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Vier Männer und ein Pokerspiel

April 17, 2012

DREIDIMENSIONAL – Vier Männer und ein Pokerspiel
(C45, Schuldige Scheitel Tapes, sch-sch 003, 1983)

Ein neues Jahr, ein neues Tape von DREIDIMENSIONAL (das zweite). Zur Cassette gibts ein nettes Beiheft mit Comic und sonstigem, beides auf ein besprühtes Pappstück aufgeklebt; nett gemacht.

DREIDIMENSIONAL sind vier junge Jungs aus Berlin. Ihr erstes Tape    („Der kulturbefördernde Füll“) klang noch ziemlich dilettantisch, „Vier Männer und ein Pokerspiel“ ist nicht mehr so kaputt/chaotisch; ist direkt schon fast perfekt und schön geraten. 12 Songs gibts da, davon konnte man „Fleißig sein“ und „Nur besoffen“ schon auf dem 2. und 3. Irresampler hören.

Am Anfang ihrer neuen Cassette wird man gleich mit einem kurzem, funkigem Stück verwöhnt, das in synthetischem Geblubber sein Ende findet. Aber später gibts dann auch noch einen punkigen Song, mit 95 Sekunden der kürzeste. Im allgemeinen ist DREIDIMENSIONALs Musik eigentlich ’schön‘ ausgefallen. Vor allem, wenn die Woolworthorgel ertönt. Und überhaupt. Bei „Auf dem Weg nach Landshut“ gefällt mir die Gitarre so gut. Das schönste und längste Lied ist das letzte; da paßt irgendwie alles zusammen. Orgel/Bass/Gitarre/Gesang. wow! Auch genial gelungen ist ihre Version von „My bonnie is over the ocean“, dem sie den nötigen Schwung zum Stimmungshit verschaffen.

Kaputt und dilettantisch ist DREIDIMENSIONAL echt nicht mehr. Ich hoff nur, daß sie in Zukunft dann nicht total und zu schön werden; das kann nämlich gefährlich werden. Schön ist nur, wenns nicht zu schön wird. Und das schafft DREIDIMENSIONAL ziemlich gut. Also mir gefällt dieses Tape absolut gut (kaufen!!).

Zu haben bei Schuldige Scheitel Tapes / Mirkotz Krüger, Adresse auf Seite 19!

dom

Dieser Text stammt ebenfalls aus dem 3. Heft des Würzburger Fanzines Oi Oi Oi! (später 10.15 bzw. 10.16 Megazine), erschienen am 28. Februar 1984. Urheber: Guido Zimmermann

 

Amigo

April 10, 2010

(Passend zum gestern wiederveröffentlichten Schwefel-Interview hier nun ein Artikel aus 10.15 Megazine No. 11 aus dem Jahr 1988 über das Westberliner Label Amigo, das nun seit 20 Jahren nicht mehr existiert.)

Angefangen hat wohl alles vor so fünf, sechs Jahren, als vier Teenager (so um die 14/15) mit Woolworth-Orgel, Bass, Gitarre und Schlagzeug die Westberliner Bühnen, die sie unter dem Namen Dreidimensional betraten, mit ihrem Ploing-Punk-Pop unsicher machten. Dank des Gitarristen Mirko Krüger – dem jetzigen Macher des Amigo-Labels – wurden damals ihre frühen Experimente auf der Suche nach dem definitiven Popsong auch auf Magnetband gebannt und als erste Schuldige Scheitel-Cassette mit dem Titel „Der kulturbefördernde Füll“ veröffentlicht. Dies muß 1983 gewesen sein, die Musik war frisch und dilettantisch und ebenso originell präsentierten sich die Tapeaufmachungen von Schuldige Scheitel (sch/sch); allerdings griff dies nie auf die Tonqualität der Tapes über, die von Anfang an auf Chromdioxidband kopiert wurden.

Die zweite sch/sch-Produktion war der Sampler „Abfuhr des Verdrängten“ mit Bands wie Die Zwei, Überhaupt, Dreidimensional, Frustrierte Konsumenten, L.A., Demontage, Sulo und 1-F, den ich allerdings nie zu Gehör bekam. 1984 kam wieder eine Dreidimensional-Cassette (die zwote) heraus, bei der man sich für die Verpackung wieder etwas besonderes einfallen ließ: Während sch/sch 1 samt Beiheft in einer Frischhaltefolie verkauft wurde, war die „Vier Männer und ein Pokerspiel“-Cassette zusammen mit einem 1,3 m langen Beiheft (ausgeklappt) auf einem rotgespritztem Karton aufgeklebt. Und die Musik von Dreidimensional wurde immer besser, was die zwölf schönen bis punkigen Popsongs auf diesem Tape bewiesen. Aber trotz ihrer Qualität mußten auch Dreidimensional das Zeitliche segnen: Die Band löste sich 1985 auf und verabschiedete sich am 09. März auf dem Kwahl-Festival bei ihrem letzten offiziellen Auftritt. Allerdings ging die Band nicht von uns, ohne ein Geschenk in Form eines Double-Dismissal-Tapes zu hinterlassen. Im September des selben Jahres kam diese „Crack The Heart“-Cassette gleichzeitig mit weiteren Produkten (von My Bloody Valentine und Fake Diskurs) heraus, die auf einer C-25 sechs Studioaufnahmen (u.a. eine The Teens-Coverversion und so tolle Popsongs wie „Susan (No Chance For A Popstar)“ oder „My Golden Toast“) und auf einer C-35 zehn weitere Live-Stücke enthielten.

Die gleichzeitig im September 1985 erschienene Live-Cassette „Man You Love To Hate“ von My Bloody Valentine zeigte wie es klingt, wenn eine Doors-Orgel auf Punkrock stößt – harter, englischer Psych-Punk at it’s best. Fake Diskurs, eine Oldenburger Studentenband, konnte mich da mit ihrer artifiziellen Musik nicht so mitreißen. Aber dafür wurde beim Cover ihrer „Parh Extend“ ein Farbfotoabzug verwendet, was wieder spüren läßt, daß hier immer mehr Professionalität angestrebt wurde. Als logische Weiterentwicklung kam im August 1986 die GEDULD!-Cassette in einer aufklappbaren Plastichülle (ungefähr im doppelten Cassettenformat) heraus, was die Tapes in den Läden etwas auffälliger macht, wo sie ja eh nur ein Schattendasein fristen müssen. Auf diese Weise wurden übrigens auch die IndepenDance-Tapes und werden heute noch die Amigo-Cassetten verpackt.

GEDULD! war das Solo-Projekt von Mirko Krüger persönlich, der hier eine Sammlung unterschiedlicher Songs aus einem Zeitraum von von drei Jahren veröffentlichte, die einige fantastische Leckerbissen enthält.

Anfang 1986 stellte Mirko von miserablen Tapeproduktionen, die er zu Gehör bekam, frustriert fest, daß „der positive Trend in der Cassettenszene zu professionelleren Aufmachungen und Tonqualität nichts an der Tatsache ändert, daß die Cassette in erster Linie ein Medium für Bands bleibt, die in ihrer Ideen- und Talentlosigkeit besser nie erwähnt hätten werden sollen“. Und somit lag es nah, sich auch der Produktion von Schallplatten zuzuwenden, um sich von dieser Masse etwas abzuheben. Als erste sch/sch-Schallplatte kam Ende 1986 dann die Mini-LP „Schizophrenic Party“ heraus, auf der der Mannheimer (Norbert) Schwefel Elemente der 70er und 80er Jahre verbindet und so eine eigene, gelungene Mixtur aus Rock, Jagger, Bauhaus, Punk, Pop etc. fertigbringt, die noch von Martin Buchholzs Saxophon und Klarinette veredelt wird. Während die ersten tausend Exemplare dieser Mini-LP noch unter dem Label-Namen ‚Schuldige Scheitel‘ erschienen, kamen die neuen Releases schon unter dem neuen Namen Amigo heraus.

Mit diesem neuen Namen wollte man sich offener präsentieren und sich nicht auf ‚Underground‘ (um ein blödes Wort zu gebrauchen, wie Mirko sagte) einschränken. Und außerdem wurde Mirko durch seine regen Kontakte nach Ost-Berlin dazu inspiriert der DDR-Plattenfirma Amiga ein männliches Gegenstück auf Westberliner Seite entgegenzusetzen …

Aber obwohl man sich durch den neuen Namen und dem Entschluß zur Plattenproduktion einem ‚größeren‘ (das ist natürlich alles relativ!) Publikum öffnen wollte, vernachlässigte Amigo trotzdem nicht den Underground und gibt auch weiterhin Cassettenproduktionen heraus. Während bei Vinyls die Verbreitung über existierende unabhängige Plattenvertriebe (EfA) einigermaßen gut klappt und somit einige tausend Platten (pro Schwefel-12“ wurden bisher jeweils ca. 2500 Exemplare gepreßt) in fast alle Plattenläden gebracht werden können, werden von Tapes vielleicht 200 – 300 Exemplare (von Schwefel- und Space Pop-Tapes jeweils ca. 300 verkaufte Ex.) in vielleicht 30 speziellen Läden verkauft, die man zudem noch selbst bedienen muß, da sich weder ein Vertrieb noch ein normales Plattengeschäft um die kleine Cassetten kümmern mag, die dort dann eh meist untergehen, weil sie nicht so wie LPs in die Regale gestellt werden können. Die einzige Chance eine einigermaßen gute Auflage zu erreichen ist, wenn es einem Label gelingt eine feste Tapereihe – vielleicht in der Art von Roir oder Touch – zu etablieren. Allerdings darf man sich von Cassetten einfach nicht zuviel erhoffen, denn wenn man seine Ziele zu hoch steckt, gibt man nur irgendwann einmal auf. Und dann wird die Lücke zwischen Democassetten und Schallplatten wieder unnötig vergrößert, was nicht gerade Sinn der Sache ist. (Das IndepenDance-Label macht ja inzwischen nur noch Schallplatten, nachdem sie bei ihren Tapes die erhofften Auflagen nicht erreicht hatten…).

Nach der ersten Schwefel-Mini-LP kam neben der „Detailed“-Cassette mit frühem Schwefel-Material (mehr über diesen Mannheimer bringen wir in unserer nächsten edit!) noch ein hervorragendes Tape namens „C87 Space-Pop Compilation“ heraus, auf dem elf deutsche Bands mehr oder weniger psychedelischen Pop machen. Neben einer Reihe von Musikern aus dem Schwefel-Umfeld und aus dem Berliner Untergrund (z.B. Camping Sex, Mutter) hört man auch solche alte Bekannte wie die Freiwillige Selbstkontrolle und begegnet bei PLO einer 39 Clocks-Hälfte. Und das schöne an diesem Sampler ist seine geschlossene Form – kein Song fällt stilistisch oder qualitativ ab und es macht Spaß, dieses Tape durchzuhören, während man bei einem Großteil von Samplern seine Favoriten aus den verschiedensten Beiträgen herauspickt und den Rest getrost vergißt. Aber bei der „C87 Space-Pop Compilation“ bereut man keine einzige der fünfzehn Deutschen Marken, die man hierfür über den Ladentisch schieben muß.

In ähnlicher Preislage gib’s inzwischen auch die zweite Schwefel-Schallplatte „Metropolis“ mit drei Titeln: ein Großstadtsoundtrack, ein Akkordeon-Märchen und eine Marc Bolan-Coverversion; eine Besprechung findet durch 69 N & F an anderer Stelle dieses Heftes statt.

Zukunftsmusik: Im April wird dann voraussichtlich die erste Langspielplatte von Schwefel auf Amigo veröffentlicht werden; die gehörten Vorabtitel sind wie immer hervorragend! Da in einer LP mehr Aufwand & Zeit & Geld steckt als in einer 3 Track-12“, will man sich hierfür noch nach einem besseren Vertrieb umschauen und inzwischen verhandelt Amigo sogar mit Polydor, die ja auch Philip Boas neue LP herausbringen. Genaueres weiß man allerdings noch nicht, man wartet noch ab. Aber dies wird keine Auswirkungen auf die Musik haben, solange die Produktion noch in unabhängigen Händen bleibt, was hier ja der Fall ist.

Machen wir weiter bei unserem Blick in die Zukunft, die uns schnell eingeholt haben wird: Für Ende Februar sind zwei neue Tapes, eines von Charles Bad L. (der Stimme bei Schwefels „Schizophrenic Party“) und eines von Evan Schoenfeld, sowie eine Mini-LP von Turkish Delight angekündigt. Turkish Delight ist eine Neuentdeckung des Amigo-Labels, das übrigens nur zu zweit betrieben wird, und stammen aus dem türkischen Teil Azerbeyschans und leben erst seit kurzem irgendwo in Norddeutschland. Ihr Power-Pop fusioniert britischen Noise-Pop, Punk-Energie und osteuropäische Folklore und am herrlichsten kommen die Gitarrenriffs, die sich zwischen Weltraum und Orient bewegen. Sowas macht mir wahre Freude. Man darf also gespannt sein, was von Amigo noch so kommt.

Hier die neue Contactadresse:
Amigo, Pücklerstr. 21, D-1000 Berlin 36

mr.boredom

Und hier gibt es diesen Artikel im Original-Layout als PDF!
(Graphick & Anti-Layout: Framed Dimension D-Sign)

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Schuldige Scheitel / Amig-o-graphie:

sch/sch 001 :
DREIDIMENSIONAL Der kulturbefördernde Füll (C-50)

sch/sch 002 :
Abfuhr des Verdrängten (C-45 Compilation)

sch/sch 003 :
DREIDIMENSIONAL Vier Männer und ein Pokerspiel (C-55)

sch/sch 101 bzw. Amigo-Cassette 3 :
FAKE DISKURS Parh Extend (C-35)

sch/sch 102 :
MY BLOODY VALENTINE Man You Love To Hate (C-32)

sch/sch 103 :
DREIDIMENSIONAL Crack The Heart (C-25 + C-35)

sch/sch 104 :
GEDULD! (No) Re-Generation In And Between The Years Of 1984 And 1986 And Never Again? (C-33)

sch/sch 501 bzw. Amigo 501 :
SCHWEFEL Schizophrenic Party ( 5 Track-12“)

Amigo-Cassette 1 :
C87 Space-Pop Compilation (C-87)

Amigo-Cassette 2 :
SCHWEFEL Detailed (C-40)

demnächst:

TURKISH DELIGHT (7 Track Mini-LP)
CHARLES BAD L. (Cassette)
EVAN SCHOENFELD (Cassette)
SCHWEFEL (LP)

Schwefel

April 9, 2010

Wiederveröffentlichung aus 10.16 Megazine 12, 01/1989:

Norbert Schwefel in Interview

Schwefel alias Norbert Schwefel wird inzwischen als zukünftiges Teenie-Idol der Independent-Szene (scheußlicher Begriff!) hochstilisiert. Mit seinem neuen, rockigen Album hat er auch die Chance, einigermaßen viele Platten verkaufen zu können, was durch seine Tour im Winter 88/89 wohl auch kräftig unterstützt wurde. Vor seiner Tournee durch den deutschsprachigen Raum hatten wir Gelegenheit, bei Weißbrot und Sekt (Schwefel’s alkoholischem Lieblingsgetränk) der Marke Oppmann ein nettes Plauderstündchen mit dem zukünftigen Star aus Mannheim zu verbringen. Dabei fing bei Norbert alles so harmlos an:

„Irgendwann kam ein Freund zu mir und meinte, daß er Gitarre spielen lernen will. Darauf antwortete ich ‚O.K., ich will das auch lernen‘ und bin zu meiner Mutter und hab gesagt, daß ich eine Gitarre haben will. Dann sagte sie: ‚Oh gut, kannst eine Gitarre haben‘. Einen Tag später kommt der Typ wieder und meint – er hat nämlich keine gekriegt – ‚Ich mach des doch nicht, hab keine Lust mehr‘. Und dann hatte ich natürlich auch keine Lust mehr, mußte es aber lernen, weil ich eine Gitarre bekommen hatte. Naja, so hat’s eben angefangen.
Dann hab ich auch früh (mit 14/15) eigene Musik gemacht und die erste richtige Band, mit der wir Auftritte gemacht haben, hatten wir zur NDW-Zeit. …
Und da war auch das Problem: Bei einer Band sind z.B. vier Leute und diese vier Leute müssen irgendwie zusammenbleiben und einer ist auf den anderen angewiesen und meistens klappt das halt nicht so. Die Musik, die ich machen wollte, ging meistens nicht mit einer Band und dann hab ich mir halt gedacht, daß ich mit dem Scheiß aufhöre und alleine was mache. Und so hab ich irgendwann angefangen, fast ganz alleine Cassetten zu machen. Dann bin ich irgendwann zu dem Saxophonisten Martin Buchholz gestoßen und zu Mirko Krüger (vom Amigo-Label). Und dann haben wir zu zweit, Martin und ich, die erste Platte ‚Schizophrenic Party‘ gemacht.“

Die ‚Schizophrenic Party‘ geht in fünf Stücken ab, in denen Schwefel Elemente der 70er und 80er Jahre verbindet und eine eigene, gelungene Mischung aus Rock, Jagger, Bauhaus, Punk und Pop kreiert und den Hörer außerdem noch mit herrlichen Gitarrensounds und passenden Rhythmus- und Synthlinien erfreut. Und Martin Buchholz veredelt mit seiner Klarinette und seinem Saxophon diese fünf Songs zu wahren Pop-Perlen. Aber woher ist eigentlich der Text von ‚This Is For‘, der ist doch wortwörtlich von einem Bauhaus-Cover geklaut?!

„Ja, so isses.“

Und warum hast Du das nicht angegeben?

„Och, das war glaub ich irgendwie nicht nötig, denn Du kriegst ja Gemagebühren dafür, wenn du ihn als eigenen Text angibst…. Das ist halt so eine Sache. Bei ‚Schizophrenic Party‘ waren die Texte für mich noch nicht so wichtig. Ich hab das gelesen, fand es geil, da machst mal was draus. Der Text ‚Metropolis‘ war eigentlich auch nicht von mir, den habe ich zusammen mit einer Frau gemacht. Mit der Zeit kommst du halt ‚rein in die Sache und jetzt werden die Texte auch immer wichtiger für meine Musik, seit ‚Champagne Champagne And The Golden Rain‘ und ‚Hot In Hong Kong‘.“

‚Metropolis‘ war Schwefels zweite Mini-LP, die im Vergleich zum Vorgänger etwas düsterer ausgefallen ist, was gerade zu dem vom gleichnamigen Film inspirierten Titel-Track recht gut paßt, der sechs Minuten lang durch die Großstadt groovt, vorbei an futuristischen Sehenswürdigkeiten. Auf der B-Seite findet sich neben einer Coverversion des T.Rex-Songs ‚Visions Of Domino‘, die außer dem Gitarrenriff recht wenig an Marc Bolan erinnert, auch noch ein getrageneres Liebeslied mit schönen Akkordeonklängen.
‚Champagne Champagne And The Golden Rain‘ ist schließlich Schwefels popigstes Werk, auf dem auch wieder stärker Saxophon eingesetzt wird, nachdem auf ‚Metropolis‘ etwas sparsamer umgegangen wurde. Jedesmal ist anders und seine im Oktober 1988 erschienene erste Langspielplatte ist wesentlich rockiger als seine drei vorherigen Minis/Maxis zusammen, was einfach daran liegt, daß sie mit der Band eingespielt wurde, mit der Norbert Schwefel dann auch auf Tournee ging.

„Wir spielen jetzt schon seit zirka einem Jahr zusammen. Ich mach die Songs, Text, Harmonien und alles, spiele der Band das vor und dann versuchen wir, es zusammen zu arrangieren. Das ist unheimlich schwierig. Die drei ersten Platten hab ich halt fast alleine gemacht und wenn du dann eine Band suchst, die jedes Teil, das du gespielt hast, nachspielt, geht das meistens in die Hose. Und jetzt haben wir probiert, daß wir einfach erst die Band hatten und live zusammen arrangiert und versucht haben, es so wie wir es spielen auch auf Platte zu kriegen. Und so können wir auf der Tour dementsprechend spielen, wie die ‚Hot In Hong Kong‘ klingt.“

Und willst Du in Zukunft weiter in diese Rock-Richtung gehen?

„Ich kann mir nicht vorstellen, wenn die ‚Hot In Hong Kong‘ ein Mordserfolg wäre, jetzt drei ‚Hot In Hong Kong‘-LP zu machen. Ich bin eigentlich ein Typ, der gern viele verschiedene Instrumente einsetzt, immer wieder mal was anderes. Ich kann mir schon vorstellen, daß die nächste Platte vom Arrangement her wieder ganz anders aussieht, vielleicht mit afrikanischen Trommeln oder so ähnlich. Aber darüber habe ich mir noch keine allzu großen Gedanken gemacht.“

Das Saxophon-Riff auf ‚Secret Eyes, Silver Moon‘ erinnert an die Titelmelodie von Raumschiff Orion………

„Das isses auch. Das war so eine Idee, diese Titelmelodie in ein Uptempo-Stück einzuflechten. Man darf das alles nicht so ernst nehmen. Es gibt Bands, die sehen das unheimlich verbissen; aber bei mir muß es immer irgendwie auch ein bißchen locker und lustig sein – wenn man so ernsthaft und verbissen ist, wirkt das oftmals aufgesetzt.“

Willst Du von Deiner Musik leben, wenn Du schon so viel Zeit investierst?

„Klar, auf jeden Fall. Ich leb ja eigentlich jetzt schon davon – aber nur schlecht, weil ich nichts anderes außer Musik mache. Ich mache keine Jobs mehr, ich hab absolut die Schnauze voll davon. Ich hab sechs Jahre als Gärtner gearbeitet; das hat mich irgendwie frustriert und hab dann einfach damit aufgehört. Ich hab’s immer gesehen: andere haben auch nicht gearbeitet und irgendwie leben die immer noch. Du brauchst einfach mal Mut dazu.“

Kümmerst Du dich eigentlich um Politik?

„Ich bin ein absolut unpolitischer Mensch; ich interessiere mich nicht dafür, wir stellen’s immer ab. Ich mach’s auch nicht in meinen Texten, ich kann’s einfach nicht ab. Ich lebe irgendwo in einer (Phantasie-) Welt, die absolut unpolitisch ist. Das törnt mich immer ab, wenn ich das sehe.“

Singst Du deswegen auch Englisch?

„Nein, das hat damit nichts zu tun. Als ich so 10 Jahre alt war, da war ich ein absoluter Karussell- Fan und habe mir aus irgendwelchem Kram, Sesseln ein Karussell gebaut. Und dazu mußte ich auch immer den entsprechenden Sound kriegen und hab dann Langwelle im Radio eingestellt und da kam immer so englische Musik und das hat mich so angemacht. Dann hab ich auch angefangen zu singen; es war zwar kein Englisch, aber es hat so geklungen. Und so bin ich einfach damit aufgewachsen. Ich könnte mir zwar vorstellen, deutsche Texte zu schreiben, aber ich kann mir nicht vorstellen, sie zu singen.“

Welche Musik hörst Du eigentlich?

„T.Rex, Alan Vega, Suicide, Bryan Ferry, Prince. In der Independent Szene gefällt mir nur noch ganz wenig und ich interessiere mich auch gar nicht mehr so stark dafür. Wenn dann mal eine neue Prince- oder Bryan Ferry-Platte rauskommt, fahr ich darauf ziemlich ab.“

Und was hältst Du von Deinem Label-Kollegen Turkish Delight?

„Ich find es total hart, es kommt genau zur richtigen Zeit: Ofra Haza und so. Und er macht das halt jetzt im Independentbereich. Ich find es auf jeden Fall nicht schlecht, aber es fällt mit schwer, es wirklich zu hören. Bei der ersten Platte find ich das erste Stück spitze, das geht total geil los und dann flacht es teilweise in Lärm ab. Bei der neuen Maxi ist das ähnlich. Es ist halt ‚was vollkommen anderes. Er mag z.B. auch meine Musik überhaupt nicht und findet das total ätzend.“

Ja. Und sonst, gibt’s noch ‚was…?

„Ach ja! Ach ja! Die neue Schwefel-LP kommt auch als Compactdisc heraus mit wahrscheinlich zwei Bonustracks aus der ‚Champagne Champagne And The Golden Rain‘ – Zeit. Das eine Stück besteht nur aus Klavier, Tapes, Gesang, Bratsche und Cello. Und als zweites kommt noch der vierte Part von ‚Vertigo‘.“

Wieviel CDs laßt Ihr denn machen?

„Nur eintausend. Von der LP dreitausend Erstauflage, glaub ich. Das ist das, was wir an Maxis verkauft haben. Mir schwebt als Ziel irgendwas von sechstausend vor.“

Sechstausend Exemplare sind ja eigentlich gar nicht so viel…

„Ja, mit sechstausend geht’s dann schon langsam los, das sind von EfA schon die größeren Sachen. Dieser Philip Boa hat ja auch nur zehn/zwölftausend Platten verkauft. (…) Die EfA meint ja auch ‚Nachfolger von Philip Boa‘ und so. Bei der EfA ist das auch so eine Sache; die kriegen da Platten, verkaufen 1000 Stück und das interessiert sie überhaupt nicht, die machen überhaupt nichts dafür. Wenn sie dann mal merken ‚O.K.!‘, dann machen sie was. Jetzt haben sie gemeint, mit der ‚Hot In Hong Kong‘, da machen wir was – bei den anderen drei Platten hat Mirko wirklich die Promotion ganz alleine gemacht. Ab dreitausend wird’s für die erst interessesant.“

Bleibt uns nur zu hoffen, daß Schwefels Musik so oder so interessant bleibt.

This interview was edited and rearranged by mr.boredom

Das Original-Layout kann man sich hier als PDF ansehen.

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Schwefel-Discographie:

Cassetten:

– „The Dancing Partner“ (C-60, reissued as Amigo-Cassette 4)
– „Detailed“ (C-40 mit Demos und zuvor unveröffentlichtem Material, Amigo-Cassette 2)

Desweiteren verschiedene Cassetten-Sampler-Beiträge, u.a. auf:

– „Nichts ist sicher – Nuvox hat gesammelt“ (IndepenDance)
– „C-87 Space-Pop-Compilation“ (Amigo-Cassette 1)

Scheiben:

– „Schizophrenic Party“  (5-Track-12″, Amigo 501)
– „Metropolis“ (3-Track-12″, Amigo 502)
– „Champagne Champagne And The Golden Rain“ / „Decisions“
(2-Track-7″, Amigo 704)
– „Champagne Champagne And The Golden Rain“ (5-Track-12″, Amigo 504)
– „Hot In Hong Kong“ (9-Track-LP bzw. 11-Track-CD, Amigo 555)