dem Motto „Zurück zur Natur“, in der das Elbipolis Barockorchester Kompositionen von Henry Purcell, Anton Schwartzkopff, Alessandro Poglietti, Christoph Graupner sowie Antonio Vivaldi darboten. Die Mitglieder dieses sechsköpfigen Ensembles färbten ihren Wohlklang mit Cembalo, Cello, Viola, Violinen und Blockflöte – während Brezel Göring (auch Mitglied der Berliner Rockband Stereo Total) die dargebotene Barockmusik samplete und in kleinen Häppchen live remixte. In der obligatorischen Konzertpause war sein Pult umlagert von neugierigen Konzertbesuchern, die nur auffallend wenige Geräte, aber keinerlei Notebook entdecken konnten. In den seltensten Fällen kam es zu einer Interaktion zwischen Brezel Göring und dem Elbipolis Barockorchester, leider nur einmal ganz kurz im ersten Teil und bei der ultrakurzen Zugabe – Brezels Meeresrauschen beim „Concerto La Tempesta di Mare“ von Vivaldi nicht mitgerechnet. Es war also eher ein abwechselndes Hinundher. Eine Integration des Elektronikers in die Barockband fand nicht statt. Schade! Ich hätte mir mehr spontane Interaktion zwischen Brezel und Barock gewünscht. Aber erzähl‘ einem klassischen Blattableser mal etwas von Improvisation…

14.03.2010